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Ausgabe:

1969

Spalte:

939-941

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Pol, Willem H. van de

Titel/Untertitel:

Das Ende des konventionellen Christentums 1969

Rezensent:

Hübner, Eberhard

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939

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 12

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leuchtet wird. Unter Wahrung ihrer spezifischen Funktion, durch
die sich die Theologie als Wissenschaft von der kirchlichen Praxis
unterscheidet, wird aber zugleich betont, daß Theologie nicht eine
Prärogative des Klerus ist, sondern sehr wohl auch von Laien betrieben
werden kann und sollte (227f.).

Unter den Neuansätzen gegenwärtiger Theologie sind schließlich
die wichtigsten Gesichtspunkte und Themen einer modernen
römisch-katholischen Theologie zusammengefaßt. Besonders erwähnt
werden eine Theologie des Wortes Gottes, die Christologie,
die Ekklesiologie, das Verhältnis von Kirche und Welt, Gnade
und Sakramente und die Eschatologie. Diese Neubesinnung ist seit
einigen Jahren bereits im Gange, und das ganze Buch von
I.atourelle ist im Grunde ein Versuch, die vorliegenden Ansätze
und Ergebnisse systematisch zu ordnen.

Freilich wird weder mit der Darstellung noch mit den ausgewählten
bibliographischen Angaben der ganze Umfang dieser
neuen Entwicklung erfaßt. Aber die Schwerpunkte sind gerade in
der knappen Präzision des Buches klar zu erkennen. Das Buch
ist für katholische Theologiestudenten geschrieben. Es dürfte aber
auch für nicht-katholische Theologen eine anregende und hilfreiche
Lektüre sein. Viele der angeschnittenen Fragen stellen sich heute
in ähnlicher Weise für alle Kirchen in Theorie und Praxis. Nicht
zuletzt sucht man aber auch vergeblich nach einem vergleichbaren
Werk, das ähnlich fundiert und interessant einen Überblick über
die gegenwärtigen Tendenzen und Aufgaben evangelischer Theologie
vermitteln könnte, und zwar nicht nur als Bestandsaufnahme,
sondern in der Besinnung auf das Wesen der Theologie als Wissenschaft
vom Heil.

Heidelberg Reinhard S 1 e n c z k a

Van de Pol, W. H.: Das Ende des konventionellen Christentums
, übers, v. M. Lehne. Wien-Freiburg-Basel: Herder [1967].
480 S. 8°. ö. S. 172,-; DM/sfr. 27,80.

„Es hat den Anschein, als kämen die Theologen in Europa derzeit
nicht über das Bilanzziehen hinaus" (226). Dieser Satz des
von der niederländisch-reformierten zur römisch-katholischen
Kirche konvertierten Professors für Phänomenologie des Protestantismus
kennzeichnet die Bescheidung seines eigenen Buches.
Immer wieder betont er, unter Absehen von seiner Glaubensüber
zeugung als Phänomenologe lediglich zu beschreiben. Die Bemühung
darum ist ihm zu attestieren, obwohl sie - das liegt in der
Natur seines Gegensatzes - nicht völlig gelingen kann. Ja, es stellt
sich die Frage, ob ein allzu unreflektiertes Vertrauen in die phänomenologische
Methode nicht schon selber Ausdruck eines bestimmten
theologischen Vorverständnisses ist. Dennoch erweist der
hier beschrittene Weg seine Fruchtbarkeit an den Ausblicken, die
er eröffnet. Selbst den Leser, dem es im Grunde nichts Neues
sagt, muß treffen, was ihm hier, gebündelt und in ungewöhnlicher
Verständlichkeit, in Erinnerung gerufen wird. Das Buch
schreitet die Fragen ab, die sich dem christlichen Glauben heute
angesichts der Herausforderung der Moderne stellen und deren
Fazit sein Titel anzeigt. Deshalb tritt gleich nach der Lektüre der
ersten Seiten der an sich bedenkenswerte Umstand, daß es von
einem römisch-katholischen Theologen geschrieben wurde, auch
völlig in den Hintergrund. So demonstriert der Verfasser selber
eindrucksvoll seine Auffassung, daß die alte „Antithese Rom -
Reformation" von ganz anderen Antithesen überholt ist, die die
noch getrennten Konfessionen zwangsläufig zusammenführen
müssen.

Im I. Kapitel werden nach einer Einleitung, die auf eine auffallend
kurz gehaltene Erläuterung der phänomenologischen Methode
hinausläuft, zehn Kennzeichen der „konventionellen Religion
" einem „ausgesprochen sozialen Phänomen", prägnant definiert
: Die „Selbstverständlichkeit", die „Sicherheit und Geborgenheit
", die „Hartnäckigkeit", „Zufall und Willkür", die „Schützende
Funktion", die „Isolierung", die „Unmündigkeit" und das „Vorurteil
". Im II. Kapitel beginnt der Vf., diese Kennzeichen auf das
„konventionelle Christentum" hin zu verengen. Obwohl Entsprechungen
sicher nicht in Abrede zu stellen sind, eine derart glatte
Übertragung ist dennoch nicht problemlos. Das bestätigt etwa der
Abschnitt „Glaubensüberzeugungen", den man sich differenzierter
gewünscht hätte. Wie sehr hier aber schon theologische Vorentscheidungen
eingebracht sind, zeigt vor allem die ununterschic-
dene Zusammenstellung von „Religion" und „Christentum" unter
der Frage, ob ihre Stunde geschlagen habe. Im III. Kapitel, „Das

gewandelte Welt- und Menschenbild", geht es um die „Aushöhlung
des „konventionellen Christentums" durch das „naturwissenschaftliche
Weltbild" und die moderne „Psychologie". Das IV. Kapitel,
„Bibel und Kultur", enthält in einem ersten Teil eine knappe
Skizze einiger Ergebnisse der „modernen Bibelwissenschaft" und
erwähnt den Widerstand des „konventionellen Christentums" gegen
diese, insbesondere im römisch-katholischen Raum. In einein
zweiten Teil, „Die werdende Weltzivilisation", wird es mit „Demokratie
, Technik und Säkularisierung" konfrontiert, wobei auch hier
Bonhoeffer zum „Columbus" wird, „der das Ende des konventionellen
Christentums entdeckt hat, als zwangsläufige Folge der
Säkularisierung und des Mündigwerdens der Menschheit, das sich
in unserem Jahrhundert vollzieht" (189f.). Hier wäre Gogarten
eine gute Ergänzung gewesen. Es fällt auf, daß er in dem Buch
nirgendwo vorkommt. Das Ergebnis dieser ersten Kapitel findet
sich am Ende des IV.: „Die vielfältige Problematik, die sich in der
heutigen Situation von selbst ergibt, spitzt sich mehr und mehr
auf das Gottesproblem zu" (192). Damit ist übergeleitet zu den
folgenden Kapiteln, die die Gottesfragc in der Philosophie und
Theologie unserer Zeit zum Inhalt haben. Im V. Kapitel, „Philosophie
und Gottesproblem", findet sich zunächst ein philosophie-
und theologiegeschichtlicher Überblick, der bis in die Gegenwart
reicht. Danach werden vom VI. bis zum VIII. Kapitel Heidegger,
Buber, Barth, in Kürze auch Gollwitzer, und Tillich auf ihre Stellung
zur Gottesfrage heute hin befragt. Es gelingt dem Vf., klar
in die jeweilige Position einzuführen. Die Herausforderung, die
Barth sowohl für das „konventionelle Christentum" als auch für
die übrige Theologie bedeutet, arbeitet er scharf heraus: „entweder
überhaupt kein Glaube an Gott, oder aber ein Gottesglaube
, der in keiner Weise auf irgendeiner menschlichen Sicherheit
, sondern ausschließlich auf Gott selbst, Gottes Handeln und
Sprechen, auf Gottes Offenbarung gegründet ist" (290f ). Barth erhebt
damit einen „Exklusivitätsanspruch", nicht weil er „es besser
wissen will", sondern allein aus sachlichen Gründen, und stellt
„Theologie und Religionswissenschaft vor eine heikle Entscheidung
", der sie „nicht ausweichen" kann (353f.). Des
Verfassers bei aller beachteten Zurückhaltung unverkennbare
Sympathie für Tillich deutet seine Antwort an. Hier begegnet
wieder die zutiefst wohl im herkömmlichen römisch-katholischen
Denkmodell wurzelnde, theologische Vorentscheidung, die seine
Phänomenologie von Anfang an leitet. Anders als für Barth sind
für ihn offensichtlich Religion und Philosophie und in beiden
letztlich der Mensch konstitutiv in der Gottesfrage. Es ist jedoch
anzumerken, daß er das letzte Wort der „Exegese" einräumt. Und
diese „darf nicht aus einer von vornherein feststehenden Kultur -
und religionsphilosophischcn Haltung hervorgehen, sondern aus
der uneingeschränkten Bereitschaft, die Bibel das sagen zu lassen,
was sie sagen will" (317). Auch im IX. Kapitel, „Konfrontation mit
den nichtchristlichen Religionen", begegnet dieselbe theologische
Vorentscheidung. Hier wird aber auch besonders deutlich, welche
Fragen die Religionen der christlichen Theologie aufgeben, und
wie dringlich ihre Beantwortung inzwischen geworden ist. Die
Uberschrift des letzten, X. Kapitels: „Auf dem Weg zu einem neu
fundierten Gottesglauben" verspricht mehr als der Text hält. Einerseits
will der Verfasser rein phänomologisch „Bilanz" ziehen (s. o.),
andererseits überschreitet er die Bescheidung, die er sich damit
auferlegt hat, wenn er ihr einen Stellenwert zuerkennt, der fragen
läßt, was er unter einem „neu fundierten" (1. Kor. 3,11!.)
oder gar unter einem „neuen und neu begründeten Gottesglauben
" eigentlich versteht. Geht es ihm lediglich darum, daß durch
den „Zusammenbruch" der „christlichen und kirchlichen Abgötter",
die es zweifellos gibt, „der Weg für den Gott der Bibel" wieder
„freigelegt" wird (442)? Oder meint er noch etwas anderes? In der
theologischen Qualifizierung der „Bilanz", d.h. aber der kirchen-,
theologie- und geistesgeschichtlichen Gegenwart auf dem Hintergrund
einer ebenfalls theologisch qualifizierten Geschichte (vgl.
den Dreitakt: „Gotteserkenntnis" in der „scholastischen Theologie
", „Gottesglaube" in der „authentisch-reformatorischen Theologie
" und „Gotteserwartung" „jetzt am Anfang eines neuen Zeitabschnitts
", S. 441) könnte sich eine recht problematische Ge-
schichtsphilosophic verbergen. Als „Bilanz" legt der Vf. ein bemerkenswertes
Buch vor - als theologische Wegweisung hinterläßt
es mehr Unklarheiten als Klarheit.

Zwei formale Hinweise am Schluß i Im I. bis III. sowie im V. Kap.
stimmen die Numerierungen im Text und in den Anmerkungen
nicht durchweg überein. Einige Angaben fehlen ganz. Außerdem