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Ausgabe:

1969

Spalte:

935-936

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Lotz, Johannes Baptist

Titel/Untertitel:

Ich - Du - Wir 1969

Rezensent:

Schultz, Werner

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Seite 1

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evangelischen Theologie mißachtet und mit sehr unzulänglichen
Einwänden erledigt worden. Nur wenige Theologen (wie z. B.
Kahnis, Pfleiderer, Biedermann, A. Schlatter, P. Althaus) haben es
gewagt, die Gottesbeweise ernst zu nehmen. Im ganzen freilich hat
sich die Stellung der evangelischen Theologen (im Gegensatz zu
den katholischen) zu den Gottesbeweisen noch nicht viel verändert
Selbst ein so umsichtiger und für die theologische Metaphysik aufgeschlossener
Systematiker wie Hans-Georg Fritzsche vermag sich
noch nicht zu einer wirklich positiven Wertung der Beweise durchzuringen
und wiederholt (Lehrbuch der Dogmatik, II, 12ff.) z. T.
die alten, schon längst von Hegel widerlegten Einwände gegen die
Beweise. - Der Grund für diese negative Haltung der evangelischen
Theologen ist nach wie vor hauptsächlich der lähmende
Einfluß des kantischen Kritizismus, den weder die dialektische
Theologie noch die Existenztheologie bis heute überwunden haben.

Es ist daher zu begrüßen, dafj die katholische Wissenschaft, die
in diesem Problemkreis allezeit der evangelischen weit überlegen
war, eine Arbeit über die Geschichte und das Schicksal der Gottesbeweise
aus der Feder des Prof. Dr. Quirin Huonder vorlegt. Das
Buch ist keine systematische, sondern eine streng historische
Arbeit. Nur in einem kurzen Nachwort kommt die (thomistische)
Stellung des Vf.s zur Geltung; im übrigen bietet die Arbeit eine
objektive Darstellung des Ringens des Menschengeistes mit dem
Problem der Gottesbeweise. Auf knapp 170 Seiten wird eine Fülle
von Material vor dem Leser entfaltet, mit vielen ausführlichen
Zitaten aus den betr. Werken der Philosophen und Theologen.
Das eigene Urteil des Vf.s drängt sich nirgends auf, weder in der
Auswahl des Dargebotenen noch in gelegentlichen Bemerkungen.
Es ist bezeichnend für die Objektivität des Vf.s, daß er der Darstellung
der Einwände Kants gegen die Beweise den längsten Abschnitt
im Buche einräumt. In drei Teilen wird I. die Gotteslehre
der Griechen und Römer von Anaximander bis Boethius dargestellt
, II. die Behandlung der Gottesbeweise von Augustin bis
Suarez entwickelt, und III. Fortbildung und Ablehnung der Beweise
von Descartes bis zur Gegenwart geschildert. Den größten
Raum gibt der Vf. wie billig Aristoteles, Thomas von Aquino, Kant
und Hegel. Daß die katholische Philosophie und Theologie sowie
die Neuscholastik des 19. und 20. Jahrhunderts ausführlich zu
Worte kommen, ist verständlich. Sachliche Einwände gegen die
Darstellung und gegen die Auswahl des Dargebotenen vermag der
Rez. nicht vorzubringen, ihm ist keine historische Behauptung
aufgefallen, die er hätte bestreiten müssen. Der Vf. verfügt über
sehr gründliche Kenntnisse der Geschichte der Philosophie und
der Theologie.

So ist das Buch den Verfechtern und den Gegnern der Gottesbeweise
, und zwar nicht nur den Gelehrten, sondern auch allen
Denkenden unter den Gebildeten, warm zu empfehlen. Wir
wünschten dem Buch eine weite Verbreitung, besonders auch im
Lager der evangelischen Theologie, zumal auch Paul Tillich, der
heute einen so großen Einfluß ausübt, den Gottesbeweisen nicht
gerecht geworden ist, ((Syst. Theol. I, S. 242f.). Daß der Vf. die
Stellung des Rez. zu den Gottesbeweisen in dessen Buche „Hegels
Lehre von Gott" würdigt, vermerkt der Rez. mit Dank. Indessen
sind weder er noch P. Althaus für die heutige evangelische Theologie
repräsentativ.

Haldensleben Erik Schmidt

Lötz, Johannes B., S. J.: Ich - Du - Wir. Fragen um den Menschen
. Frankfurt/M.: Knecht [1968], 255 S. 8°. Lw. DM14,80.
Nach den einführenden Arbeiten von Ferdinand Ebner und
Martin Buber befaßt sich das katholische Denken in der Gegenwart
intensiver mit der Ich-Du-Problematik. Nach den aufschlußreichen
Arbeiten von Bernhard Langemeyer über den Dialogischen
Personalismus in der evangelischen und katholischen Theologie
der Gegenwart (1963) und Bernhard Casper über das Dialogische
Denken (1967) hat nun auch Lötz eine Untersuchung über die Ich-
Du-Dialektik vorgelegt. Aber das durch den Titel angezeigte
Thema des Buches wird nur im ersten Teil umrissen (15-133),
während im zweiten und dritten Teil (133-242) zu philosophischen
und religionsphilosophischen Fragen Stellung genommen wird.

Man kann den leitenden thematischen Gedanken des Vf. etwa
so »formulieren: Der Mensch verwirklicht sein Ich nur in dem
Maße, wie er sich von sich selbst weg in das Sein hinein bewegt
von dem er selbst ein Teil ist. Dieser Gedanke wird systematisch

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gestaltet durch den entscheidenden Rückgriff auf Thomas von
Aquin: „ihm verdanke ich das Grundgepräge dessen, was ich in
aller Bescheidenheit mein Denken nennen darf" (136). Mit ihm
tritt der Vf. im zweiten Teil seiner Untersuchungen an Kant, Hegel
und Heidegger heran und verbaut sich damit zugleich den Zugang
zu dem eigentlichen Anliegen dieser Denker, das nur in seiner
Gegensätzlichkeit zu dem vorwiegend durch Aristoteles bestimmten
thomistischen Denken geprägt ist, vor dem dann Denker wie
Nietzsche, Sartre u. a. nur noch als Atheisten zur Sprache kommen.

Bei der Lektüre des Buches, dessen Sprache übrigens klar und
vorbildhaft einfach ist, kam mir der Gedanke, ob das thomistische
Denken, das von der philosophischen Diktion des Ganzen und
seiner Teile getragen ist, überhaupt in der Lage ist, einen dialogischen
Ich-Du-Personalismus zu begründen. Kann man von diesem
Denken, dessen Kernsatz lautet: je allgemeiner um so wahrer
, zu dem kommen, was heute „Ich" genannt wird, dessen Wahrheit
gerade in seiner Einmaligkeit liegt? Ergeht nicht gerade im
Hinblick auf diesen Personalismus an das katholische Denken die
Forderung nach einer Philosophie, die der völlig veränderten
Situation Rechnung trägt?

Für das griechische Denken war doch das, was heute Individuum
genannt wird, keine begründbare Wirklichkeit.

Kiel Werner Schultz

Barth, Timotheus: Religiöse Heilszeit und philosophische Weltzeit
(Wiss Weish 32, 1969 S. 145-151).

Baur, Jörg: Himmel ohne Gott. Zum Problem von Weltbild und
Metaphysik (NZSTh 11, 1969 S. 1-12).

Bergenthal, Ferdinand: Die Berufung des Denkens im Zusammenbruch
der Weltanschauungen (Wiss Weish 32, 1969 S. 113
bis 122).

Cornehl, Peter: Feuerbach und die Naturphilosophie. Zur
Genese der Anthropologie und Religionskritik des jungen Feuerbach
(NZSTh 11. 1969 S. 37-93).

Klein, Aloys: Karl Jaspers über das Verstehen (Catholica 23
1969 S. 136-146).

M e ß n e r , Reinhold Oswald: Zur Schlüsselfrage der Theodizzee-
problematik (Wiss Weish 32, 1969 S. 130-144).

Platzeck, Erhard-Wolfram: Von Sinn, Besinnung, Besonnenheit
(Wiss Weish 32, S. 122-130).

Rode, Christian: Hoffnung im Hinblick auf Geschichte und Evolution
(FS 51, 1969 S. 130-140).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Muschalek, Georg: Glaubensgewißheit in Freiheit. Freiburg-
Basel-Wien: Herder (1968). 104 S. 8 0 = Quaestiones Disputatae,
hrsg. v. K. Rahner, H. Schlier, 40.

Georg Muschalek SJ ist einer jener Theologen, die durch die
moderne Glaubensproblematik innerlich bewegt sind und versuchen
, das Erbe ihrer Kirche mit der Offenheit für die Fragen des
heutigen Menschen zu verbinden. Er stößt aus dem Raum der
Zwangskirche vor, um auf dem Feld der Freiheit sich des Glaubens
zu vergewissern. So wird die Dialektik von Freiheit und Gewißheit
zum Thema seiner Untersuchung.

Der Verfasser gliedert seine Analysen in zwei Hauptteile. Der
erste Teil geht davon aus, daß Ungewißheit und Fragen nach
Gewißhejt zum Wesen des Menschen gehören. Muschalek nimmt
wahr, wie sehr innerhalb der katholischen Welt die überlieferte
Gewißheit im Schwinden ist und sich eine große Unruhe ausbreitet.
Nach einer Analyse der Ursachen, die in dem relativierenden
Pluralismus und der wachsenden Einsicht in die Geschichtlichkeit
gefunden werden, gibt er eine kurze Geschichte des Gewißheitsproblems
. Entscheidender Schwerpunkt ist darin die Auseinandersetzung
mit Thomas von Aquino. In vorsichtiger Weise übt Muschalek
an der Thomistischen Lösung Kritik; die so lange für normativ
gehaltenen Ausführungen des Aquinaten genügen an wesentlichen
Punkten nicht mehr. Insbesondere zeigt Muschalek, daß
bei Thomas das Verhältnis von Willen und Intellekt in bezug auf
den Glaubensakt nicht richtig bestimmt ist. „Der Verstand gerät,
nach einem verräterischen Wort von Thomas, in die Gefangenschaft
' des glaubenwollenden Willens. Damit ist vielleicht am
schärfsten die Entäußerung des erkennenden Geistes gekennzeichnet
(obwohl dies eher das Sachgefälle des Ansatzes als bewußte
theologische Absicht ist), der im Glaubensvollzug in seinem Eigentlichsten
frustriert ist und gewissermaßen .von außen' zur Annahme
der geoffenbarten Wahrheit bewegt wird" (S. 29f).

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 12