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1969

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 1

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unterschiedlichen Begründungen verneint (S. 242). Abaelard bildet
*e große Ausnahme (S. 234). Erst die Jesuitentheologie des
17- Jahrhunderts schafft dem Innenanspruch des Gewissens Raum
t*. 250f.), und Pius IX. (1846-1876) bestätigt die Entwicklung lehr-
amtlich, während der Aufjenanspruch in der Erklärung über die
Religionsfreiheit vom 7. XII. 1965 eine Sicherung findet. Welche
Stellung nimmt die Reformationstheologie ein? Sie folgt nach Scholz
durchaus den Spuren des Mittelalters. „Nach altrömischem Modell
haben auch sie die Religion dem Staate integriert und nur der
Cevvissensweisung einen Anspruch zugebilligt, die mit der objektiven
Norm der Reformation, d. h. der reformatorisch interpretierten
Heiligen Schrift übereinstimmt" (S. 245). Also: weder Inncn-
n°ch Auöenanspruch des Gewissens werden anerkannt. Das ist
nun eine einigermaßen überraschende Optik, und jeder, de» auch
nur über eine oberflächliche Kenntnis der Aussagen Luthers über
das Gewissen verfügt, muß dieses historische Urteil mit Bestimmt-
heit zurückweisen. Scholz scheint dann doch angesichts seiner These
Hemmungen zu empfinden, denn in einer (vielleicht erst nach-
•taglich konzipierten?) Anmerkung 58a (S. 245) fügt er hinzu,
Luther habe in dieser Frage eine Entwicklung durchgemacht: zunächst
leidenschaftlicher Verfechter der christlichen Freiheit hätte
er nach 1525 der weltlichen Obrigkeit auch die Unterdrückung der
häretischen Lehren zur Aufgabe gemacht. Dalj dabei dennoch die
-Gewissensfreiheit" gerettet werden sollte, wird wenigstens angemerkt
. Dann aber muij zumindest der „Innenanspruch" des Gewissens
- um in der Terminologie des Verfassers zu bleiben - gewährt
sein, und in der Tat wird denn auch kein Beleg dafür beigebracht
, dal) Luther in dieser Frage den Spuren des Mittelalters
folge. Kein Zweifel besteht darüber, daß Luther beim Gewissen
immer an das in Gottes Wort gefangene, nicht an das autonome
Gewissen denkt, und daß dieses Wort Gottes nicht prinzipiell, aber
faktisch mit der reformatorisch interpretierten Hl. Schrift zusammenfällt
; und kein Zweifel besteht weiterhin darüber, daß die nach
1525 ausgebildete Kerzertheorie in Spannung, ja sogar im Widerspruch
steht zur Forderung Luthers nach Gewissensfreiheit. Der
Widerspruch ist so zu formulieren, daß der Innenanspruch anerkannt
, der Außenanspruch aber geleugnet wird, und dieses deshalb,
Weil Luther ein Land mit verschiedenen Bekenntnissen nicht für
re3:erbar hält. Es wird also rein pragmatisch argumentiert: diejenigen
, d:'e sich aus Gründen des Gewissens der Reformation nicht
anschließen können, sollen unter Zusicherung freien Geleits das
Land verlassen. Das bedeutet gegenüber der mittelalterlichen Ketzervorstellung
einen wesentlichen Fortschritt (vgl. zum Ganzen und
den Belegen: Karl Holl, Ges. Aufsätze zur KirchengeschichteI,
Luther, «1932, S. 369ff.); die Spannung zur Forderung der Gewissensfreiheit
bleibt bestehen, der Innenanspruch des Gewissens hingegen
unangetastet. Hier wandelt Luther in den Spuren Abaelards.
L>ie Bemühungen der Jesuitentheologie im 17. Jh. stellen bedeu-
tur.gsgeschichtlich einen Nachklang zur Leistung Luthers dar. Das
•st vor allem dann unverkennbar, wenn man sich vergegenwärtigt,
wie sich die in der Scholastik ausgebildete und von Scholz mit
keinem Wort erwähnte Unterscheidung von Syntheresis und cons-
cientia in der Theologie Luthers einerseits, in der Jesuitentheologie
andererseits auswirkt. Bleiben also die theologiegeschichtlichen
Ausführungen an entscheidenden Stellen stark korrekturbedürftig,
s° kann man den Abschluß der Entwicklung durch die Konzils-
erklärung nur mit Freude und Hoffnung begrüßen, und in diesem
Lichte verdienen dann vor allem die weiteren sehr lesenswerten
Überlegungen (II. Grundsätzliches am Gewissensanspruch (S. 257
D's 265 und III. Konsequenzen verweigerter Religionsfreiheit S. 265
°is 295) volle Zustimmung.

Es mag mit diesen wenigen Hinweisen und kritischen Rand-
Notizen sein Bewenden haben. In dieser Festschrift kommen zentrale
Themen der Theologie in einer Weise zur Sprache, die in den
überwiegenden Fällen den Gegenwartsbezug klar artikuliert. Sie
vermittelt insofern einen schönen Eindruck von dem Versuch, eine
Aufgabe zu bewältigen, der auch die protestantische Theologie stets
neu ausgesetzt ist.

Mainz Hermann Fiicher

Tresmontant, Claude: Die Vernunft des Glaubens. Die Herausforderung
der Metaphysik durch die kirchliche Lehrverkündigung
. Übers, v. L P o 11 m a n n. Düsseldorf: Patmos-Verlag
(1964). 163 S. 8

Besser als der Titel der deutschen Übersetzung trifft den Inhalt
der vorliegenden Schrift der Titel des französischen Originals „Les
Idees Maitresses de la Metaphysique Chretienne". In der Tat erörtert
Verf. die Hauptideen der christlichen Metaphysik: Die Lehren
vom Absoluten und seiner Beziehung zur Welt, die Lehre von
der Schöpfung, vom Kosmos, von der menschlichen Natur, von der
übernatürlichen Bestimmung des Menschen sowie der Tragweite
seiner Vernunfterkenntnis im Hinblick auf den Inhalt der christlichen
Religion. Die im wesentlichen scholastisch orientierten Darlegungen
sind ansprechend und gemeinverständlich. Den Fachmann
freilich können sie nicht restlos befriedigen. Verf. lehnt jeden stärkeren
Einfluß der griechischen Philosophie auf das Christentum ab
und schreibt: „Das Denken der Kirche... setzt in allen seinen
wesentlichen Punkten das biblische Denken fort. Das Gewand
dieses Denkens mag hellenisch, platonisch, aristotelisch sein; auf
der entscheidenden Ebene der metaphysischen Strukturen, metaphysischer
Thesen ist die Kirche dem biblischen Erbe treu geblieben
. Sie hat das ihr anvertraute Gut bewahrt" (S. 121). Diese Sätze
hätte Verf. unmöglich schreiben können, wenn er sich mit den einschlägigen
Forschungen von Scheler, Hatch, Boman und Hessen
(insbesondere „Piatonismus und Prophetismus. Die antike und die
biblische Geisteswelt in strukturvergleichender Betrachtung",
2. Aufl., München 1955) vertraut gemacht hätte.

Köln Johanne« Hatten

Bergenthal, Ferdinand: Transsubstantiatio. Zur Interpretation
Teilhards de Chardin (WissWeish 31, 1968 S. 115-120).

Girardi, Guilio: Philosophie der Revolution und Atheismus
(Concilium 4, 1968 S. 455-462).

M a h a m e, Chrysologue: Les auteurs spirituels dans l'elaboration
de la Philosophie blondelienne (RechSR 56, 1968 S. 225-240).

Meßner, Äeinhold Oswald: Zur Schlüsselfrage der Theodizee-
problematik (WissWeish 31, 1968 S. 100-114).

M ö n n i g, Johannes: Zum Gottesbeweis (FS 50, 1968 S. 1-28).

Ogiermann, Helmut: Sartre und der dialektische Materialismus
(ThPh 43, 1968 S. 384-391).

S p 1 e 11, Jörg: Gestalten des Atheismus (ThPh 43, 1968 S. 321-337).

Weier, Winfried: Die introspektive Bewußtseinswahrnehmung
beim hl. Augustinus und bei Descartes (FS 50, 1968 S. 239-250)-

PRAKTISCHE THEOLOGIE

Fror, Kurt: Biblische Hermeneutik. Zur Schriftauslegung in Predigt
und Unterricht. 3. Aufl. München: Kaiser 1967. 407 S. gr. 8°.
Lw. DM 23,50-

Der Vf. geht von der Feststellung aus, daß das Problem einer
„sachgemäßen biblischen Hermeneutik" heute „quer durch die biblische
, historische und systematische Theologie" alle theologischen
Fächer angeht, aber „im Vollzug der Predigt seine äußerste Verdichtung
erfährt" (G. Ebeling) und deshalb zu verantwortlicher Beteiligung
der homiletischen und katechetischen Arbeit aufruft. Dabei
sieht er „eine wesentliche Aufgabe der Praktischen Theologie"darin,
„nicht nur Folgerungen zu ziehen, sondern sich auch in das grundsätzliche
Gespräch einzuschalten".

Demgemäß stellt F. in einem L, der hermeneutischen Grundlegung
dienenden Teil 1) die entscheidende Frage: „Was heißt
theologische Schriftauslegung?" und stellt hier die biblische Hermeneutik
in den Gesamtzusammenhang der modernen geistesgeschichtlichen
Verstehenslehre hinein (Schleiermacher, Dilthey, Hus-
serl, Heidegger, Bollnow u. a.). Dieser I. Teil gibt 2) einen Überblick
über die „Geschichte der Schriftauslegung" (Alte Kirche,
Mittelalter, Reformation, historische Kritik, K. Barth, R. Bultmann),
um 3) die „Grundfragen der biblischen Hermeneutik" zu erörtern
(historische Methode, Voraussetzungslosigkeit, Vorverständnis,
hermeneutischer Zirkel, Dualismus der Schriftauslegung, Auslegung
als verstehende Begegnung mit dem Text, der Kanon als
Kontext, das Mithören der Auslegungsgeschichte). Es folgen 4)
Einzelfragen der biblischen Hermeneutik (Mythos, Apokalyptik,
Sage und Legende,Typologie) und 5) Geschichte und Heilsgeschichte.
„Die christliche Gemeinde bezeugt das schöpferische Handeln des
dreieinigen Gottes in der Geschichte des alten und neuen Bundes"
(89).