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Ausgabe:

1969

Spalte:

909-910

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Schöpfung Welt - Zeit - Mensch 1969

Rezensent:

Haufe, Günter

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Seite 1

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1 Kor 15,3-8 sei dafür kein Zeugnis. Paulus habe zwei Dinge miteinander
verkoppelt. V. 3-5 enthalte dieselbe Vorstellung wie d'e
Ostergeschichten der Evg. „Die Zusammenstellung der Motive Begräbnis
und Erweckung deutet auch darauf hin, daß der Apostel
die Vorstellung der ersten Jünger vom leeren Grab und von der
Wiederbelebung des Leibes Jesu teilte. Folglich haben wir anzunehmen
, dafj auch Paulus die Erscheinungen des Auferstandenen
nicht als Visionen, sondern als Christusepiphanien . . . aufgefaßt
hat" (108). Die V. 6-8 dagegen enthalten Visionen der Urgemeinde,
zu der auch die des Paulus gehöre. „Daß Paulus die beiden Kategorien
von Christuserschcinungen auf dieselbe Stufe stellt, beruht
darauf, dafj es in allen Fällen derselbe auferstandene Jesus war,
der sich zeigte. Die Wirklichkeit dessen, der erschien, war in allen
Fällen dieselbe ' (108f.). Eigentlich müfjte nun L. die Ostererschei-
nungen als Halluzinationen bezeichnen. Er tut das auch, aber sehr
vorsichtig. Er möchte nämlich nun doch damit keineswegs ein
historisches Urteil fällen. Er wolle allein die Vorstellung darstellen
. „Wollen wir hierüber hinaus feststellen, was schliefjlich
historisch hinter den Ostcrcrzählungen liegt, müssen wir als vorurteilsfreie
Forscher eingestehen, daß für ein solches Unternehmen
unsere wissenschaftlichen Hilfsmittel versagen" (113).

Nach diesem besonders typischen Beispiel, das m. E. die Grenzen
der Methodik und auch der phänomenologischen Kriterien
sehr deutlich zeigt, müssen wir aus Raumgründen auf eine weitere
Darstellung verzichten. Die weiteren Teile der Untersuchung
sind:

7. Christus internus (114-144). Hier behandelt L. die Fömmigkeit
des Paulus, die man nicht als mystisch bezeichnen dürfte „Die
paulinische Christusfrömniigkeit ist eine verinnerlichte, dyna
mische Christusgemeinschaft, eine Koinonia mit und an Christus
auf der Grundlage eines soteriologisch, eschatologisch und metaphysisch
orientierten Glaubens an Christus, der auch Pneuma ist,
d.h. in der Erhöhung als ein pneumatisches Wesen in der himm-
lischen Welt existiert" (127).

8. Der Geist (145-161).

9. Altchristlicher Prophetismus (162-205).

Den Abschluß bildet 10. Die Geschichte der Johanncsapokalypse
(206-239). Hier geht es L. um die Scheidung zwischen echten Visionen
und apokalyptischer Ausgestaltung. Er nennt acht Kennzeichen
der „erlebnisechten Vision" (219). Anhand dieser Kennzeichen
findet L. einige echte Erlebnisvisionen, die allerdings z. T.
noch bei der Niederschrift überarbeitet wurden. Zu ihnen zählt L.:
1.9-20; 4,1-5.8; 11.19; 12,1-12; 12,13-18; 15,1-4; 15,5-8; 19,9-10;
19,11-16; 19,17-18; 22,8. Dieser Teil der Untersuchung scheint mir
für die Fragestellung und Methodik L.s am besten geeignet. Die
Sachfrage ist wichtig und den methodischen Weg zu ihrer Lösung
wird man anerkennen können, auch wenn in den Einzelheiten
sicherlich auch hier Abstriche gemacht werden müßten.

Berlin Karl Martin Fischer

Schelkle, Karl Hermann: Theologie des Neuen Testaments.

I: Schöpfung. Welt-Zeit-Mensch. Düsseldorf; Patmos-Verlag
11968). 172 S. 8° = Kommentare u. Beiträge zum Alten u.
Neuen Testament. Lw. DM 21-.

Charakteristisch für jede Darstellung der Neutestamentlichen
Theologie ist die Art und Weise, in der die Aufgabe verstanden
und methodisch durchgeführt wird. Während sich fast alle neue-
>'en deutschsprachigen Darstellungen (mit Ausnahme der von
" Stauffer) an die ältere Lehrbegriffsmcthode anlehnen, also
Kerygrna und Reflexion in ihrer historischen Entwicklung bei den
einzelnen Autoren beschreiben, geht der Tübinger katholische
Neutestamentier einen Weg, der Vorbilder in neueren angelsachsischen
Darstellungen hat: das Neue Testament wird nach zentralen
theologischen Themen befragt. Der Vorzug dieser Aufgabenstellung
liegt einerseits darin, daß bei den einzelnen Themen jeweils
wirklich das ganze Neue Testament in den Blick kommt,
und andrerseits darin, daß die Neutestamentliche Theologie un
mittelbar als Teil einer gesamttheologischen Aufgabe begriffen
wird. Die unaufgebbare historische Komponente kommt dabei in
der methodischen Durchführung zum Zuge: Vf. fragt nach der
Jeweiligen Ausgestaltung der einzelnen Themen in den verschiedenen
Überlieferungsschichten bzw. den ihr zugehörigen Schrif
tengruppen. Also eine systematisch orientierte, aber überliefe-
■"ungsgeschichtlich durchgeführte Darstellung der Neutestament-

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liehen Theologie! Es bleibt nur zu fragen, ob dieses im deutschsprachigen
Raum erstmalige und anregende Unternehmen auch
mit der nötigen Konsequenz zur Durchführung gelangt.

Der vorliegende erste Band behandelt unter dem Oberbegriff
der Schöpfung drei Themen i Welt - Zeit und Geschichte - Mensch.
Drei weiteren Bänden sind die Generalthemen von Heilsgeschichte
und Offenbarung, Ethos, Gottesherrschaft, Kirche und Vollendung
vorbehalten. Prinzipiell setzt Sch. bei jedem Thema mit einem
Überblick über das Alte Testament ein, um dann die Darstellung
nach 1. Synopse, 2. Paulus, 3. Johannes, 4. Übrige Schriften zu gliedern
. Schon hier drängen sich Fragen auf Einmal i Müßte nicht
die auch von Sch. durchaus anerkannte Tatsache, daß die neu-
testamentlichen Autoren nicht nur alttestamentliches Erbe weiterführen
, die Darstellung grundlegend mitbestimmen? Die Frage
nach den Voraussetzungen ist nicht gründlich genug durchreflektiert
. Weiter: Muß nicht die Abhebung der einzelnen Überlieferungsgeschichten
wesentlich differenzierter erfolgen? Es geht
heute kaum mehr an, sowohl auf eine Differenzierung zwischen
Jesus und den Synoptikern als auch zwischen den einzelnen Synoptikern
zu verzichten. Konsequente Berücksichtigung der tradi-
tions- und redaktionsgeschichtlichen Forschung gehört zu den
methodischen Grundvoraussetzungen für jede Darstellung der
Neutestamentlichen Theologie, die nicht hinter den Erkenntnissen
der Exegese zurückbleiben will. Überrascht stellt man fest, daß
ausgerechnet bei der Behandlung von Zeit und Geschichte selbst
die einfache Gliederung nach Synopse, Paulus, Johannes und
übrige Schriften zugunsten einer ganz pauschalen Betrachtung fallen
gelassen wird. Daß es dadurch zur Verkürzung und künstlichen
Harmonisierung unterschiedlicher Linien kommt, kann schwerlich
bestritten werden. Endlich; Müßte nicht die jeweilige theologische
Reflexion nicht nur ansatzweise, sondern grundsätzlich als Ergcb
nis eines kritischen Interpretationsprozesses verständlich und damit
allererst als Resultat eines unmittelbaren Lebensvorganges
(Schlatter: Einheit von Denkakt und Lebensakt!) begreiflich gemacht
werden? Sch.s Darstellung beschreibt zu sehr und interpretiert
zuwenig. Zwei eingeschobene Kapitel über das Verhältnis
des biblischen Schöpfungsglaubens und des biblischen Menschenbildes
(nicht aber des biblischen Geschichtsbegriffes) zu naturwissenschaftlichen
und philosophischen Anschauungen bieten keinen
ausreichenden Ersatz, erwecken viel eher den Eindruck, als
werde die Theologie des N. T. unmittelbar als normative biblische
Dogmatik für die Gegenwart betrachtet. Auch hier kommt die
Einsicht in die Notwendigkeit je neuer Interpretation bzw. in die
grundsätzliche Unabgeschlossenheit der Interpretationsgeschichte
nicht genügend zum Zuge Sch. scheint die Theologie des N. T.
am Ende doch - gegen seinen methodischen Ansatz, wie wir meinen
- weit mehr als Ortsanweisung denn als Weganweisung zu
verstehen. Die Durchführung des ohne Zweifel fruchtbaren Neuansatzes
, über dem sich katholische und evangelische Theologen
zum Gespräch zusammenfinden könnten, leistet noch zuwenig, da
es ihr an methodischer Konsequenz mangelt.

Leipzig Günter Haufe

Bring, Ragnar: Der Brief des Paulus an die Galater, übers, v.
K.-L. Voss. Berlin-Hamburg: Luth. Verlagshaus 1968. 253 S.
gr. 8°. DM24,-.

Der vorliegende Kommentar erschien 1958 in Schweden und
wurde 1961 ins Englische übersetzt. Die deutsche Fassung unterscheidet
sich von der schwedischen Vorlage durch die Hinzufügung
der Übersetzung des neutestamentlichen Textes, der jeweils den
Abschnitten der Auslegung vorangestellt wurde. Dabei wurde die
Übersetzung herangezogen, die R. Bring in Svcnsk Teologisk Kvar-
talskrift 39, 1963 S. 1-20 veröffentlicht hat. Der Verfasser versteht
seine Aufgabe dahin, nicht philologische und historische Fragen
in den Vordergrund zu rücken, sondern vielmehr „die theologisch
wichtige Darstellung und Beschreibung des gedanklichen Inhaltes
und des Ideenzusammenhanges" (S. 7). Es soll gezeigt werden,
„wie Paulus gedacht hat und was er in seinem Brief hat sagen
wollen" (S. 7). Die historischen Probleme werden daher nur kurz
berührt und an manchen Stellen beiseitegelassen, ohne sie zu
entscheiden.

Der Frage, ob die nord oder südgalatische Hypothese zutrifft
wird keine entscheidende Bedeutung für das Verständnis des Inhaltes
des Galaterbricfes zugemessen (S. 14f ). Wie weit sich der

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 12