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Ausgabe:

1969

Spalte:

907-909

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lindblom, Johannes

Titel/Untertitel:

Gesichte und Offenbarungen 1969

Rezensent:

Fischer, Karl-Martin

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907

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 12

908

punkt des antiken philosophischen Monotheismus darstellt und die
der Hrsg. im Anschluß an H. Strohm, MusHelv 9 (1952), 137-175.
einem Platoniker mit antistoischer Tendenz zuschreibt. Nicht minder
interessant sind die gnostischen Texte von H.-M. Schenke
S. 350-418, die einen weitgespannten Querschnitt enthalten von den
in reichem Maße berücksichtigten koptischen Texten - insbesondere
aus Nag Hammadi - über kleine Kostproben aus dem Traktat
Poimandres (388ff.), der Ginza (390-396), dem mandäischen
Psalmenbuch (404-407) bis zu einem kurzen Auszug aus den Zeugnissen
des Irenaus (412-418 vgl. 355). Das Perlenlied aus den Thomasakten
wird dagegen ungekürzt wiedergegeben (407-412), ebenso
8 von den Oden Salomos. Auffällig ist für den Leser dieses
Florilegiums der sehr wechselnde Charakter der verschiedenen
unter dem Stichwort „Gnosis" zusammengefafjten Texte. Zumindest
bei den Oden Salomos möchte man sich fragen, ob sie das
Etikett „gnostisch" völlig zu Recht tragen, ob hier nicht sehr stark
neben dem christlichen Erlösungsgedanken auch alttestamentlich-
jüdisches Gedankengut mit der entsprechenden Metaphorik wirksam
ist (S. die Vergleiche von J. Carmignac in: Qumran-Probleme,
1963, 75-108; Revue de Qumran 3 [1961/62], 71-102 und 4 [1963/64],
429-432). Das Rätsel dieser Schrift ist noch ungelöst. - Im ganzen
ist der II. Bd. eine sehr wertvolle Ergänzung des Gesamtwerkes,
und man möchte sich ihn in der Hand eines jeden Theologiestudenten
und Pfarrers wünschen. Er führt in die Texte ein und gibt
dadurch - dies wäre sein eigentlicher Zweck - dem Interessierten
den Anreiz, sich mit den originalen Quellen selbst zu beschäftigen.

Erlangen Martin H e n g e 1

I, i n d b 1 o m , Johannes: Gesichte und Offenbarungen. Vorstellungen
von göttlichen Weisungen und übernatürlichen Erscheinungen
im ältesten Christentum. Lund: Gleerup [1968]. 254 S. gr. 8°
= Acta. Reg. Societatis Humaniorum Litterarum Lundensis.
Skrifter utgivna av Kungl. Humanistiska Vetenskapssamfundet
i Lund, LXV. Schw. Kr. 50,-.

Das Buch L.s behandelt ein interessantes Problem. L. hat sich
zudem als Alttestamentler immer wieder mit dem Wesen der
Prophetie beschäftigt und besitzt reiche Kenntnisse der Visionsliteratur
aus allen Jahrhunderten der Kirche. Trotz dieser günstigen
Voraussetzungen wird das Buch zumindest in der deutschen
kritischen Forschung nicht ungeteilten Beifall finden. Das ist in
der ganz anderen Fragestellung und Methodik begründet, die
unter 1. Die Aufgabe (11-15) erläutert wird. Nach den erregenden
Debatten über die Hermeneutik würde es hier kaum möglich
sein, eine exegetische Methode als „objektive Exegese" zu be
zeichnen, die L. so definiert: „Objektive Exegese zu treiben bedeutet
, daß man konsequent den tatsächlichen Sinn der Texte
darzulegen versucht, ohne ihren Inhalt subjektiven Meinungen,
welche sie auch immer sein mögen, anzupassen. Die objektive
Exegese schließt grundsätzlich sowohl konfessionelle bzw. modern
lebensanschauliche als auch persönlich willkürliche Gesichtspunkte
bei der Erklärung der Texte aus" (14). Die Schwierigkeit, die
man beim Lesen einer solchen Definition empfindet, wird aber
noch größer, wenn es im nächsten Absatz heißt: „Dem Historiker
liegt es ob aufzuzeigen, wie das neutestamentliche Christentum
aus dem israelitisch-jüdischen Mutterschoß tatsächlich und existentiell
entstanden ist und wie Jesus und die ersten Christen die
tiefsten Intentionen der alttestamentlichen Religion vollführten
und zur Vollendung brachten ..." (14). Damit ist zugleich eine
weitere Vorentscheidung gefallen: hellenistische und heidnische
Vorstellungen werden kein einziges Mal in die Untersuchung einbezogen
, auch wenn L. z.B. bei Paulus sagt: „Die Möglichkeit,
daß Paulus, der als Hellenist auch unter anderen Einflüssen stand,
von außerbiblischen, vorchristlichen Pneumavorstellungen beeinflußt
sein könnte, soll nicht a priori abgewiesen werden. Auf
diese Frage habe ich hier keinen Anlaß, näher einzugehen" (148f.).
Das heißt, die Untersuchung bleibt ganz im innerbiblischen
Rahmen. L. legt sich darüber hinaus noch weitere Beschränkungen
auf: „Die historischen Probleme lasse ich bewußt in den Hintergrund
treten. Ebenso lasse ich alle ,theologischen', d. h. dogmatischen
Gesichtspunkte beiseite" (13). L. weiß, daß die Vorstellungen
nicht einheitlich sind und will auf solche Differenzen, „wo (es)
nötig ist, Rücksicht nehmen. Unser Hauptanliegen ist aber, die betreffenden
Vorstellungen selbst zu analysieren, nicht ihre Geschichte
zu schreiben" (15). So klingt zwar einmal das brennende

Problem der Unterscheidung der Geister, der Kampf zwischen Amt
und Geist und Geist gegen Geist an (193ff.), aber es wird m. E.
entschärft. Das uns seit W. Bauer so beschäftigende Problem von
Rechtgläubigkeit und Ketzerei liegt ganz außer der Betrachtung
L.s. L. hat diesen Vorwurf schon geahnt, denn er schließt den
ersten Teil mit den Worten: „Die folgende Darstellung ist m. a. W.
nicht eine kirchen- bzw. ideengeschichtlichc, sondern eine phänomenologische
. Das sei schon hier am Anfang gesagt, damit uns
nicht vorgeworfen werde, daß wir den historischen Gesichtspunkt
vernachlässigt haben" (15). Ob eine rein phänomenologische Betrachtung
der Vorstellungen unter so vielen selbst auferlegten Beschränkungen
zu weiterführenden Ergebnissen gelangt, ist m. E.
zweifelhaft. Der Leser mag es selbst beurteilen. Ich möchte mich
darauf beschränken, die einzelnen Teile der Untersuchung und
einige typische Ergebnisse zu nennen.

2. Omina und technische Offenbarungsmittel (16-24). Omina
finden sich im NT außer Joh. 12,28ff. nur in eschatologischem
Zusammenhang. „Sie sind Vorzeichen oder Bcgleitphänomene des
Anbruchs des vollendeten Gottesreiches oder Anzeichen dessen,
daß die Kräfte der himmlischen Welt schon jetzt und hier auf
Erden wirksam waren, Symptome dessen, daß man auf der Anfangsstufe
des erwarteten Gottesreiches lebte" (20f ). Als technisches
Offenbarungsmittel wurde der „israelitisch-jüdische Brauch"
des Loswerfens übernommen, wie Apg 1 zeige: „Die Initiative
wurde von Petrus, dem ersten unter den Aposteln ergriffen. Schon
die von ihm gehaltene lange Rede unterstreicht den Ernst des
Unternehmens; aber vor allem durch das gemeinsame Gebet um
die Leitung Gottes, des Herzenskenners, wurde an der Handlung
alles grob Magische aufgehoben. Der Ausfall des technischen
Losens wurde in eine Auswirkung göttlicher Vorsehung und Fügung
verwandelt" (24).

3. Träume (25-31). L. sieht, daß „Träume als Offenbarungen"
sich nur bei Matth, und in den Lukasschriften finden, formuliert
aber dennoch als Gesamtergebnis: „Die ersten Christen standen
in ihrer Schätzung der Träume auf dem Standpunkt der altisrali-
tischen und jüdischen Frömmigkeit, um nicht von dem Interesse
für Träume und Traumdeutung des Altertums überhaupt zu reden.
Es ist aber wohl zu bemerken, daß es in den neutestamentlichen
Träumen niemals um Einzelheiten, niemals um Malerisches, Pikantes
, Phantastisches geht; auch nicht das Visuelle oder das
sinnlich Auditive spielt eine hervortretende Rolle, alles konzentriert
sich auf die im Traume erteilte göttliche Weisung, auf die
Botschaft, auf den Befehl" (30f.). An diesem Zitat ist die das ganze
Buch begleitende unterschwellige Apologetik gut zu erkennen.

4. Visionen (32-67). L. beginnt mit einer Unterscheidung zwischen
Vision und Halluzination. Unter Vision solle man verstehen
„visuelle Erscheinungen von Gestalten .... die keine sinnlich objektive
Wirklichkeit haben, sondern nach der Auffassung der
schauenden und hörenden Personen einer anderen, unsichtbaren
Welt entstammen" (32). „Die Halluzination ist eine visuelle oder
auditive Wahrnehmung .... die keine Entsprechung in der Sinnenwelt
hat, aber dennoch als eine sinnliche und wirklichkeitsgetreue
aufgefaßt wird" (33). Nach dieser Klassifikation (die noch
im einzelnen detailliert wird) werden die Visionen im NT dargestellt
. Dazu gehören 2 Kor 12,2ff., die Damaskusvision, Apg
22,17f.; Apg. 10 u> 11, die Verklärungsgeschichte als ursprüngliche
Petrusvision (57ff.) und die Taufgeschichte als ursprüngliche Vision
Jesu (63ff.).

5. Angelophanien und Engelepiphanien (68-77). Der oben angeführten
Unterscheidung zwischen Vision und Halluzination entspricht
die Unterscheidung zwischen Angelophanie (der Vision zugeordnet
) und Engelepiphanie (der Halluzination zugeordnet). Zu
der letzeren zählt L. „das Eintreten des Engels Gabriel bei Maria
Luk l,26ff., die Erscheinung des Engels vor den Hirten 2,9ff, den
Engel, der erst die sämtlichen Apostel und dann Petrus aus dem
Gefängnis befreite Apg 5,19; 12,7ff., den Engel oder die Engel am
Grabe Jesu Matth 28,2ff.; Markl6,5ff.; Joh 20,12f., die beiden
Männer in weißen Kleidern, die bei den Aposteln standen, als sie
sahen, wie Jesus gen Himmel hinauffuhr Apgl.lOf." (76).

6. Christophanien und Christusepiphanien (78-113). Dieselbe
Unterscheidung ist nun auch hier zur Stelle. Alle Ostercrscheinun-
gen rechnet L. zu den Christusepiphanien. „Es gibt keine Andcu
tung von einer ekstatisch-visionären Erscheinungsweise, die ur
sprünglicher als die Vorstellung von Christusepiphanien wäre"
(105). Es sei also völlig unangebracht, von Visionen zu reden. Auch