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Ausgabe:

1969

Spalte:

898-899

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Steck, Odil Hannes

Titel/Untertitel:

Überlieferung und Zeitgeschichte in den Elia-Erzählungen 1969

Rezensent:

Kapelrud, Arvid Schou

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 12

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befehl nicht hervorgehoben wird, kann auch der traditionsgeschichtlich
bedingte Abstand zu einem Erschaffen durch Machen,
Setzen, Trennen nicht gesehen werden, der für die Entstehung
des Textes Gen 1 von wesentlicher Bedeutung ist, und der doch
schon in einer Reihe von Untersuchungen (z. B. W. H. Schmidt)
diskutiert wurde.

Im einzelnen werden viele gute und klärende Deutungen gegeben
: Zu Gen 6,1-4 sieht der Verfasser entgegen der bisher überwiegenden
katholischen Auslegung richtig, daß mit den „Gottessöhnen
" nur „vollwertige Götter" gemeint sein können, keine
Engel und schon gar nicht Menschen. „Als Ergebnis läßt sich festhalten
, dafj im Falle von Gen 6,1-4 aHein die Gottessöhne-Deutung
philologisch begründbar ist" (S. 38). Die Vorlage von Gen 6,1-4
wollte nur die Entstehung der Nephiliter erklären, ohne jede negative
Bewertung. V. 3 wurde als Interpretation eingeschoben, der
„von der Geschichte des Bundesvolkes her urteilt" (S. 48).

Zu Gen l,l-2,4a ist die entschiedene Wendung gegen die „neu-
platonisch-augustinische Auslegung der Gottebenbildlichkeit" (S. 67)
hervorzuheben; ebenso entschieden wendet sich der Vf. dann gegen
die augustinische Interpretation des Sündenfalles. - Ein wesentlicher
Schritt voran ist damit getan, dafj die Frage, ob die
Lehre von der creatio ex nihilo, die „durch das IV. Latcrankonz.l
(1215) eine offizielle Bestätigung erhielt" (S. 80), eine biblische
Grundinge habe, verneinend beantwortet wird: „In Gen l,l-2,4a
wird der Gedanke der creatio ex nihilo nicht vertreten" (S. 85).
Es ist richtig erkannt, dafj erst die sprachlichen Ausdrucksformen
der griechischen Philosophie zu dieser Formulierung geführt haben
. Weiterführend sind auch die Fragen, die an Gen 1,28 angeschlossen
werden. Im Blick auf die „creatio continua" kommt
der Vf. zu dem gleichen Schlufj. zu dem ich auch in meinem Kommentar
kam: „man wird darauf verzichten müssen, den fortdauernden
Einflufj Gottes auf die Welt als creatio continua zu
verstehen" (S. 97). Der Vf. sagt mit Recht: „Es ist kaum möglich,
die Entwicklung in der Natur als Schöpfung zu verstehen" (S. 97);
damit würde die Schöpfung den Charakter des unbedingt Einmaligen
verlieren.

Zu Gen 2-3 ist die Heranziehung des Gilgamesch-Epos und des
Kapitels Ez28 hervorzuheben; es hätte aber gerade von diesen
Texten her deutlich werden können, dafj es sich in Gen 2-3 um
urgeschichtliches Geschehen handelt und daher eine Polemik gegen
geschichtliche Phänomene wie den kanaanäischen Fruchtbarkeits
kult nicht gemeint sein kann. Sehr zu begrüßen ist die eindeutige
Ablehnung des sog. „Protoevangeliums" in 3,15; der Vf. weist
darauf hin, „dafj die Kirche keine offizielle Auslegung von Gen 3,15
kennt": „Die moderne, philologisch-historisch ausgerichtete Schriftauslegung
vermag dem Text nichts zu entnehmen, was in einem
christologisch-mariologischen Sinne gedeutet werden könnte"
(S-136). Sie ist gezwungen, „die allegorisch-typologische Auslegung
der Genesisstelle fallen zu lassen" (S. 137).

Heidelberg Claus Westermann

s c h m i d, Herbert: Mose. Überlieferung und Geschichte. Berlin:
Töpelmann 1968. VIII, 113 S. gr. 8° = Beihefte zur Zeitschrift
f. d. alttestamcntliche Wissenschaft, hrsg. v. G. Fohrer, 110. Lw.
DM 32,-.

Das Mose-Problem scheint sobald nicht wieder zur Ruhe zu
kommen. Nachdem vor etwa einem Jahrzehnt in verschiedenen
Werken eine Bilanz der Mose-Forschung gezogen wurde1, versucht
man seitdem - in den letzten Jahren in verstärktem Maße - mit
Hilfe neuer Aspekte zu einer eingehenderen Analyse der Überlieferung
und zur Erfassung ihres geschichtlichen Gehaltes zu gelangen2
, wobei im allgemeinen ihre Zuverlässigkeit wieder höher
eingeschätzt wird, als es bei der vorangegangenen stark destruk-

') R. Srrjcnd, Das Mosebild von Heinrieh Ewald bis Martin Noth, Tübingen
1959; vgl. die Rezension in ThLZ 85, 1960, Sp. 279 f.; E. Oftwald, Das Bild des
Mose In der kritischen alttcstamentlichen Wissenschaft seit Julius Wellhausen, Ber-
'*» 1962 (1956 Masch.); vgl. die Rezension in ThLZ 89, 1964. Sp. 424 f.; C. A. Kel-
lcr. Vom Stand und Aufgabe der Moseforschung = ThLZ 13, 1957, S. 430-441;
•»■ Schmid, Der Stand der Moseforschung «= Judaica 21, 1965, S. 194-221.

:) Vgl. z. B. F. Schnutenhaus. Die Entstehung der Mosetraditionen. Diss. theol
Heidelberg 1958 (Masch.); G. Fohrer, Oberlieferung und Geschichte des Exodus
E'nc Analyse von Ex 1 15 = BZAW 91, Berlin 1964; S. Herrmann. Mose m EvTh 6.
1!>68. S 301-328.

tiven Behandlung derselben der Fall war'. In diesen Rahmen ist
auch die vorliegende Arbeit, die im Wintersemester 1967/68 von
der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Johannes Gutenberg-
Universität Mainz als Habilitationsschrift angenommen wurde, einzuordnen
.

Nach einer Einführung behandelt der Vf. in 10 Kapiteln folgende
Themen i Die Routen des Auszugs und der Wüstenwanderung, Die
Berufung Moses, Die Traditionen der Wüstenfestgruppc, Das
Meerwunder, Sinai und Gottesberg, Die Mosegruppe und die
Midianiter, Moses Konflikt mit Aron und Mirjam und der An
schlufj der Leviten, Moses Konflikt mit Dathan und Abiram, Vor-
deuteronomische Aussagen über Mose außerhalb des Pentateuchs
und Ostjordanische Moseüberlieferungen im Dtn. Zum Schluß werden
die Ergebnisse hinsichtlich Weg, Werk und Gestalt des Mose
noch einmal zusammengefaßt.

Die exegetisch-überlieferungsgeschichtlichc Arbeit gründet der
Vf. auf die Literarkritik, u. zw. auf die „neueste Urkundenhypothese
", d. h. er rechnet neben J und E noch mit einer dritten alten
Pentateuchschicht L (Eißfeldts Laicnquelle) bzw. N (Fohrers Nomadenquelle
). Für seine Auffassung ist es charakteristisch, daß er
zwischen einer Tradition vom Wüstenfest und vom Exodus unterscheidet
. Aus bestimmten Hinweisen im Text meint er erschließen
zu können, daß sich zwei verschiedene Gruppen in Ägypten aufgehalten
haben. Die Wüstenfestgruppc (vgl. z.B. Ex3,18b-22J;
4,20b-23 E), die Vätergötter verehrte, zog nach ihrer Entlassung
aus Ägypten direkt nach Kadesch und trat dort in Verbindung
mit dem Leviten Aron und mit Mirjam. Diese Gruppe unterhielt
Beziehungen zu dem in der Nähe von Kadesch gelegenen Gottesberg
und ging später in der Mose-Schar auf. Auf Veranlassung des
Mose war diese aus Ägypten geflohen, hatte im Bereich des östlichen
Nildeltas das Meerwunder erlebt und war dann nach dem
in Nordwestarabien gelegenen vulkanischen Sinai gezogen. Durch
eine Berith konstituierte Mose, der mit den Midianitern in Verbindung
stand, die Seinen zum Volk Jahwes. Bei einem „Abstecher
" nach Kadesch traf die Mose-Schar mit der Wüstenfest-
gruppe zusammen. Die Vereinigung der beiden Gruppen, die
freilich nicht ohne Konflikte aufrechterhalten werden konnte, hat
m dem Bericht in Ex 24,3-8 ihren Niederschlag gefunden. Von
Kadesch aus zog Mose mit einer kleineren Gruppe nach Punon
östlich der Araba und gelangte schließlich in den östlichen Steppenbereich
der moabitischen Hochfläche. Sein Grab liegt im Tal
gegenüber von Beth Peor.

Die vom Vf. vorgenommene Herleitung des Materials von verschiedenen
Gruppen erinnert im Prinzip an das Vorgehen von C. A.
Simpson', wenn Schmid im übrigen auch seine eigenen Wege geht.
Es muß zugegeben werden, daß die Hypothese von der Wüsten -
festgruppe eine Möglichkeit bietet, das auffällige Zurücktreten
des Mose in manchen Überlieferungen im ersten Teil des Buches
Exodus verständlich zu machen, aber es läßt sich durchaus auch
anders erklären. Durch eine solche Untersuchung - und darin liegt
ihre Hauptbedeutung - wird erneut darauf aufmerksam gemacht,
daß die Vorgänge der Mosezeit wohl doch sehr viel komplizierter
waren, als es die uns erhaltenen, stark ausgeglichenen Überlieferungen
ahnen lassen.

Berichtigung. Der Titel des Aufsatzes von Chr. Barth in
SVT15, 1966, S. 14ff. lautet: Zur Bedeutung der Wüstentradition
(nicht: Wüstenfesttradition; so S. 12, Anm. 99).

Jena Eva Oswald

') M Noth, Uberlieferungsgeschichte des Pentateuch, Stuttgart 1948; i9602; k.
Koch, Der Tod des Religionsstifters = KuD 8, 1962, S. 100-123.

*) The Early Traditions of Israel. A Critical Analysis of the Pre-deuteronomic
Narrative of the Hexateuch, Oxford 1948; vgl. E. Oftwald. a.a.O., S. 288ff.

Steck, Odil Hannes: Überlieferung und Zeitgeschichte in den
Elia-Erzählungen. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag d. Erziehungsvereins
1968. VII, 160 S. gr. 8° = Wissenschaft! Monographien
z. Alten u. Neuen Testament, hrsg. v. G. Bornkamm
u. G. v. Rad, 26. Kart. DM 20,80.

Der Verfasser hat sich als Aufgabe gestellt, ein Bild vom Werden
der Eliaüberlieferung zu gewinnen, und er findet drei Probleme
gestellt: 1. Wie ist die Eliaüberlieferung verlaufen? 2.
Welche zeitgeschichtlichen Ereignisse werden aufgegriffen? 3.
Welche Sicht und Motivation ist dabei maßgebend? Auch wünscht