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Ausgabe:

1969

Spalte:

891-893

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Ellermeier, Friedrich

Titel/Untertitel:

Prophetie in Mari und Israel 1969

Rezensent:

Reventlow, Henning

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 12

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sehen Rechtsordnung (S. 13ff.) wird als summarische Vorstellung
der wichtigsten Gesetzessammlungen und Rechtstexte dem Leser
willkommen sein, wobei man allerdings den Eindruck hat, daß
sich der Vf. weniger an Fachleute, als vielmehr an einen größeren
Leserkreis wendet. Dieser Eindruck entsteht verstärkt bei der
fast ein Drittel des Buches einnehmenden Darstellung des Verlaufes
und der Beurteilung des rechtlichen Geschehens im Alten
Testament (S. 103-171). Hier werden einfach Excerpte der Texte,
die sich mit dem Rechtswesen befassen, in biblizistischer Manier
ohne nennenswerte Berücksichtigung der Literarkritik aneinandergereiht
. Wenn z. B. für die Darstellung der Rechtspraxis in der Zeit
von „Auszug und Wanderung" (S. HOff.) neben Materialien aus den
alten Tetrateuchquellen auch deuteronomische und priesterschriftliche
Bestimmungen gleichwertig herangezogen werden, so kann
kein zuverlässiges Bild entstehen. In noch höherem Maf3e gilt
dies von dem Abschnitt über die Richter (S, 118ff.), wo alte Nachrichten
und deuteronomistische Interpretationen bunt durcheinander
gewürfelt werden. Auf die moderne Diskussion zur Richter-
frage wird nicht eingegangen, wie überhaupt der Vf. sich weithin
darauf beschränkt, die Texte durch ermüdend lange wörtliche
Zitate aus meist älteren Kommentaren zu interpretieren3. Entsprechendes
gilt auch für den Abschnitt vom „Richten Gottes"
(S. 210-33), der allenfalls als eine erste kurze bibelkundliche Einführung
interessierten Laien empfohlen werden kann.

Berlin Karl-Hei.iz Bernhardt

:{) Auf die mangelhafte Berücksichtigung moderner Kommentare zu den be
rprochenen Psalmtexten macht G. selbst im Vorwort als verursacht durch .verschiedene
Gegebenheiten" aufmerksam (S. VTIf ). Aber auch sonst vermiftt man im
zweiten Teil der Arbeit ständig die Heranziehung und Diskussion moderner Fachliteratur
. Uberflüssig erscheint es dagegen dem Rez., bei Bibelzitaten den he-
bläischen Text umschriftlich in den Anmerkungen abzudrucken

Eilermeier, Friedrich: Prophetie in Mari und Israel. Herzberg
: Jungfer 1968. 248 S. gr. 8° = Theologische und orientalistische
Arbeiten, 1. Lw. DM 46,-.

Je mehr von den reichen Schätzen des königlichen Archivs von
Mari (19.-18. Jh.) veröffentlicht wird, desto bedeutsamer erweisen
sich die Funde für die Erforschung kulturgeschichtlicher Probleme
des Alten Testaments. Besonders beachtet wurden seit längerer
Zeit die sog. „prophetischen" Mari-Briefe, weil sie das früheste
Zeugnis für das Auftreten von Propheten im altorientalischen
Raum darstellen. Für einen Vergleich mit der alttestamentlichen
Prophetie berücksichtigt wurden bisher jedoch nur sechs Briefe,
obwohl in den letzten Jahren schon erheblich mehr bekannt geworden
waren.

Ein entscheidendes Verdienst der Arbeit Eilermeiers ist es, daß
in ihr zum erstenmal alle bisher publizierten „prophetischen"
Mari-Briefe zusammengestellt, soweit zugänglich transkribiert und
in einer übersichtlichen Parallelausgabe in deutscher Übersetzung
dargeboten werden. Es handelt sich im ganzen um 22 Briefe: A 15;
ARM (T) 11,90; 111,40; 111,78; VI,45; XIII.23; XIII,112; XIIL113;
XIIU14; A1121; A1925; A455; A4260; ARM X,6; X,7; X,S;
X.10; X,50; X,51; X,80; X,81; X,100, die insgesamt dreißig prophe-
thische Botschaften enthalten. Von diesen werden neun erstmalig
in Transkription und Übertragung ins Deutsche dargeboten. Auf
die Wiedergabe der Texte (S. 24-75) folgt zunächst eine eingehende
Analyse der Prophetenbotschaften in den Mari-Briefen (S. 76-158
[159-164]). Hier werden in systematisch vergleichender Form die
einzelnen Züge des Empfangs und der Übermittlung der prophetischen
Botschaften, wie sie in den Briefen sichtbar werden, dargestellt
. Das jetzt vorliegende Material erlaubt gegenüber den
wenigen bisher in der alttestamentlichen Forschung berücksichtigten
Briefen einen relativ guten Einblick in den Charakter der
Mari-Prophetie. Zwei Dinge sind vor allem bedeutsam: erstens der
Vorgang des Empfangs und der Übermittlung der prophetischen
Botschaft, zweitens Form und Inhalt der Botschaft. In beiden Hinsichten
zeigt die Mari-Prophetie ein überraschend vielseitiges
Bild. Wichtig ist vor allem, daß die direkte Form der Übermittlung
der Botschaft an den Botschaftsempfänger (da die Briefe alle aus
dem königlichen Archiv stammen, ist es regelmäßig der König; aus
ARM X,100 wird jedoch deutlich, daß die Botschaften auch an Privatpersonen
gerichtet sein können) die Ausnahme ist. Nur aus
A 15 läßt sich entnehmen, daß der Prophet vor dem Botschafts-

empfänger, dem König, selbst sprechen konnte. Gelegentlich
schreibt der Prophet dem König: A4260; ARM X.50 1. und 2.
Hotschaft; ARM X.100. In der Regel erscheint der Prophet jedoch
nicht persönlich vor dem König, sondern für die Botschaftsübermittlung
sind Zwischenpersonen eingeschaltet. Dabei handelt es
sich einmal um einfache Botschaftsvermittler, denen von Offenbarungsempfängern
die Botschaft mitgeteilt wird oder die von ihr
erfahren und sie dann brieflich an den König weiterreichen. Nicht
selten stehen zwischen Offenbarungsempfängern und Botschaftsempfängern
sogar zwei Botschaftsvermittler, oder, noch bemerkenswerter
, in der Mitte steht ein scheinbarer Botschaftsempfänger
, der zunächst angeredet wird, obwohl die Botschaft eigentlich
einen Dritten (den König) betrifft. Scheinbare Botschaftsempfänger
sind gewöhnlich Provinzgouverneure des Marireiches. Vor ihnen,
nicht vor dem König persönlich erscheint der Prophet; der scheinbare
Botschaftsempfänger erhält in der Regel den Auftrag, dem
eigentlichen Botschaftsempfänger, dem König, zu schreiben; von
diesem ist dann meist in der dritten Person die Rede. Ein Sonderfall
ist ARMT XIIL23 (einziges Beispiel einer Fremdvölkerpro-
phetie), wo der feindliche König Hammurapi scheinbarer Bot-
schaftsempfänger ist, die aber dem König Zimri-Lim mitgeteilt
wird, für den als eigentlichen Empfänger die Botschaft Heil bedeutet
. Wichtig ist, daß die auch noch so indirekte Art der Übermittlung
für die Geltung der Botschaft ganz ohne Belang zu sein
scheint.

Die gleiche Vielfalt zeigt sich auch bei der Person des Offenbarungsempfängers
(S. 83f.). Offenbarungsempfänger sind sowohl
männliche und weibliche kultgebundene Personen (muhhüm und
muhhütum = Ekstatiker; äp(i)lum und äpiltum = Beantworter;
qamatum; assinu = Eunuch und sangüm = Priester) wie auch
Laien der unterschiedlichsten Stände. Auch die Art des Offenbarungsempfangs
ist vielfältig. E. unterscheidet zwischen zwei
Formen: 1. dem Traum (der Vision), wobei auch ein bloßes Schauen
vorkommt (X,50 erster Traum, vgl. auch XIII,113), die Entwicklung
aber immer mehr auf das Hören zuläuft, das schließlich
allein übrigbleibt (vgl. den Übergang von ARM X,51 zu ARM X.100
und XIII,112); 2. den Empfang von Gottesrede in der Ekstase, die
jedoch „eine Inspiration zur Botschaftsübermittlung in verständlicher
Rede" bzw. „ein nachträgliches Formulieren der Botschaft,
wenn die Ekstase abgeklungen war" zum Inhalt hat. Zwischen beiden
Formen läßt sich für das Gewicht der Botschaft kein Unterschied
feststellen. Wichtig ist auch, daß uns in den Mari-Briefen
hauptsächlich ein unaufgefordertes Reden der Propheten bezeugt
ist, die Antwort auf Anfrage, das Orakel, wird demgegenüber als
eine ältere, fast schon überwundene Stufe sichtbar. Daß es sich
um ein unaufgefordertes Reden handelt, wird in dem oft recht
unliebsamen Inhalt der Botschaft sichtbar, vor allem aber in dem
System der Legitimierung und Haftung der Propheten für ihre
Botschaft. Diese Haftung sieht E. vor allem in der häufig bezeugten
Übersendung von Locke und Gewandsaum des Propheten angedeutet
, machthaltigen Gegenständen, mit deren Auslieferung der
Prophet sich in die Gewalt des Botschafsempfängers begibt. Beides
wird in all den Fällen übersandt, in denen der Botschaftsvermittler
nicht selbst die Haftung für die Botschaft übernimmt (S. 97
bis 110). Ohne Frage ist dies eine interessante These, die allerdings
als Rückschluß aus einem noch immer verhältnismäßig schmalen
Material weiterer Nachprüfung bedürftig ist.

Aufschlußreich ist auch die Vielfalt der Gattungen und Formen
der Prophetie. Neben dem Botenspruch begegnet hier auch der
Bericht über die Offenbarung, wobei zwischen dem Orakelempfang
an der Offenbarungstelle selbst und der dann doch auch wieder
durch einen Brief ausgerichteten Botschaft in der Bewertung kein
Unterschied festzustellen ist (S. 110-132). Ebenso vielfältig ist der
Inhalt der Botschaften. Hier begegnen Verheißungen und Drohungen
, Mahnungen und Warnungen, bedingte und schließlich unbedingte
Unheilsankündigungen, wobei diese Inhalte oft in verschiedenartiger
Weise miteinander verknüpft erscheinen. Neben
den bisher bekannten vorwiegend kultischen Forderungen steht
hier eine vorwiegend auf die politische Situation der Zeit bezogene
Verkündigung, die uns die bedrängte Lage Maris in der Auseinandersetzung
mit dem übermächtigen Hammurapi von Babylon
auch in prophetischer Sicht widerspiegelt. In den Begründungen
der Unheilsankündigungen (soweit solche gegeben werden) und den
Mahnungen und Warnungen (alle diese Gattungen sind ebenfalls
Gotteswort!) wird das unbedingte Vertrauen auf die Hilfe der