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Ausgabe:

1969

Spalte:

872-874

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Autor/Hrsg.:

Averbeck, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Der Opfercharakter des Abendmahls in der neueren evangelischen Theologie 1969

Rezensent:

Bieritz, Karl-Heinrich

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Theologische Litcraturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 11

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nale II" von der Lutherischen Liturgischen Konferenz herausgegeben
worden; in ihm finden wir in ausgereifter Gestalt die Ordnung
der „Gebetsgottesdienstc", die 1960 in Band II der „Lutherischen
Agende" (als „zur Erprobung bestimmter Entwurf") veröffentlicht
worden ist. Hier haben wir ein Werk aus einem Guß
vor uns. Die Ordnungen für „Mette", „Mittagsgebet", „Vesper" und
„Complet" schließen sich ganz eng der abendländischen Tradition
des Horengebetes an: Gregorianische Psalmodie, Gesang der Hymnen
und Cantica, Lektionen mit Responsorien, der Ingressus am
Anfang und die Gebete am Schluß, alles entspricht dem, was schon
in den frühmittelalterlichen Klöstern des Benediktincrordens feste
Regel war. Und was die römische Kirche z. Z. in der Reform ihres
Breviers erstrebt, das ist in diesem lutherischen Brevier bereits verwirklicht
: Straffung und Kürzung des „Pensums".
Allerdings wird dabei auf die, die den Gottesdienst „ganz anders"
(„zeitgemäßer", „aktueller"!) haben möchten, keinerlei Rücksicht genommen
, und für das regelmäßige Gebet des einzelnen oder für
die Familicnandacht wird das Kantionale II nicht verwendet werden
können. Es ist fraglich, ob einer solchen Ordnung der Gebctsgottesdienste
die Zukunft gehört. Wahrscheinlich wird sie nur in wenigen
Gemeinden und vorwiegend bei Rüstzeiten, Pfarrkonventen und
vielleicht in Predigerseminaren praktiziert werden. Es könnte allerdings
auch sein, daß eine solche strenge Ordnung alle „zeitgemäßeren
" Vorschläge und Versuche überlebt. (Wir erinnern uns daran
, daß Karl Barth im März 1933 darauf hinwies, daß der Horen-
gottesdienst in Maria Laach nicht an einem einzigen Tage unterbrochen
worden sei.)

2. Jedenfalls haben neben den von der Gesamtkirchc autorisierten
Ordnungen des täglichen Gebetsgottesdienstes, wie sie in Band II
der Lutherischen Agende oder im Book of Common Praycr stehen,
d i e Breviere ihre Berechtigung, die (z. T. unveröffentlicht) in Bruderschaften
und Kommunitäten entstanden und im Gebrauch, für
Mitglieder sogar mehr oder weniger verbindlich und damit verbindend
sind. Unter diesen Bruderschaftsbrevieren ist sicher das
StG der Michaelsbruderschaft das am weitesten verbreitete und ein
über den Kreis der Bruderschaft hinaus viel benutztes Brevier.

3. Das ETZB, das nun an Stelle des StG treten soll, ist ohne Zweifel
ein sehr sorgfältig gearbeitetes, in vieler Hinsicht bewundernswertes
Buch, „keine Schreibtischarbeit, sondern aus lebendigem Bezug
herausgewachsener Organismus" (XI). Aber sind die Verfasser
wirklich berechtigt zu sagen: „Wir übergeben den reformatorischen
Kirchen deutscher Sprache zum ersten Male ein vollständiges Gebetbuch
, das alle Formen des Gebets und des Einzelnen enthält
und in das Gebet der Una saneta ecclesia hineinführt" (IX)? (Die
Herausgeber des „Allgemeinen Evangelischen Gebetbuches" (1954),
das bei allen Unterschieden in Anlage und Inhalt viel Ähnlichkeit
mit dem ETZB hat, könnten gegen diesen Satz Einspruch erheben.)
Und vor allem: wird das ETZB das StG wirklich entbehrlich machen
können? Im praktischen Gebrauch bewährt sich am besten ein Brevier
, das dem Benutzer nicht die Wahl zwischen verschiedenen
Ordnungen und Möglichkeiten überläßt, sondern - mit St. Benedikt
- sagt „Serva ordinem et ordo servabit te!" Der Rezensent,
der eine jahrzehntelange Erfahrung im regelmäßigen Breviergebet
hat (und auch das StG lange Zeit gewissenhaft benutzt hat), weiß,
daß unsre Mitmenschen, die weder liturgische Fachkenntnisse noch
große musikalische Fähigkeiten besitzen, nichts dringender brauchen
, als eine feste Gebetsordnung, die für sie praktikabel ist, d. h.
die eingehalten werden kann im arbeitscrfüllten Alltag und im Urlaub
, auf Reisen und auf dem Krankenbett, von dem Einsamen und
im Familienkreis.

Auf Grund dieser Erkenntnis glaube ich sagen zu dürfen: Es
wäre doch wohl besser gewesen, dem im praktischen Gebrauch bewährten
StG seine Eigenart und seine Eigenständigkeit zu bewahren
und es behutsam weiter zu entwickeln, statt es mit dem ganz
anders gearteten Chorgebet zu verquicken. Nun kann weder die
Ordnung des GdTZ, noch die der ChG befriedigen: Bei der ersten
wird der Benutzer des StG die sinnvolle Verbindung von je drei
Psalmen vermissen, bei der anderen die ihm liebgewonnenen Gebete
und Fürbitten, die - einer Anregung Löhes folgend - jedem
Wochentag seinen besonderen Charakter und eine eigentümliche
Funktion geben. In einem behutsam weiter entwickelten und erweiterten
StG hätten sich unschwer Kürzungsmöglichkeiten von
vornherein vorsehen lassen, die den verschiedenen Gegebenheiten
Rechnung tragen würden.

4. Man möchte jedenfalls wünschen und hoffen, daß sich die
Evangelische Michaelsbruderschaft entschließt, auch nach dem Erscheinen
des EZTB das StG in verbesserter und erweiterter Gestalt
weiter herauszugeben. Diese verbesserte Ausgabe sollte - meine
ich - 1. die Hymnen, zu denen uns der Zugang fehlt, durch die
wunderbaren Lieder aus dem 17. und 18. Jahrhundert ersetzen, die
unseren treuen Gemeindcgliedern mit Recht ans Herz gewachsen
sind, aber auch durch neue Lieder, die heute in unsrer „jungen Gemeinde
" entstehen, 2. die Wochenpsalmen und die Kurzlesungen
der Propriums-Tageslese ausdrucken, damit das StG auch ohne
Bibel benutzbar ist, und 3. die Texte der Gebete und Fürbitten des
StG so übernehmen, wie sie im ETZB stehen, im übrigen aber
nichts ändern.

Jena Erich Hertzsch

Averbeck, Wilhelm: Der Opfercharakter des Abendmahls in
der neueren evangelischen Theologie. Paderborn: Verlag Boni-
facius-Druckerei [1967]. XVI, 846 S. gr. 8° = Konfessionskund-
liche und kontroverstheologische Studien, hrsg. vom Johann-
Adam-Möhler-Institut, 19. Lw. DM 48,-.

Der Rez. hatte bereits Gelegenheit, in einem Aufsatz in ThLZ 94,
1969 Sp. 250, auf die vorliegende Veröffentlichung hinzuweisen
und die theologische Position des Vf.s zu erläutern. Hier muß nun
noch einiges zum Inhalt des Buches und zur Methode des Vf.s nachgetragen
werden.

Diese Veröffentlichung ist ungewöhnlich in mehrfacher Hinsicht:
Einmal schon dadurch, daß hier ein katholischer Theologe den
Versuch unternimmt, in einen der verwirrendsten Irrgärten einzudringen
, den die neuere evangelische Theologie angelegt hat. Denn
daß die Auseinandersetzung dieser Theologie mit dem Phänomen
des Opfers deutlich solche labyrinthischen, weg- und ausweglosen
Züge trägt, wird kaum einer mehr bestreiten können, der nach der
846. Seite den „Averbeck" seufzend zur Seite legt. Denn ungewöhnlich
ist dieses Buch vor allem auch durch seinen immensen Umfang
; was hier dem Leser an Stoffülle zugemutet wird, geht weit
über den Rahmen einer lesbaren und überschaubaren Monographie
hinaus und erreicht eindeutig lexikalisches Format. Mit
einem geradezu unwahrscheinlichen Fleiß hat der Vf. nicht nur alle
irgendwie einschlägige Literatur zu seinem Thema gesammelt und
verarbeitet, sondern bietet darüber hinaus auch eine Fülle zusätzlicher
Fakten und Daten - bis hin zu den Lebensläufen und Wohnanschriften
mancher von ihm behandelten Theologen. Allein ein
Abdruck des Inhaltsverzeichnisses seines Buches (8 Seiten!) würde
den Rahmen dieser Besprechung völlig sprengen; Andeutungen
müssen hier genügen:

Die Darstellung beginnt - wie könnte es bei einem solchen
Thema anders sein - mit Luther, Mclanchthon, den Bekenntnisschriften
und Gottesdienstordnungen des 16. Jahrhunderts. Was
A. hier sagt, ist sachlich begründet, übersichtlich geordnet und
durch eine Fülle von Zitaten und Litcraturhinweiscn belegt. Daß
A. sich hier die reduktive Methode der Luthcrintcrprctarion - wie
sie sich bei manchen evangelischen Theologen einer gewissen Beliebtheit
erfreut - bewußt versagt und auch einander widersprechende
und ausschließende Äußerungen Luthers unreduziert gelten
läßt, macht seine knappe Darstellung besonders wertvoll. Im ganzen
muß man sagen, daß gerade dieser Teil des Buches dem Vf.
mit am besten gelang.

Zu dem 1. Teil - „Geschichtliche Grundlagen" - rechnen auch
noch Kapitel über die lutherische Orthodoxie, die Theologie des
Pietismus und der Aufklärung, sowie über die verschiedenen
theologischen Strömungen des 19. Jahrhunderts: Neuluthertum,
Liberale Theologie, Religionsgeschichtliche Schule.

Es erweist sich als außerordentlich schwierig, den nun folgenden
2. und entscheidenden Teil des Buches - „Schwerpunkte und Verlauf
erneuter innercvangelischer Diskussionen um den Opfercharakter
des Abendmahls in der Gegenwart" - ebenso bündig
darzustellen. Das liegt nicht nur an dem gewaltigen Umfang dieses
Abschnitts (S. 87-775), sondern auch an der Art, wie der Vf.
hier sein eigentliches Thema bewältigt, wie er seinen Stoff auswählt
, gliedert und darbietet.

Da steht ein erstes, etwas diffuses Kapitel („Verschiedenartige-
aus der .liberalen' Theologie kommende Ansätze", S. 90-129), i«
dem so unterschiedliche Leute wie K. G. Goetz, J. Jeremias, A. Rch-
bach, J. Smcnd, R. Otto, H. Lietzmann zu Wort kommen; es folge»