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Ausgabe:

1969

Spalte:

845-846

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Reformation 1517 - 1967 1969

Rezensent:

Lohse, Bernhard

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Müller-Friedmann ist nicht als VII., sondern als XII. Band der
Quellen zur Geschichte der Täufer erschienen, er enthält auch das
„Büchlein wider den Prozeß" nicht (S. 132).

Die zahlreichen Rechtschreibfehler seien übergangen, auf zwei
Dinge sei aufmerksam gemacht: Ein Konzil hat es in Salzburg 1537
nicht gegeben (S. 7), möglicherweise ist die Provinzialsynodc 1549
gemeint. Das IV. Laterankonzil hat nicht 1225, sondern 1215 stattgefunden
(S. 235).

Wien Grete Mecenseffy

Kahler, Ernst: Reformation 1517-1967. Wittenberger Vorträge.
Im Auftrage des Vorbereitenden Ausschusses für die zentralen
kirchlichen Veranstaltungen hrsg. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
(1968). 208 S. gr. 8°. Kart. M 9,-.

Unter den zahlreichen Reformations-Gedenkfeiern, die im Herbst
1967 gehalten wurden, kommt derjenigen in Wittenberg ein besonderer
Rang zu, nicht nur, weil sie an dem Ursprungsort der Reformation
stattfand, sondern auch wegen der zahlreichen, gut vorbereiteten
Veranstaltungen, an denen auch viele Vertreter aus der
Ökumene teilnahmen. Ernst Kähler hat nun die Texte der damals
in Wittenberg gehaltenen Vorträge, Andachten und Predigten im
Druck vorgelegt. Die Vorträge, gehalten von Lutherforschern verschiedener
Länder, befassen sich mit zahlreichen wichtigen Problemen
der heutigen Luther- und Reformationsforschung.

Kristen E. Skydsgaard, Die Reformation als ökumenisches
Ereignis (S. 9-19), weist auf die umfassende Bedeutung der Reformation
hin, die von keiner Kirche ausschließlich beansprucht werden
kann, sondern vielmehr die gesamte Christenheit angeht. In
diesem universalen Sinne wird die Reformation zugleich als escha-
tologisches Ereignis gedeutet. Gustav Wingrcn, Reformation
und Weltlichkeit (S.20-27), befaßt sich hier in Weiterführung seiner
früheren Untersuchungen mit der Frage des Natürlichen und
der Schöpfung überhaupt und wehrt sich gegen die Verengung, daß
man Gottes Wirken allein in der Kirche und durch die Kirche zu
finden meint. Franz Lau, Der Stand der Lutherforschung heute
(S. 35-63), gibt in einem vergleichsweise recht umfangreichen Beitrag
einen vorzüglichen Überblick über die wichtigsten Richtungen
in der heutigen Lutherforschung. Dabei weist er mit Recht darauf
hin, daß sich die Lutherforschung in Zukunft in verstärktem Maße
der marxistischen Luther- und Rcformationsforschung wird stellen
müssen (S. 41). Jan M i c h a 1 k o , Die Bedeutung Luthers im südosteuropäischen
Raum (S. 64-83), zeigt an zahlreichen Punkten auf,
wie schnell und auch wie nachhaltig Luthers Einfluß in Südosteuropa
zu spüren gewesen ist. Die Gegenreformation und ihre teilweise
erfolgreiche Ausrottung des evangelischen Kirchenwesens
haben das Gewicht der Tatsache häufig verdeckt. Besonders schnell
und intensiv wurden, wie Michalko darlegt, die reformatorischen
Gedanken in der heutigen Slowakei, dem alten Oberungarn, aufgenommen
(S. 66). Barnabas N a g y , Bullingers Bedeutung für das
östliche Europa. Ein Forschungsbericht (S. 84-119), befaßt sich mit
dem gesamten osteuropäischen Raum, wobei schwerpunktmäßig
Slowenien und Ungarn gewürdigt werden. Von besonderer Bedeutung
ist dabei der Einfluß der Confcssio Helvetica posterior (1566)
gewesen. Eidmann Schott, Amt und Charisma in reformatorischer
Sicht (S. 127-144), stellt in vier Thesen jeweils das katholische
und das von der Reformation vertretene Amtsverständnis
einander gegenüber. Ceorge W. F o r e 11, Rechtfertigung und
Eschatologic bei Luther (S. 145-156), gibt eine knappe Zusammenfassung
der Bedeutung der Eschatologic bei Luther. Dabei wird
einerseits betont, daß Luthers Rechtfertigung durch den Glauben
eine eschatologische Erfahrung ist, andererseits, daß Eschatologic
ohne Rechtfertigung durch den Glauben bloße Utopie ist. Walter
K r e c k , Das reformatorische ,pro me' und die existentiale Interpretation
heute (S. 163-180), setzt sich im Anschluß an Iwand insbesondere
mit der Lutherdeutung bei Gogarten und Ebeling auseinander
. Auf Grund von Luthers Galatervorlesung von 1531 zeigt
Krcck einmal den existentialen Bezug des pro me, sodann den
ehristologischen Grund des pro me und schließlich den eschatolo-
9'schen Horizont des pro me, wobei dieser eschatologische Horizont
nicht bloß präsentisch verstanden werden darf. Ernst Wolf,
Reformatorische Botschaft und Humanismus (S. 181-199), betont
entgegen manchen anderen Deutungen, die in jüngster Zeit vorge-
ragen sind, die große und zutiefst wesensmäßige Verschiedenheit
'•wischen Humanismus und Reformation, wie sie vor allem in

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Luthers Kontroverse mit Erasmus zutage getreten ist, geht aber
andererseits auch auf die Verbindung beider ein, wie sie, wenn
auch nicht unproblematisch, bei dem jungen Melanchthon begegnet.

Daneben sind von Johannes Hamcl drei Andachten (S. 28-34,
120-126, 157-162), sowie von Johannes Jänicke (S. 200-204)
und von Gottfried N o t h (S. 205-208) je eine Predigt veröffentlicht
, die entweder im Verlaufe der Tagung oder - so die Predigten
- am Reformationstag selbst gehalten worden sind.

Der gehaltvolle Band ist nicht nur ein würdiges Gedenkbuch für
die Wittenberger Veranstaltung von 1967, sondern beleuchtet in
seinen verschiedenen Beiträgen wesentliche Richtungen und Aspekte
heutiger Luther- und Reformationsforschung, vermittelt zugleich
neue Anregungen, von denen man wünscht, daß sie bald
aufgenommen werden, und ruft durch die Andachten wie die Predigten
nachhaltig in Erinnerung, daß die Reformation nicht nur
etwas ist, mit dem sich heute gelehrte Theologen befassen, sondern
daß es entscheidend auf das verkündigte und gehörte Wort ankommt
.

Hamburg Bernhard L o h s e

Gassmann, Benno: Ecclesia Reformata. Die Kirche in den reformierten
Bekenntnisschriften. Mit einem Vorwort v. M. Geiger.
Freiburg-Basel-Wien: Herder [1968]. 479 S. gr. 8° = Ökumenische
Forschungen, hrsg. v. K. Küng u. J. Ratzinger, I. Ekklesiologische
Abteilung, 4. Lw. DM 48,-.

Diese schon vom Umfang her höchst respektable Arbeit aus der
Schule Hans Küngs unternimmt es, in 7 Kapiteln aus 48 reformierten
Bekenntnisschriften (BS) das in ihnen vorausgesetzte und wirksame
Kirchenbild zu erheben (1. Arbeitsgang) und in einem umfangreichen
8. Kapitel das gewonnene Ergebnis mit der Kirchenkonstitution
des Vaticanum II zu vergleichen (2. Arbeitsgang). Die
BS werden jeweils zu Gruppen zusammengefaßt, deren Bezeichnungen
gleichzeitig die Kapitelüberschriften angeben: Protest und
Besinnung (der Einflußbereich Zürichs in der deutschen Schweiz),
Wege der Konsolidierung und Vertiefung (der oberdeutsche Einflußbereich
: Straßburg, Basel, Bern), Neuorientierung aus neuen
Kräften (die Schweiz nach Calvins Auftreten: Calvin - Bullinger),
Gemeinden in Bedrängnis (die verfolgten Kirchen in Frankreich
und den Niederlanden, niederländische Flüchtlingskirchen), reine
und sichere Lehre (Theodor Beza und Ungarn), eine „Zweite Reformation
" (deutschreformierte Ausgestaltungen, Kryptokalvinis-
mus), Freunde und Nachkommen (reformiert geprägte BS vorrefor-
matorischcr Gruppen, Freikirchen des 19., die Bekennende Kirche
des 20. Jahrhunderts). Das Hauptgewicht ruht also auf den BS der
Reformation und der 2. Generation. Die Darstellung beschränkt
sich auf den kontinentaleuropäischcn Raum.

Die einzelnen Kapitel gehen jeweils von der geschichtlichen Situation
aus. Daran anschließend wird der systematische Ort der
Ekklesiologie ausgemacht und schließlich das jeweils Charakteristische
an der Ekklesiologie herausgestellt. Auf diese Weise ergibt
das Buch in der Tat eine Art Geschichte der reformierten Kirchen
Kontinentaleuropas anhand ihrer Spiegelung in den BS. Allerdings
liegt die Entwicklung in Osteuropa (mit Ausnahme Ungarns) nicht
im Blickfeld der Darstellung, obwohl auch hier manches Interessante
, vielleicht sogar Bezeichnende zu finden gewesen wäre.

Die Darstellung enthält eine Fülle von guten, treffenden, anregenden
Beobachtungen, so etwa - um nur einige wenige Beispiele
herauszugreifen - zu Einzelproblemen der Theologie Zwingiis
(S. 43 Anm. 134; S. 46 Anm. 160; S. 54 Anm. 234) oder Calvins
(S. 136). Es liegt in der Natur der Sache, daß man in anderen Fragen
Vorbehalte haben oder andere Urteile fällen wird (so etwa
S. 94 o. über die Entstehungsursache der Reformierten Kirche oder
S. 252 f. über die Hintergründe des Glaubcnswechsels Johann Sigismunds
von Brandenburg, die man im Gefolge von Rcinhold Kosers
Geschichte der brandenburgisch-preußischen Politik, Bd. I, 1913,
S. 348 ff., wohl etwas differenzierter sehen möchte. Auch das Urteil
über die fast völlig fehlenden persönlichen Kontakte zwischen Ungarn
und den führenden Schweizer Reformationstheologen S. 214
kann nach den Forschungen von Barnabas Nagy so nicht stehen
bleiben. S. 153 ff. treten die Differenzen zwischen Genf und Zürich
in Sachen Kirchenzucht nicht recht ins Bewußtsein).

Gespannt ist man auf das eigentliche Ergebnis der Untersuchung,
des Vergleichs zwischen den BS und der Kirchenkonstitution des
Vaticanum II (CE). Es stellt sich folgendermaßen dar: In den Grund-

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 11