Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

843-845

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Bauman, Clarence

Titel/Untertitel:

Gewaltlosigkeit im Taeufertum 1969

Rezensent:

Mecenseffy, Grete

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

843

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 11

844

nen Questionen sind vorhanden; im übrigen bleibt es bei der Einsicht
: „L'ordre des questions est le fait, non de l'auteur, mais de
la tradition manuscrite" (S. 21). Der Text der Quästionen ist wohl
nicht ganz unverletzt überliefert, steht aber im ganzen fest.

Die Aufgabe des Herausgebers war daher nicht sonderlich schwer.
Der Edition liegt im wesentlichen die vom Paris. B. N. lat. 14526
gebotene Reihenfolge der Quästionen zugrunde; der textkritischc
Apparat notiert nur die wichtigsten Varianten; der Text ist in der
heutigen Orthographie wiedergegeben und mit einer Gliederung
versehen. Zitate und Anspielungen sind vom gelehrten Herausgeber
nachgewiesen, der auch den soliden Index auetorum und Index
rerum zusammengestellt hat. Wir haben eine ordentliche und
lesbare Ausgabe erhalten.

Petrus de Falco hat seinen Platz „dans la succession des maitres
de l'Ecole augustino-bonaventurienne" (S. 22), wie die Untersuchungen
von Glorieux, Thery, Lottin und de Krizovljan gezeigt
haben. „Nous pensons que les ouvrages de saint Thomas d'Aquin,
de saint Bonaventure et d'Henri de Gand sont ses principales
sources litteraires" (S. 24). Man gewinnt bei der Lektüre der Quästionen
einen trefflichen Einblick in die Problemstellung und -dis-
kussion im Unterricht der franziskanischen Pariser Theologen nach
der großen Verurteilung, die im Jahre 1277 über Sätze Sigers von
Brabant und anderer ausgesprochen worden war. Die Quästionen
des Petrus sind scharfsinnig und klug durchgeführt und von dem
Bestreben geleitet, die verschiedenen opiniones miteinander zu
vereinigen; das polemische Element fehlt. Der Herausgeber schätzt
die Originalität des Franziskaners hoch ein, m. E. nicht ganz zutreffend
: es kann doch nicht geleugnet werden, daß die verhandelten
Themen und die vorgetragenen Lösungsversuche traditionell
sind und man höchstens in formaler Hinsicht von einer gewissen
Selbständigkeit des Magisters reden kann.

Tübingen Hans-Dietrich Altendorf

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Bauman, Clarence, Dr. theo!.: Gewaltlosigkeit im Täufertum.

Eine Untersuchung zur theologischen Ethik des oberdeutschen
Täufertums der Reformationszeit. Leiden: Brill 1968. XVI, 401 S.
gr. 8° = Studios in the History of Christian Thought, ed. by
H. A. Oberman with H. Chadwick, E. A. Dowey, J. Pelikan,
B. Tierney, III. Lw. hfl. 50.-.

Eine Einleitung „Das Täufertum im Geschichtsbild" steht dem
eigentlichen Werk voran. Reichlich mit Literaturangaben unterbaut
gibt sie die heute geltende Ansicht wieder, daß das Täufertum seinen
Ausgang nicht von Thomas Müntzer in Thüringen, sondern
von dem Kreis um Conrad Grebel in Zürich genommen hat.

Es folgt der „Historische Teil" (Kapitel II), in dem auf breiter
Grundlage von Quellen und Schrifttum die Stellung regional verschiedener
Täufergruppen zur Gewaltlosigkeit untersucht wird:
A. Die Schweizer Brüder; B. Täufer in Österreich-Mähren; behandelt
wird eigentlich nur Balthasar Hubmaicr und Hans Hut (S. 57 bis
65); Leonhard Schiemer war kein Täuferapostel in Mähren, sondern
in Oberösterreich, Salzburg und Bayern. Jakob Huter und Onofferus
Griesinger werden erwähnt (S. 69), womit den Hunderten Täufern
in Tirol Gerechtigkeit nicht widerfährt. Es ist aber schwer, darüber
zu urteilen, solange die Akten nicht erschienen sind, wenn auch die
Geschichtsbücher der Wiedertäufer in Österreich-Ungarn von Josef
Beck, die Älteste Chronik der hutterischen Brüder, hrsg. zunächst
von R. Wolkan, dann von A. J. F. Zieglschmid, und die Publikationen
von J. Loserth, alle im Schrifttumsverzeichnis genannt, Einblick
gewähren. C. Süd- und mitteldeutsches Täufertum; darin
nimmt der aus Rattenberg in Tirol stammende Pilgram Marpcck
einen breiten Raum ein (S. 90-96). Hans Denck und Ambrosius
Spittelmayr aus Linz werden vorgeführt (S. 83-86). Die Gestalt
des Landgrafen Philipp des Großmütigen ragt durch die tolerante
Haltung den widerstandslosen Täufern gegenüber hervor (S. 98
bis 100). In einem Anhang wird unter D das Niederländische Täu-
fer-Mennonitentum behandelt, in dem zunächst unter der Führung
von Menno Simons Gewaltlosigkeit geübt wurde, die aber am Ende
des 18. und im 19. Jahrhundert fast gänzlich aufgegeben wurde.

Der Systematische Teil (Kapitel III), „Die theologische Grundlage
täuferischer Gewaltlosigkeit", zerfällt in fünf Teile: A. Schriftverständnis
. B. Nachfolge Christi als Motiv täuferischer Gewaltlosigkeit
. C. Gewaltlosigkeit als Ansatz zur Verwirklichung der saneto-
rum communio. D. Anthropologie und Soteriologie. E. Gemcindc-
Welt-Dualismus.

Aus dem Schriftverständnis der Täufer versucht der Verfasser die
biblische Grundlage der Gewaltlosigkeit zu gewinnen. Als tendenziöse
Verkehrung ihres Glaubens wird die Auffassung Karl Holls
und Lydia Müllers abgelehnt, daß bei den Täufern der Geistbesitz
dem Schriftverständnis vorausgehe (S. 133 f.), wenn auch eine unmittelbare
Berufung auf Gott nicht ausgeschlossen sei und etwa bei
Denck in Erscheinung tritt (S. 135 f.). Berufung auf den Geist geschieht
in engstem Zusammenhang mit der Berufung auf die
Schrift. Es gab keinen Gegensatz zu Luther in der Frage der „sola
scriptum" (S. 148 f.). Zwingli hält die Schrift verbindlich für die
Gnadenbotschaft (S. 149 ff.), nicht aber für die äußere Ordnung der
Kirche. Diese Unterscheidung erkannten die Täufer nicht an. Aus
dem buchstäblichen Verständnis der Bergpredigt ergab sich das
Verhältnis zur Obrigkeit. In katholischen Ländern, besonders in
Österreich, wurden die Täufer, weil sie der Obrigkeit in Glaubenssachen
den Gehorsam versagten, zu Aufrührern gestempelt. Das
gleiche geschah in Kursachsen. Führung des Schwertes lehnten sie
auch für die Obrigkeit ab, deshalb konnten sie keine obrigkeitlichen
Ämter bekleiden (S. 211 ff.).

Mit dem Abschnitt B wird ein wichtiger Begriff in der theologischen
Auseinandersetzung der Täufer und ihrer Gegner aufgegriffen
: die Nachfolge Christi. Untrennbar gehören Liebe und Kreuz
zusammen, in beiden wurzelt der Verzicht auf Gewalt (S. 174 ff.).
Die Nachfolge gipfelt im Martyrium.

Die Gewaltlosigkeit wird schließlich zum Ansatz der Verwirklichung
der Gemeinde der Heiligen. Haben sie aus Buße und Anfang
eines neuen Lebens die Sündlosigkeit abgeleitet? Felix Mantz
scheint dies behauptet zu haben (S. 189 f.); andere Zeugnisse ähnlicher
Art bringt der Verfasser bei, weist aber den Anspruch, als
hätten die Täufer eine Sonderkirche aufrichten wollen als „bedauerliche
Verkennung ihrer Absichten" zurück (S. 192). Liest man die
Bekenntnisse von südtiroler Täufern, die zur Gemeinde Jakob
Huters gehörten, so kann man einen Anspruch auf Sündlosigkeit
wohl heraushören (vgl. Hartmann Ammann, Wiedertäufer im
Pustertale, 46/47. Programm des Gymnasiums in Brixen, Brixen
1896/97.) Es wäre allerdings zu untersuchen, was die Täufer mit
dem Ausdrucke „Ich bin ohn Sünd" gemeint haben. Der scharfe
Gegensatz zur Welt läßt sich nicht leugnen, dazu gehört auch die
„Kritik an der Reformationskirche" (S. 198 ff.). Was der Verfasser
nicht ganz klar herausarbeitet, ist das Problem, daß die Täufer eine
Freikirche gründen wollten, während die Reformatoren an der
Volkskirche festhielten. Bekenntnistaufe und Auffassung des
Abendmahles als Bundesmahl trennten sie vollends von den Obrigkeitskirchen
katholischen wie evangelischen Bekenntnisses. Sehr
aufschlußreich sind die beiden letzten Kapitel des systematischen
Teiles „Anthropologie und Soteriologie" und „Gemeinde-Wclt-Dua-
lismus". Im erstgenannten wird die von Luther und Calvin abweichende
Erbsündcnlchrc dargelegt (S. 241 ff.) und anschließend
daran die Lehre vom freien Willen, die als erster Hans Denck in
seiner Abhandlung „Was geredt sei, daß die Schrift sagt" 1526 entwickelt
hat (S. 262 ff.). Im letzten Abschnitt, dem Gemeindc-Welt-
Dualismus, handelt es sich im wesentlichen um die Stellung zur Obrigkeit
(S. 268 ff.), die Apolitie der Täufer (S. 274 ff.) und um den
Gegensatz von Gottesreich und Weltreich.

Das IV. Kapitel bringt eine Zusammenfassung und Auswertung
des Gesagten mit Hinweisen auf die ökumenische Diskussion
(S. 313 f.). Ein Exkurs beschäftigt sich nochmals mit dem reformatorischen
Sola-scriptura-Prinzip, mit Glaube und Werk bei Luther
und mit dessen Zwei-Reiche-Lehrc. Soviel über den Inhalt des
Buches.

Das umfangreiche, verdienstvolle, reichhaltige Werk, das zu weiterer
Forschung anregt, krankt leider an einem empfindlichen Mangel
: es ist, wie das Vorwort angibt, 1961 abgeschlossen, aber erst
1968 gedruckt worden. Die Verwertung der Literatur von nahezu
acht Jahren fällt aus. Das führt dazu, daß der etwas besser unterrichtete
Leser in Gedanken fortwährend ergänzt, was allenfalls
noch zu sagen wäre. Der Mangel macht sich auch im Literaturverzeichnis
bemerkbar: Der zweite Band der Glaubenszeugnisse von