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Ausgabe:

1969

Spalte:

785

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Lossky, Vladimir

Titel/Untertitel:

Schau Gottes 1969

Rezensent:

Onasch, Konrad

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Seite 1

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785

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 10

786

Christi in einer nicht religiösen, mündigen Welt zu zeugen, in
welcher alle geistigen Kräfte danach trachten „den Logos durch
den Dialogos zu ersetzen" (S. 164).

Rom Valdo V inay

Lossky, Wladimir: Schau Gottes. Zürich: EVZ-Verlag [1964].
133 S. gr. 8° = Bibliothek f. orthodoxe. Theologie u. Kirche,
hrsg. v. B. Bobrinskoy, O. Clement, B. Fize, J. Mcyendorff,
Bd. 2. Lw. DM 14,50.

Lossky, gehört zu den kompetentesten Forschern über das
vorliegende Thema, dem er zahlreiche Bücher und Aufsätze gewidmet
hat. Seine „Mystische Theologie der morgenländischen
Kirche'- wurde in dieser Zeitschrift ausführlich besprochen (ThLZ
88, 1963 Sp. 56-58). Damals wurde auch auf die fruchtbare Problematik
seiner Auffassung von der mystischen Theologie hingewiesen
, die ebenso für die vorliegende Arbeit gilt. In 9 Kapiteln
geht Verfasser den historischen Voraussetzungen der Schau Gottes
nach: Ii Vätertradition und Scholastik, II: Die Schau Gottes im
Denken der Bibel und der frühen griechischen Väter, III: Alexandrien
, IV: Die Kappadozier, V: Die syro-palästinischen Väter und
St. Kyrill von Alexandrien, VI: Die Schau Gottes in der asketischen
Literatur, VII: Dionysios vom Areopag und der heilige
Maximus Confessor, VIII: St. Johannes Damascenus und die
byzantinische Spiritualität und IX: Die palamitische Synthese.
Besonders wertvoll sind L.s Ausführungen über die Kontroversen
innerhalb der katholischen Theologie zur Schau Gottes im 1. Kapitel
(Papst Benedikt XII., Gabriel Vasquez, Franz Suarez, Diego
Ruiz de Montoya, Dionysios Petavius).

Halle (Hnnl«) Koiirnd Onasch

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

Schmaus, Michael, Grillmeier, Alois, u. Leo S c h e f f -
czyk [Hrsg.]: Handbuch der Dogmengeschichte.
Bd. I: Das Dasein im Glauben. Fasz. 3b: Die Inspiration der
Heiligen Schrift. Von Johannes B e u m e r . V, 81 S.
Bd. II: Der Trinitarische Gott. Die Schöpfung. Die Sünde. Fasz.
2b: Die Engel. Von Georges Tavard unter Mitarb. v. A.
C a q u o t u. J. M i c h 1. VI, 96 S. Freiburg-Basel-Wien:
Herder 1968. 4°.

Mit den beiden Faszikeln über die Inspiration der Heiligen
Schrift und die Engel sind dem groß angelegten Werk der Dog-
mengeschichte zwei weitere „Bausteine" eingefügt worden. Zu
^m Kreis der Herausgeber, die 1951 mit der Veröffentlichung
begannen, gehört nur noch M. Schmaus. Die Grundkonzeption im
Gesamtaufbau ist ebenso wie die Methodik in der Einzeldarstellung
durchgehalten worden. Das zu behandelnde Thema wird,
vom biblischen Zeugnis ausgehend und die theologiegeschichtliche
Entwicklung nachzeichnend, historisch entfaltet. Bei der Arbeit
über die Inspiration der Heiligen Schrift werden die Linien bis
zum Zweiten Vatikanischen Konzil hin ausgezogen. Auch die Abhandlung
über die Engel bringt im Schlußabschnitt einen Hinweis
auf .die liturgische Erneuerung, welche durch das II. Vatikanische
Konzil weltweit angebrochen ist" (S. 96).

Die theologische Problematik dieses Unternehmens wird besonders
an der erstgenannten Schrift deutlich. Die Inspirationslehre
ist das „Mittelstück" einer Theologie der Heiligen Schrift
(Bd. I 3) von der I 3a „Kanon" und I 3 c „Hermeneutik" noch nicht
vorliegen. Nun aber überschneiden sich diese drei Problemkreise
30 vielfältig, daß eine getrennte Behandlung - dazu noch von
vier verschiedenen Autoren - manche Fragen aufwirft. Man muß
Wlerdings zugeben, dafj die bisher veröffentlichten Teilbeträge
des Handbuches der Dogmengeschichte formal und inhaltlich sehr
gut aufeinander abgestimmt sind.

Der Rückbezug auf die Schrift, bei dem die wichtigsten biblischen
„Belegstellen" zur Sprache kommen (u. a. Dt. 4,13; 10, 4;

3,1-10; Jes. 6,6-9; Jer. 1,9, 14 ff.; 2. Tim. 3, 16 ff.; 2. Petr.
*« 18 ff.), endet mit der sicher richtigen Feststellung, daß die biblische
Inspirationsichre in mannigfacher Hinsicht unvollendet ist.
Manche Fragen werden aufgeworfen, die Antworten stehen jedoch
■Meistens noch aus. Aber was sowohl im AT wie im NT gesagt ist,

namentlich die eine Wahrheit, dafj Gott selbst durch die »Schriften
zu den Menschen gesprochen hat", muß die Grundlage und den
Ausgangspunkt für eine Lehre von der Inspiration bilden (vgl. S. 3).

Bereits in der Zeit der apostolischen Väter und der Apologeten
kristallisiert sich die „Schrift" immer stärker zu einer festumris-
senen Gröfje heraus, die nach und nach auch die Bücher des NT
umschließt. Aber es fehlt noch die Bezeichnung, die ihre innere
Konstitution als Gotteswort gegenüber ähnlichen, gleichfalls dem
Geiste zugewiesenen Wirkungen herausstellt (vgl. S. 16). Schritte
auf dem Wege zu einer ausgebildeten Theorie der Schriftinspiration
haben Klemens von Alexandrien und vor allem Origenes
getan; bei Ambrosius und Hieronymus liegt diese dann bereits
in den Grundzügen vor, die das theologische Denken der Kirche
des Westens für lange Zeit bestimmt hat. „Die den beiden Lehrern
nachfolgende lateinische Patristik hat dem überkommenden Gedankengut
kaum etwas Neues hinzufügen können" (S. 31).

Die Lehre von der Verbalinspiration ist also keine Schöpfung
der nachreformatorischen protestantischen Orthodoxie. Sie wurde
bereits in der Karolingerzeit in sehr extremer Weise vertreten,
stieß allerdings auch auf Widerspruch. Der Abt Fredegis von
Tours, ein Schüler Alkuins, behauptete, daß der Heilige Geist die
materiellen Worte im Munde der Propheten geformt und dabei
selbst die grammatikalischen Fehler in der biblischen Ausdrucksweise
intendiert habe. Zu einer Ausformulierung dieser Lehre kam
es in der Scholastik. Eine besondere Würdigung erhält in diesem
Zusammenhang Heinrich von Gent, in dessen Summa die Inspiration
der Heiligen Schrift eine grundlegende Bedeutung hat. Er
geht bereits sehr differenziert vor, indem er alles in der Heiligen
Schrift auf Gott zurückführt und doch den Menschen nicht als
willenloses Werkzeug versteht. Gott ist also wirklich der erste
und alleinige Autor (principalis et solus vere est auetor), obwohl
die Schrift von Menschen niedergeschrieben wurde, so daß unter
diesem Aspekt der Mensch ihr Autor in untergeordneter und
dienender Funktion (auetor secundarius et ministerialis) genannt
werden kann (vgl. S. 40).

In einem besonderen Kapitel (S. 44 ff.) untersucht Beumer die
Stellungnahme der Konzilien zum Problem der Inspiration der
Schrift. Hier erweist es sich als schwierig - ja faktisch als unmöglich
- die Kanonfrage auszuklammern. So erscheint das Wort
„Inspiration" nicht im Konzilsdekret vom 8. April 1546, auch wenn
mit dem Reden von Gott als dem „auetor" der Schriften der
gleiche Sachverhalt angesprochen ist. Aber nach dem Triester Konzil
ist Gott nicht nur der „auetor" der Schriften, sondern auch der
„Traditionen", die in der gleichen frommen Liebe und Ehrerbietung
aufzunehmen sind. Während der Konzilsverhandlungen konnte
von manchen ohne Bedenken' von den „inspirierten" Traditionen
gesprochen werden (vgl. S. 47).

Von besonderem Interesse für evangelische Leser ist der Abschnitt
, der die Reformation behandelt (S. 49 ff.). Er ist umfangmäßig
zwar nur sehr kurz, stellt aber die entscheidenden Gesichtspunkte
heraus. Luther hat die alleinige Autorität der Schrift nicht
irgendwann einmal .entdeckt", sondern sie war für ihn, als in der
Tradition der Kirche wurzelnd, selbstverständliche Voraussetzung
seiner Theologie. Auch als ihn diese grundsätzliche Einstellung
nach 1517 immer stärker in Gegensatz zu der Autorität der Kirche,
ihrer Organe und ihrer Traditionen brachte, mußte es noch nicht
notwendig zu einer besonderen Theorie der Schriftinspiration
kommen. Sie taucht in den lutherischen Bekenntnisschriften ebenfalls
nicht auf, obwohl für sie die Heilige Schrift als „norma
normans" vorausgesetzt wird. Die ausgeführte Lehre von der
Inspiration auf protestantischer Seite ist das Werk der Hochorthodoxie
, die nicht nur an diesem Punkt viele Gedanken aus der
Zeit der Scholastik wieder aufgenommen hat.

Die Diskussion der Inspirationslehre in der nachtridentinischen
Zeit (bis hin zum II. Vatikanischen Konzil) muß - wie die Schriftlehre
überhaupt - im Zusammenhang mit der Frage nach der
Zuordnung von Schrift und Tradition gesehen werden. Nach dem
Vaticanum I sind Schrift und Tradition „Fundort der Glaubenswahrheiten
" (S. 61). Von den Heiligen Schriften wird gelehrt, daß sie
die Offenbarung ohne Irrtum erhalten, „weil sie, unter der Inspiration
des Heiligen Geistes geschrieben, Gott zum Autor haben
und als solche der Kirche selber übergeben worden sind" (ebd.).