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Ausgabe:

1969

Spalte:

784-785

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Subilia, Vittorio

Titel/Untertitel:

Tempo di confessione e di rivoluzione 1969

Rezensent:

Vinay, Valdo

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 10

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liehe, gemeinschaftlich-pietistische und völkische Leitbilder neben
dem durchaus noch verbreiteten liberalistischen Kirchenverständnis.
Die Darstellung des Jahres 1933, als Jahr des Aufbruchs und der
Neubesinnung der Kirche verstanden, führt die verschiedenen
Richtungen und Stellungnahmen mit einer bezeichnend positiven
Bewertung des „Altonaer Bekenntnisses" vor. Dann folgt die Zeit
der bekenntnis-synodalen „Entscheidung und Scheidung in der
Kirche". Die Problematik der Kirchenausschufizeit (1935-37) und
die Spaltung der Bekennenden Kirche, wie sie in Oeynhausen
Februar 1936 sichtbar wurde, deutsch-christliche (hier: spezifisch
nationalkirchliche) Gedanken und die als „Verfolgung, Anfechtung
und Bewährung" der Kirche verstandene Kriegszeit bilden den
Inhalt der drei letzten Kapitel.

Die kirchlichen Mittelgruppen, „deren Bedeutung und Gewicht
nicht... unterschätzt werden dürfen" (14), werden so gut wie gar
nicht berücksichtigt, was der Verfasser selbst als ein gewisses
Manko empfindet, bei den ihm zur Verfügung stehenden spärlichen
Materialien über die „Mitte" jedoch nicht ändern kann.
Von den Deutschen Christen kommen - was die spätere Zeit
betrifft - nur die Nationalkirchler kurz zu Wort, denen „am
meisten Substanz" (288) attestiert wird. Die Reichsbewegung DC,
auch die theologischen Reformkräfte in ihr werden ekklesiologisch
nicht durchleuchtet. Dabei wird man einräumen müssen, daß es
angesichts der persönlichen Wandlungen und organisatorischen
Umgruppierungen keine ganz leichte Aufgabe für eine problemgeschichtliche
Untersuchung ist, auch diese Kräfte in ihren repräsentativen
Äußerungen zu erfassen und so ein vollständiges Bild
zu zeichnen.

Doch muß mit Deutlichkeit hervorgehoben werden, dafj der
Verfasser das reich gegliederte Feld des bekennenden lutherischen,
reformierten und unierten Kirchentums und seiner im Kirchenkampf
relevanten Strömungen und Richtungen abschreitet und
insofern eine wichtige und durchaus interessant geschriebene
Orientierungshilfe bietet, die dem Bedürfnis nach klarer Überschau
in einem zentralen Problembereich entgegenkommt. Sein
Urteil, das sich an Beurteilungsmafistäbe K. D. Schmidts anlehnt,
aber durchaus auch begründete Abgrenzungen von Bewertungsaspekten
anderer Forscher vornimmt, ist sorgsam abgewogen und
zurückhaltend, ohne verschwommen zu wirken.

Die Inkonsequenzen innerhalb der Bekennenden Kirche sieht
der Verfasser in den Spannungen begründet, die sich aus den je
verschiedenen, jedenfalls unterschiedlichen ekklesiologischen Anschauungen
ergaben. Damit wird die moralisch wertende und
verurteilende Sicht eines Verrates an den Bekenntnisentscheidungen,
die bisher nicht selten Angelpunkt von Polemik und Apologie in
der Historiographie über die Bekennende Kirche war, zugunsten
von Sachgesichtspunkten theologischer Art überwunden, ohne dag
situationsbedingte Ermessensentscheidungen, die sich beim Vollzug
der Barmer Erklärung und des Dahlemer Notrechts auswirkten,
ihr Gewicht verlören; sie stehen aber nicht im Blickpunkt der
Untersuchung und werden auch grundsätzlich niedriger veranschlagt
. Es ist also eine auch in den Einzelinterpretationen verifizierte
These des Buches, „dag die Auffassung von Kirche auch
innerhalb der BK divergent war" (185). Von daher resultierten die
Spannungen und die Spaltung des Bekenntnisbereichs. Es wird
auch deutlich, was die kirchliche Territorialgeschichte erwiesen
hat: abgesehen von der Frage der Durchsetzbarkeit des kirchlichen
Notrechts hat der weitaus größte Teil der Bruderräte (Unausgeglichenheiten
im notrechtlichen Leitbild der Bekenntnissynode
folgend, z. T. auch stark dahinter zurückbleibend) sich faktisch mit
der geistlichen Leitung begnügt, obgleich die Trennung von geistlicher
Leitung und Kirchenregiment den Zusammenhang von
Bekenntnis und Kirchenordnung zerriß, der als kirchenrechtliches
Schibboleth der Bekenntniskirche galt. So erscheint auch die Lösung
der Strukturfragen im Bekenntnisbereich als außerordentlich
problematisch, weil inkonsequent. Kirchliche Gemeinsamkeit und
Gemeinschaft gingen der theologischen Klärung und Durchdringung
dieser Erfahrung der Bekenntnisfront voraus (323).

Mag die auch in der Barmer Theologischen Erklärung nach
Kontinuitätsmomenten suchende Bemühung des Verfassers, die
den legitimen Rückverweis auf die reformatorischen Bekenntnisschriften
gern unterstreicht, einer betont dahlemitisch-bruderrät-
lichen Beurteilungssicht als eine zu statische Interpretation erscheinen
, die einem aktual-ereignishaften, ja punktual-oszillierenden

Kirchenverständnis zu wenig Rechnung trägt, so sollte nicht vergessen
sein, daß die „Ereigniseinheit" bekenntnissynodalen Handelns
von denen bezeugt und getragen wurde, die das gemeinsame
bekennende Wort von ihren unterschiedlichen Voraussetzungen
her rezipierten: „die Lutheraner werteten die BK vor allem als
Kampfgemeinschaft, die bekennenden reformierten und unierten
Kirchen werteten sie stärker als Kirchengemeinschaft" (322). Diese
Sicht, an den einzelnen relevanten Ereignissen und Stationen des
Weges der evangelischen Kirche im Dritten Reich typisierend,
aber zugleich doch auch geschichtlich verankert aufgewiesen,
gewährt einen Durchblick, der die Lektüre zum Gewinn macht,
auch wenn in Einzelfragen abweichende Meinungen bestehen
oder grundsätzliche Bewertungen anders akzentuiert werden
sollten.

Leipzig Kurt Moler

KIRCHEN- UND KONFESSIONSKUNDE

Subilia, Vittorio: Tempo di confessione e di rivoluzione.

Torino: Editrice Claudiana [1968). 178 S. 8" = Nuovi studi
teologici, 2. Lire 1700,-.

Es handelt sich hier um eine Konfessionskunde, in welcher die
geschichtliche Entwicklung des Glaubensbekenntnisses ständig auf
die heutige kirchliche und soziale, ökumenische und politische
Lage bezogen wird. Das Buch gliedert sich in vier Kapitel: über
die Voraussetzungen des Glaubensbekenntnisses, seine Geschichte,
seine Reform und gegenwärtige Stellung. Im katholischen Bereich,
in dem die Kirche als Fortsetzung der Fleischwerdung verstanden
wird, kann man eine gewisse Angleichung des bezeugten Herrn
an die ihn bekennende Kirche feststellen. „Das katholische Glaubensbekenntnis
bedeutet tatsächlich immer mehr Glaube an die
Kirche, die als zweite Lebensform Christi verstanden wird" (S. 15).
Die Stimme Christi wird zur Stimme der Kirche, Mater et
Magistra. Im Protestantismus dagegen (P. Tillich folgend unterscheidet
der Verfasser zwischen dem protestantischen Prinzip und
seiner Verwirklichung) ist die Kirche creatura und nicht dominn,
filia und nicht mater Verbi. In der ökumenischen Bewegung hat
man die ursprüngliche Aussage, die Reform sei Bedingung zur
Einheit allmählich durch diejenige der Einheit als Bedingung
der Kirchenerneuerung ersetzt. Daneben entwickeln sich heute
einerseits ein neuer Ökumenismus besonders unter der linksorientierten
Jugend, und anderseits eine Theologie der Werke. Nach
diesen Richtungen wären die wirklichen Spaltungen nicht mehr
theologischer, sondern soziologischer Natur; sie bestünden nicht
mehr zwischen Katholiken und Protestanten, sondern zwischen
Reichen und Armen. Das erste und alleinige Gebot ist für viele
die Nächstenliebe und der soziale Dienst. Die gegenwärtige Lage
wird als ein Zustand, in dem man kein Bekenntnis mehr ablegt,
bezeichnet, denn die erste Voraussetzung eines Status confessionis
ist das Hören auf das Wort, daß die heute sozial-politisch interessierte
Jugend nicht mehr hören will. „Das Glaubensbekenntnis
ist für die Welt nutzlos----wenn es nicht vom echten Evangelium
Gottes zeugt" (S. 54). Die vertikale und horizontale Dimension
des Glaubensbekenntnisses sind untrennbar. In der Auseinandersetzung
zwischen Reformation und Wiedertäufern ist Subilia
vielleicht mit den Letzteren manchmal nicht ganz gerecht, da er
sie nicht von den Spiritualisten des 16. Jahrhunderts unterscheidet.
Die ersten Wiedertäufer entstanden in Zürich unter den Hörern
Zwingiis und nicht in Mitteldeutschland mit Thomas Müntzer und
den aufständischen Bauern. Sie erkannten die Gültigkeit der weltlichen
Obrigkeit für die Nicht-Christen an, aber sie stritten ihr
das ius reformandi ab, das die Reformatoren ihr nicht nur de
facto, sondern auch prinzipiell (vgl. Zwingli in Zürich, die Reformatoren
in England zur Zeit Eduards VI, und besonders Butzers
De regno Christi) zuschrieben. Auch die Reformatoren waren
Menschen ihrer Zeit und nahmen das konstantinische System der
Beziehungen zwischen Staat und Kirche weitgehend an. Im letzten
Kapitel beschreibt der Verfasser die Wirkung der Theologie Karl
Barths, die gewisse Kreise als ein Mittel zur kirchlichen Restauration
benutzen, der Theologie Bultmanns und seiner Schule und
der sogenannten Theologie der irdischen Wirklichkeiten. Heute
besteht das Gebot für die Christen darin, vom Evangelium Jesu