Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

777-778

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Die Korintherbriefe 1969

Rezensent:

Rogge, Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

777

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 10

778

betont - nicht nur soteriologisch, sondern ontologisch bedeutsame
.Entsubjektivierung' (s. v. v.!) des menschlichen Personseins Konsequenzen
ontologischer Art auch für das Reden vom Person-
und Subjektsein Gottes, und zeichnen sich nicht solche Konsequenzen
bei Luther selbst etwa im Zusammenhang der Lehre von der
Ubiquität des Leibes Christi (die allerdings weit davon entfernt
ist, ein Produkt des Rückfalls in alte Metaphysik zu sein) ab?
Merkwürdigerweise hat Joest die Interpretation, die Luther damit
auch am christologischen Dogma und an der überkommenen
ontologischen Konstruktion der Realpräsenz übt, bei der „verstehenden
Nachzeichnung" der Umdeutung traditioneller Anthropologie
durch Luther nicht weiter zu Rate gezogen. (E. Metzke,
den Joest nicht nur einmal beifällig zitiert - z. B. 44 -, hatte
gerade auf die ontologische Brisanz der Ubiquitätslehre aufmerksam
gemacht.) Anders gefragt: Gelangt eschatologische Endgültigkeit
nur im transitiv-exzentrischen Personverständnis und nicht
auch im diffinitiv-repletiven Verständnis der Allgegenwart Christi
zum Ziel, das will sagen: zum Durchbruch durch eingefleischte
metaphysische Strukturen? Aber wie steht es dann mit der Unterscheidung
zwischen menschlicher .Personwirklichkeit" und göttlicher
„Heilswirklichkeir bzw. der dieser Heilswirklichkeit innerhalb
der Personwirklichkeit zugeordneten „geistlichen Entscheidungssphäre
"? Wenn das anthropologische Kapitel II mehr als
das Zweieinhalbfache des Raums einnimmt, den das III. Kapitel
zur anhangsweisen Aufarbeitung des heilsrealistischen Oberhangs
benötigt, so ist diese augenfällige Disproportion zwar durch den
Buchtitel gedeckt. Im übrigen aber scheint sie eher nahezulegen,
jene Unterscheidung jedenfalls in der Form, wie sie Joest - zögernd
! - seiner Disposition zugrundelegte, zu guter Letzt wieder
rückgängig zu machen und ihr womöglich in der .Einheit von
Ort und Vollzug" (vgl. 251 ff) Rechnung zu tragen. Und ferner:
Kann das eschatologisch beschleunigte Interesse an der „ontologischen
Fragerichtung" bei der „Persongegenwart Gottes" in
Christus als seiner „Wirkgegenwart" (391, 296) innehalten und
dabei die Frage nach dem „Sein Gottes selbst" (mit der „Problematik
von Deus revelatus und Deus absconditus") noch ausgegrenzt
wähnen? Luther ist dies ja, soweit er es versuchte, nicht wirklich
gelungen. Und Joest ist sich gerade im Blick auf dieses Thema
des „Torso-Charakters" seiner Untersuchung bewußt (49 f).

Wie der Verfasser selbst von „offenen Fragen" ausging (36 f).
so stellen sich also auch am Ende solche ein, die nicht zuletzt
diesem in jeder Hinsicht aufschlußreichen Buche zu danken sind.

Bonn Hans G e I ß e r

[Luther:] D. Martin Luthers Epistel-Auslegung, hrsg. v. E. E11 -
wein . 2. Bd.: Die Korintherbriefe. Göttingen: Vandenhoeck &
Ruprecht (1968). 465 S. gr. 8°. Lw. DM 48,-.

Der Herausgabe der Römerbriefauslegung Luthers im 1. Band
läßt Ellwein jetzt eine Bearbeitung der Auslegung beider Korintherbriefe
durch den Reformator folgen. Zu der Anlage des Buches,
zu den Editionsgrundsätzen und Zweckbestimmungen ist das
gleiche zu sagen wie zu Band 1 (siehe: ThLZ 91, 1966, Sp. 201 f).

Hier braucht nur hinzugefügt zu werden, was speziell die Korintherbriefe
angeht. Ellwein setzt durch seine Auswahl der wieder
an den Perikopen orientierten Auslegungsstücke besondere
Schwerpunkte. Der 1. Korintherbrief wird von S. 13-324, der
2. Korintherbrief von S. 326-439 berücksichtigt. Innerhalb des
1. Briefes ist ein - auch seitenzahlenmäfjig ausgedrücktes -
Schwergewicht in der Auslegungsauswahl beim 7. und 15. Kapitel
zu erkennen. Dasselbe ist im Falle des 2. Briefes für die Perikope
Kapitel 3,4-11 (S. 335-383) zu konstatieren. Bibelstellen-, Quellen
-, Namens- und Sachverzeichnis erleichtern die schnelle Erschließung
des Bandes.

Weitaus am meisten zieht der Bearbeiter Predigtnachschriften
Rörers aus den Jahren 1524-1545 heran, und zwar insgesamt in
60 Fällen. Außerdem sind Teile der Fastenpostille von 1525 entnommen
; Einzeldrucke Luthers werden benutzt und ebenso Tischredenaufzeichnungen
von Veit Dietrich, Cordatus, Lauterbach,
Aurifaber, Mathesius u.a. aus der Zeit zwischen 1530 und 1544.
Dadurch, daß Nachschreiber (und auf diese Weise auch Interpreten
!) ihren Geist und ihr Wesen nicht in jedem Falle haben
zurückstellen können, ist die Authentizität der Lutherexegetica
zwar etwas beeinträchtigt, aber es dürfte keine Frage sein, daß

wir durch die Ellweinsche gute Zusammenstellung ein ansprechendes
für breite Kreise zugängliches Beispiel der evangelischen
Epistelauslegung des Reformators vor uns haben.

Berlin Joachim R o g g e

Müntzer, Thomas: Schriften und Briefe. Kritische Gesamtausgabe
. Unter Mitarbeit von P. Kirn hrsg. von G. Franz.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn [1968]. 591 S.
gr. 8° = Quellen und Forschungen zur Reformationsgeschichte,
hrsg. vom Verein für Reformationsgeschichte, 33. Lw. DM96,-.

In den letzten Jahren oftmals angekündigt, sogar vom Verlag
schon angezeigt, liegt sie jetzt endlich vor: Die langerwartete
Müntzer-Gesamtausgabe. Der Herausgeber Günther Franz kann
damit eines seiner ältesten Arbeitsvorhaben abschließen. Das
Manuskript war während des zweiten Weltkrieges bereits fertig
geworden, ja sogar schon eine Probeseite gesetzt, als 1945 alles
verloren ging. Franz mußte völlig neu beginnen. Als 1950 Carl
Hinrichs' Ausgabe der „Politischen Schriften" Müntzers erschien,
wurde die Gesamtausgabe erneut in Frage gestellt. Zu Recht
druckt Franz jetzt auch diese, an sich seinerzeit schon vorbildlich
edierten Stücke in seiner Gesamtausgabe noch einmal ab, wie auch
die Briefe, die Böhmer-Kirn 1930 herausgegeben hatten. Wie es
sich für eine Gesamtausgabe gehört, umfaßt sie alles, was sich
von Müntzers Hand bis jetzt erhalten hat.

Wenn auch weitaus die meisten der Stücke bereits früher
gedruckt worden sind, so liegen sie jetzt doch endlich in einer
kritischen, mit großer Akribie gearbeiteten Ausgabe vor, die den
Ansprüchen der modernen Forschung gerecht wird und die die
Grundlage für eine neue Müntzerbiographie oder auch für die
Erforschung der mitteldeutschen radikalen Bewegung abgeben
wird.

Im Gegensatz zu Hinrichs druckt Franz die Texte nicht buchstabengetreu
. Die bei allen Zeitgenossen Müntzers willkürliche
Groß- und Kleinschreibung wurde ausgeglichen und die Zeichensetzung
dem heutigen Sprachgebrauch angepaßt. Auch der Lautstand
mußte sich eine vorsichtige Modernisierung gefallen lassen.
U und v, i und j wurden ausgeglichen und die Konsonantenhäufungen
in den Schlußsilben getilgt. Franz rechtfertigt dieses Abgehen
von der photographisch-genauen Wiedergabe damit, daß
keine der großen Schriften von Müntzers eigener Hand überliefert
ist. Doch auch wenn Autographen vorhanden wären und damit
die persönliche Eigenart der Oberlieferung ins Auge fallen würde,
würde diese Vereinfachung durchaus zu begrüßen sein. Nur so
kann ein wenig Ordnung in das Durcheinander der Schreibweise
des Frühneuhochdeutschen gebracht werden. So lange dabei die
Unterschiede nicht verwischt werden, die einen lautlichen oder
Bedeutungswert besitzen, sind solche Bestrebungen eines Herausgebers
für den Benutzer vorteilhaft.

Der Apparat der Ausgabe beschränkt sich auf kurze, nur unbedingt
notwendige Sacherklärungen. Wörter werden nur dann
erläutert, wenn ihre ungewöhnliche Schreibweise eine Verständnishilfe
erfordert. Eine eigentliche Worterklärung erfolgt in einem
nachgestellten Glossar. Hier war der begrenzte, zur Verfügung
stehende Raum bestimmend für die Auswahl der Wörter, was
bedauerlich ist, vermißt man doch zahlreiche bei Müntzer vorkommende
Wörter, deren vom heutigen Neuhochdeutsch erheblich
abweichende frühneuhochdeutsche Bedeutung dem Verständnis
Schwierigkeiten bereitet. Hier wie auch in den knappen Sacherklärungen
stellt die Ausgabe erhebliche Anforderungen und setzt -
durchaus berechtigt! - vieles voraus. Für den Bearbeiter des
Glossars war auch die Vereinheitlichung der bei Müntzer ständig
wechselnden Schreibweise einzelner Wörter schwierig. Der in
diesem Sprachbereich nicht sehr bewanderte Benutzer wird es
nicht immer leicht haben, das gesuchte, aber vom Bearbeiter normalisierte
und damit ganz anders wiedergegebene Wort zu finden.
Jeder Bearbeiter derartiger Texte steht hier vor den gleichen
schwierigen Problemen und diese angebotene Lösung scheint ein
durchaus gangbarer Weg zu sein. Auf diese Weise spart der
Herausgeber die wiederholte Erklärung im Apparat bzw. manchmal
vielfachen Verweis auf die erklärte Stelle.

Die Einleitungen zu den einzelnen Schriften enthalten kurze,
aber sehr prägnante Angaben zur Entstehungsgeschichte und zur
Druckgeschichte, über die Handschriftenlage oder auch genaue