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Ausgabe:

1969

Spalte:

759-761

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lövestam, Evald

Titel/Untertitel:

Spiritus blasphemia 1969

Rezensent:

Lähnemann, Johannes

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 10

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und Trostzuspruch. Die Naherwartung der Parusie (V. 30 = redaktionell
!) sei trotz der Aussagen über einen zeitlichen Fortschritt
der Endereignisse nicht aufgehoben worden. - E. Rasco untersucht
„Les paraboles de Luc XV" (S. 165-183), ihre Strukturelemente
(Parallelismus, Antithesen), den „Sitz im Leben Jesu" und
versucht - wie schon der Untertitel seines Referates (Une invita-
tion ä la joie de Dieu dans le Christ) anzeigt - als Skopos einen
„christologischen Aspekt" zu erheben: Der Dienst Jesu manifestiert
die Freude und die Barmherzigkeit Gottes für uns (S. 182). -
M. Sabbe analysiert die Perikope „Le Bapteme de Jesus"
(S. 184-211); zunächst den Dialog zwischen Johannes und Jesus
(Mt. 3,14 f.), der als redaktionell gilt (leider ohne die Bedeutung
der Hapaxlegomena und das Problem der Subordination des Täufers
unter Jesus im Zusammenhang mit den übrigen Aussagen
über den Täufer im Matthäusevangelium zu würdigen); sodann
die Erzählungseinleitung (Mk. 1,9 par.), die als Einführung in
eine „Tauftheophanie" interpretiert wird; diese selbst (Mk. 1,10 f.
par.), für die Vf. - wie zur Verklärungsperikope - eine Nähe zur
Menschen söhn-Apokalyptik behauptet und die er als „Inthronisation
des Menschensohnes" bezeichnen möchte (S. 200). Mit Recht wird
zur Frage des historischen Hintergrundes gesagt, daß - wenn auch
das Faktum der Jesustaufe kaum zu bezweifeln sei - es aussichtslos
erscheint, aus der Tauferzählung „weitere biographische Auskünfte
abzuleiten" (S. 201). - Einen erwägenswerten Vorschlag zu
Mk. 2,13-17 par macht B. M. F. van Iersel (La vocation de
Levi, S. 212-232): Das „Apophthegma" V. 16-17 a (V. 16 = ein
tatsächlicher Vorwurf der Pharisäer gegen Jesus) sei als ältester
Kern der Erzählung anzusehen; an V. 17a schließe sich mit V. 17 b
ein zweites, möglicherweise ebenfalls authentisches Logion; V. 14
sei eine weitere, ursprünglich selbständige Einheit. Markus habe
diese Traditionselemente zu einer „Perikope apophthegmatischer
Art" verbunden und durch V. 15 (red.) im Blick auf die Gemeinde
ausgelegt. - A.-M. Denis geht den überlieferungsgeschichtlich
bedingten Modifikationen von Mk. 6,45-52 par. nach (La marche
de Jesus sur les eaux, S. 233-247). Wenig überzeugend wird eine
Markus und Matthäus gemeinsame Tradition konstruiert, die
durch Matthäus einen soteriologischen und ekklesioloaischen,
durch Markus einen christologischen Sinn erhalten habe, während
in der johanneischen Parallele der Auferstandene daroestellt sei,
wie er „die Sünder vor den Gefahren der Finsternis rettet" (S. 247). -
M. Didier versucht zu Mt. 25,14-30 par. nachzuweisen, daß
der wesentliche Sinn der „Parabole des talents et des mines"
(S. 248-271) in der synoptischen Überlieferung, von Jesus über
die Urgemeinde bis zu den Evangelienredaktionen, trotz einer
„bemerkenswerten Freiheit" kontinuierlich durchgehalten worden
ist (S. 271).

Die vorliegenden Aufsätze verdienen eine intensivere Würdigung
, als hier geboten werden kann. Von besonderer Bedeutung
sind vor allem die Studien von A. George, J. Lambrecht,
S. Mctoughlin, F. Neirynck und B. M. F. van Iersel, die mit einer
eindringenden Textanalyse eigene, weiterführende Vorschläge verbinden
. Zwischen den einzelnen Beiträgen und der von dem
Herausgeber als gemeinsamer Zielsetzung genannten Frage nach
dem dreifachen „Sitz im Leben" ist zweifellos eine Beziehung herzustellen
; aber die Aufgabe ist mit unterschiedlicher Konsequenz
aufgenommen und durchgeführt worden. Solches Zöqern ist sachlich
begründet. Verleitet doch die traditionsgeschichtliche Differenzierung
von drei „Sitzen im Leben" zu einer exegetischen Engführung
, nämlich die überragende Funktion der Gemeinde im
Oberlieferungsprozeß und auch die Verbindung zwischen Evangelienredaktor
und der durch ihn repräsentierten Gemeindetradition
zu negieren und die unleugbaren Schwierigkeiten, auf den
»Sitz im Leben Jesu" zu schließen, zu leicht zu nehmen. Hiervon
abgesehen, umfaßt der Sammelband eine Fülle von anregenden
Voten, so daß die Lektüre dem „theoretischen" wie dem „praktischen
" Exegeten empfohlen werden kann.

Göttingen Georg Strecker

Lövestam, Evald: Spiritus Blasphemia. Eine Studie zu Mk. 3,
28 f. par. Mt. 12, 31 f., Lk. 12,10. Lund: Gleerup [1968]. 88 S.
gr. 8° = Scripta minora regiae societatis humaniorum litterarum
Lundensis. Studier utg. av Kungl. Humanistika Vetenskapssam-
fundet i Lund 1966-1967: 1. Kart. Schw. Kr. 19,-.

Lövestam unternimmt eine breit angelegte Deutung des synoptischen
Wortes von der Geistlästerung, das von jeher als eine der
dunkelsten Stellen in den Evangelien gilt. Denn wie ist das Vergehen
, das hier gemeint ist, näher zu bestimmen? Und warum
soll diese eine Sünde ohne Vergebung bleiben, nachdem vorher
die „totale" Vergebung proklamiert wurde? - Lövestam versucht
vor allem, zu einer inhaltlichen Klärung des Wortes zu kommen,
an einer genauen Geschichte seiner synoptischen Überlieferung
zeigt er sich - bei aller Vorsicht im Umgang mit den Quellen -
weniger interessiert.

Das Ergebnis (im 7. K<ip., S. 58 ff.) sieht folgendermaßen aus:
„Lästerung wider den heiligen Geist bedeutet Opposition gegenüber
Gott in seiner eschatologischen Heilstätigkeit" (62). Im Unterschied
zu allen anderen Sünden, selbst der Blasphemie, ist diese
grundlegende Widersetzlichkeit gegen Gottes Werk nicht in die
eschatologische Gabe der Sündenvergebung einbegriffen, sondern
schließt davon aus.

Wie kommt Lövestam zu diesem Ergebnis? Es sind vor allem
zwei Linien, die er herausarbeitet: die Beziehung des synoptischen
Wortes zu einem alttestamentlichen Modell („pattern") und die
Bedeutung des Geistbegriffs im vorliegenden Zusammenhang.

Lövestam betrachtet (1.) zunächst den Kontext in den Evangelien
und findet vor allem für die Beelzebubgeschichte und die
an Jesus gerichtete Zeichenforschung Vorbilder in den Erzählungen
vom Auszug Israels: Das Volk in der Wüste zeigte dieselbe
Verschlossenheit den Taten Gottes gegenüber, die man Jesus mit
dem Beelzebubvorwurf entgegenbringt, und die Zeichenfrage erscheint
als Wiederholung der Forderung des Wüstengeschlechts
nach klaren Beweisen für Gottes mächtige Gegenwart.

Nach einer Betrachtung terminologischer Fragen (2.) wendet
sich Lövestam (3.) dem Phänomen der Geistlästerung zu. Er stellt
dar, daß im AT bei den Erzählungen vom Exodus der Widerstand
gegen den Geist Gottes eine Rolle spielt (z. B. Jes. 63,10) und daß
dies Moment auch im Urchristentum lebendig war (z. B. Act.
7, 51). - Wie aber kann es zu der so zugespitzten Gerichtsdrohung
gegenüber der Geistlästerung kommen? Hier ist der Begriff des
»heiligen Geistes" maßgebend: Entscheidend ist (4.), daß er nicht
personal oder substantial aufzufassen ist, sondern daß damit das
Eingreifen und Handeln Gottes ins Blickfeld rückt. Er dokumentiert
sich in Jesu Machttaten (Mt. 12,28; Luk. 11,20) wie einst
im Eingreifen Jahwes für sein Volk (s. bes. Jes. 63,10-14(.

Damit ist die Antwort auf die wohl schwierigste Frage vorbereitet
; Weswegen nämlich ein Wort gegen den Menschensohn vergeben
werden wird, die Lästerung des heiligen Geistes aber nicht
(Lk. 12,10; Mt. 12,32): Es geht hier nicht (5 ) um Gott in seiner
Heiligkeit und Erhabenheit, sondern um sein Heilshandeln. „Entscheidend
ist, was angesichts der Manifestationen des Geistes
existentiell zutiefst im Menschen vor sich geht" (49).

Hier hat die Perspektive der Verstockung ihren Platz (6.),
welche impliziert, daß sich die Rede wider den heiligen Geist
nicht auf etwas Zufälliges und Momentanes bezieht.

Zusammenfassend ergibt sich (7.) die oben genannte Umschreibung
der Geistlästerung. Das Logion „enthält somit nicht nur eine
diffuse Warnung", sondern stellt „die Menschen schon hier auf Erden
antizipatorisch in die Situation des eschatologischen Gerichts . . ."

(67) . Damit „zielt es auf Umkehr, Erlösung und Heil der Menschen"

(68) und steht „realiter im Dienst des Evangeliums" (67).

Zum Schluß (8.) wendet sich Lövestam der besonderen Problematik
der Lk.-Version zu und erklärt den „Widerspruch" zwischen
Lk. 12, 9 und 10 aus dem Bedürfnis der Gemeinde, den Sachverhalt
der unvergebbaren Verleumdung zu präzisieren: Verleumdung
der Person Jesu ist vergebbar, Verleumdung seines Heilswerkes
nicht (deshalb kann bei Lk. etwa die Petrusverleugnung so milde
dargestellt werden).

Lövestams Deutung zeichnet sich dadurch aus, daß sehr sorgsam
nach der sachgemäßen Illustration des synoptischen Wortes
gesucht wird, ohne daß irgendwo vorschnelle historische Urteile
gefällt werden. Hier und da hätte man sich eine schärfere Herauszeichnung
der Konzeptionen der einzelnen Evangelisten gewünscht
(so wird etwa - S. 34 - von Act. 7, 51 etwas schnell auf ein Bewußtsein
im „urchristlichen Milieu" geschlossen, während hier