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Ausgabe:

1969

Spalte:

757-759

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

De Jésus aux Évangiles 1969

Rezensent:

Strecker, Georg

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 10

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nisse der Väterzeit herangezogen - wirkt der abschließend unternommene
Versuch einer eigenen Exegese etwas enttäuschend.
Hier, wo die Fruchtbarkeit einer im Gespräch mit den Vätern
vertieften hermeneutischen Reflexion sich zeigen müßte, läßt uns
der Vf. im Stich. Er deutet das Kanawunder als Zeichen einer
durch das Kreuz hindurchgegangenen eschatologischen Freude.
Das Auslcgungsvcrfahren ist eklektisch, Anregungen Bultmanns,
Noetzels und Thüsings überschneiden sich. Die Problematik des
von seinem Lehrer K. H. Echelkle übernommenen Symbolbegriffs
(vgl. dessen Aufsatz, Auslegung als Symbolverständnis, ThQ 132,
1952, S. 129-159) tritt deutlich zutage.

Die Entscheidung, ob es dieser ungemein kenntnisreichen und
fleißigen Arbeit auch gelungen ist, die Väterexegese für die heutige
hermeneutische Besinnung fruchtbar zu machen, wird je nach dem
Standpunkt des Lesers verschieden ausfallen. Die Fragen, die sich
aus dem spannungsreichen Verhältnis zwischen sich wandelnden
Auslegungsprinzipien und bleibender Bemühung um das exegetische
Detail ergeben, werden uns weiter zu beschäftigen haben.
Schließlich stellt sich auch das Problem, wie der hermeneutischr;
Vorgang zu beurteilen ist, der sich in der liturgischen Rezeption
einer neutestamentlichen Perikope vollzieht (und wie dieser sich
zur .liturgischen' Verwurzelung eines Teils der neutestamentlichen
Überlieferung selbst verhält) nach dieser Arbeit noch dringender.

HaUe/Sasle Wolfgang W i e f e 1

P o 11 e r i e , I. de la [Ed.]: De Jesus aux Evangiles. Tradition et
Redaction dans les Evangiles svnoptiques. Gembloux: Duculot;
Paris: Lethielleux [1967]. XIV, 271 S. gr. 8° = Bibliotheca Ephe-
meridum Theologicarum Lovaniensium, XXV. Donum Natalicium
Ioscpho C o p p e n s Scptuagesimum Annum Complenti D D D
Collegae et Amici, IL

In einem Vorwort erläutert der Herausgeber die Zielsetzung,
die den auf der 16. Session der „Journees Bibliques" in Löwen
gehaltenen, hier abgedruckten Vorträgen gemeinsam ist (S. VII-
XIV): In der gegenwärtigen Synoptikcrauslegung ist die Rcdak-
tionsgeschichte die bestimmende Forschungsrichtung; sie läßt sich
einerseits als „Endpunkt" einer forschungsgeschichtlichen Entwicklung
bezeichnen, da sie im Unterschied zur formgeschichtlichen
Methode - die sie voraussetzt - die Evangelienverfasser als
..wirkliche Autoren" anerkennt, die gegenüber einem gegebenen
Traditionsbestand je eine eigenständige theologische Konzeption
auszusprechen versuchen,- die Redaktionsgeschichte markiert
andererseits einen „Anfangspunkt", da mit der Frage nach der
Theologie der Evangelienredaktorcn sich notwendig die Aufgabe
verbindet, den Weg der Überlieferung „von Jesus bis zu den
Evangelien" nachzuzeichnen (S. VII). Die über die Redaktions-
geschichtc hinausführende exegetische Zielsetzung muß daher
eine „traditionsgeschichtliche" sein; sie hat die Aufgabe, nach den
„drei Stadien" der synoptischen Überlieferung zu fragen, 1) nach
der Verkündigung Jesu als dem ..ersten Sitz im Leben", 2) nach
dem Sitz im Leben der Gemeinde und 3) nach der Verarbeitung
der Überlieferung in den Evangelienredaktionen (S. XII).

Die Beiträge sind so angeordnet, daß zunächst zwei Referate
zum synoptischen Problem Stellung nehmen; darauf folgen drei
übergreifende Vorträge, in denen jeweils die Grundzüge der
Redaktionsarbeit eines synoptischen Evangelisten dargestellt
werden,- die übrigen befassen sich mit Einzelperikopen der
synoptischen Tradition.

X. Leon-Dufour (Interpretation des Evangiles et probleme
synoptique, S. 5-16) wendet sich gegen eine mechanische Adaption
der Zwci-Quellen-Theorie und gegen die Vernachlässigung des
Faktors der mündlichen Tradition, die auch neben- und vormarki-
nisches Gut enthalten habe (S. 6). Seine These lautet: „Mt. und
tk- sind nicht unmittelbar von Mk. abhängig", sondern gehen auf
ein vorsynoptisches Stadium der Markustradition zurück, womit
nicht eine Urmarkusschrift gemeint ist (S. 11). So ist es aber doch
kaum durch die verschiedenartige Anordnung der Galiläaperiko-
Pen im Matthäus- und Lukasevangelium zu begründen, zeigt sich
doch gerade hier die intensive Redaktionsarbeit der Großevangelisten
(beispielhaft: Lk. 4,16-30 gegen Mk. 6,1-6 par.).

Anders als der eben genannte Forscher gesteht denn auch
S. McLoughlin (Les aecords mineurs Mt-Lc contre Mc et 1c

probleme synoptique. Vers la theorie des deux sources, S. 17-40)
zu, „daß die klassische Zwei-Quellen-Theorie bemerkenswert gut
funktioniert"; sie erklärt die „größeren Übereinstimmungen" zwischen
Mt /Lk. gegen Mk. (S. 18). Die „kleineren Übereinstimmungen
", die nicht über den Umfang von fünf Wörtern hinausgehen
und niemals ohne ihren Kontext tradiert werden konnten, sind
teilweise so unerheblich, daß sie sich gegen die Markuspriorität
nicht auswerten lassen (S. 19). Die wichtigeren sind an Zahl gering
und verschieden begründet (Q-Einfluß; von einander unabhängige,
gemeinsame redaktionelle Tendenz des Matthäus und Lukas usw. i
S. 23 ff.). Einige von ihnen können - wie dies schon Streeter
vorgeschlagen - textkritisch eliminiert werden (S. 25. 28 f. 30 f.).
Als eine der bedeutenderen „kleineren Übereinstimmungen" bleibt
Mt. 26,68 par., vielleicht eine sekundäre Konjektur des Matthäustextes
auf Grund einer lukanischen Markuserweiterung (S. 31 ff.). -
Ein in allen Teilen lehrreicher Diskussionsbeitrag, auch wenn ein
stärkeres Eingehen auf die Frage einer Matthäus und Lukas vorliegenden
spezifischen Markusrezension und der Einwirkung von
mündlicher Überlieferung auf den Matthäus- und Lukastext zu
wünschen gewesen wäre.

Skeptisch gegen eine vereinfachende Übernahme der Zwei-
Quellen-Theorie äußert s;ch auch F. Neirynck (La redaction
mattheenne et la strueture du premier Evangile, S. 41-73). Jedoch
ergeben sich aus der Untersuchung der Komposition des Matthäusevangeliums
(Vf. folgt X. Leon-Dufour, indem er zwei Großabschnitte
unterscheidet: cc. 3-13 und cc. 14-28) Argumente für die
Markuspriorität, für die Benutzung der Q-Quelle sowie für die
intensive Redaktionstätigkeit des Matthäus (zu letzterer vgl.
S. 67f.: redaktionelle Einarbeitung der Bergrede im Anschluß an
Mk. 1, 21! S. 69: 8,1-17 und 8,18-9, 34 = zwei sekundäre Kompositionseinheiten
, jeweils durch redaktionelle Einoriffe abgeschlossen
fa) 8,17; b) 9, 27-31 u. 9, 32-34]). Darüber hinaus zeiat
auch die Redaktion des Traditionsstoffes, etwa die matthäische
Ausarbeitung der Wundererzählungcn zu Lehrgesprächen, daß „die
Ablehnung der Abhängigkeit (des Matthäusevangeliums) von Mk.
nicht zu rechtfertigen" ist (S. 73).

Weniger eindringend befaßt sich J. Delorme (Asoects doc-
trinaux du second Evangile. Stüdes recents de la redaction de
Marc, S. 74-99) mit der Redaktion des zweiten Evangeliums. Ausgehend
von den Begriffen euotYYeXtov ""d Mnpvoaeiv - versucht
er nachzuweisen, daß Markus eine Historie zeichnet, „die die
Gegenwart erklärt", nämlich ,die Geschichte der eschatoloctischen
Intervention Gottes in dieser Welt" (S. 84). Markus schreibe „ohne
Lehrinteresse" (S. 97), auf Grund von „persönlicher Erfahrung",
der „connaissance intime de Jesus-Christ" (S. 991. - A. Georqe
(Tradition et redaction chez Luc. La construetion du trois'eme
Evangile. S. 100-129) möchte bei der Analyse der Komposition
des Lukasevangeliums auf Quellentheorien verzichten (S. 101 f.).
Ausgangspunkt ist die Erkenntnis, daß Lukas bewußt zwischen
der Zeit Jesu und der Zeit der Kirche unterschied, und zwar so,
daß die Darstellung der Zeit Jesu nach der Kindheitsoeschichte
(cc. 1-2) und nach der Täufererzählunq (c. 3, 1-20) einsetzt und
durch drei Phasen, die „auf die Offenbarunct des Osferaeheimnis-
ses" ausqerichtet sind, charakterisiert wird (3,21-9,50; 9.51-
19, 28; 19, 29-26. 53), während die Aposteloeschichfe „die Proklamation
dieses Geheimnisses: das Werden der Kirche" beschreibt
(S. 120). Nicht die Parusi'everzöaerung, sondern „die Gabe des
Geistes", „die apostolische Verkündioung", „Verfolqung" und
„Heidenmission" konstituieren die Kirchengeschichte als eine gegenüber
der Zeit Jesu eigenständige Größe, ohne daß im Sinn des
Lukas die heilsgeschichtliche Kontinuität abreißt; denn „nach Lukas
ist die Kirche genau das Werk, das Jesus beabsichtigte" (S. 129).

Die folgenden Aufsätze beziehen sich auf Einzelperikopen.
P. Bonnard stellt die Fraoe nach „Comoosition et signification
historique de Matthieu XVIII" (S. 130-140) und zeigt, daß die
Alternative „Kirchenordnung oder Reichsethik" unzutreffend ist,
vielmehr Mt. 18 eine Anweisung ausspricht, die die Kirche auf das
kommende Reich ausrichten soll. - J. Lambrecht gibt mit
dem Aufsatz „La strueture de Marc XIII" (S. 141-164) einen Auszug
aus seiner Dissertation „Die Redaktion der synoptischen
Apokalvnse. Literarische Analyse und Strukturuntersuchung' (Ana-
lecta Biblica 28), Rom 1967. Danach ist der Aufbau von Mk. 13
durch den Redaktor zyklisch angelegt - was freilich nicht ohne
Gewaltsamkeit abgeht. Inhaltlich dominieren in Mk. 13 Mahnung