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Ausgabe:

1969

Spalte:

755-757

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Smitmans, Adolf

Titel/Untertitel:

Das Weinwunder von Kana 1969

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 10

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die Feststellung, daß auch die Taufe in der paulinischen Theologie
ihren Platz hat: sie nimmt zwar keine ganz selbständige Stellung
ein, aber doch eine Schlüsselstellung, nämlich als Mittelgröße
zwischen Christi Tat und den Gläubigen (127).

Nach einer Einführung in die Forschungslage (11-17) widmet
der Vf. den ersten Teil der Exegese von Rom 6 (19-102). Hier
halte ich es nicht für methodisch gut und glücklich, Spezial-
probleme (32-61) und den Einfluß der Tradition auf Rom 6
(61-68) vor der Einzelerklärung zu behandeln. Wäre der Vf.
umgekehrt verfahren, hätte er die Spannung bemerken müssen,
in der seine religionsgeschichtliche Beurteilung (Herleitung aus
hellenistischen Wurzeln, Parallelen in den Mysterienreligionen)
zur richtigen Feststellung steht, daß die erste Hälfte von Rom 6
vom Credo entscheidend geprägt ist (64). Einen Ausgleich sucht G.
dadurch zu schaffen, daß Paulus die mysterienhaft-sakramentale
Deutung der Taufe schon in der hellenistischen Gemeinde vorgefunden
habe und kritisch rezipiere (46-49). Doch ist der starke
Einfluß der Mysteriengedanken, die sich nicht in einzelnen Kulten,
sondern nur in ähnlichen Vorstellungen und Deutungskategorien
finden lassen (37-46), auf das frühe hellenistische Christentum
wirklich so sicher? Hat es nicht selbst schon viel stärker vom
Credo her gedacht? Der Hinweis, daß wir keine stärkeren religionsgeschichtlichen
Parallelen wegen der Arkandisziplin der
Mysterien aufzeigen können (45), klingt doch nur wie eine Verlegenheitsauskunft
.

Die Argumente J. Duponts für ein anderes Verständnis des
Aufbaues von Rom scheinen mir nicht voll gewürdigt zu sein
(23-26). Seine Sicht könnte die These G.s vom Vorrang der
Rechtfertigungslehre her noch stützen. Von der Sache und Gewichtigkeit
her muß der Exkurs über das paulinische Vokabular der
Rechtfertigung (138-158), durch den der Vf. eine Entscheidung in
der heute so lebhaft umstrittenen Frage nach dem Sinn der
..Gerechtigkeit Gottes" treffen will, unbefriedigend bleiben, einfach
deshalb, weil dies eine längere Diskussion erforderlich machte
(vgl. jetzt auch K. Kertelge, "Rechtfertigung" bei Paulus, Münster
i. W. 1967). Auf Einzelheiten der sorgfältig, auch mit reicher
Literaturverwendung gearbeiteten Diss. will ich nicht eingehen.

Druckversehen: Auf S. 94 ist in Anm. 19 eine Halbzeile ausgefallen
; auf S. 95 ist n a p e 6 6 d r| x e zweimal falsch
geschrieben.

Würztmrg It. Schnackenburg

Smitmans, Adolf: Das Weinwunder von Kana. Die Auslegung
von Jo 2, 1-11 bei den Vätern und heute. Tübingen: Mohr 1966.
VII, 337 S. gr. 8° = Beiträge zur Geschichte d. biblischen Exegese
, hrsg. v. O. Cullmann, E. Käsemann, H.-J. Kraus, H. Riesenfeld
, K. H. Schelkle, P. Schubert, E. Wolf, 6. DM 38,-; Lw.
DM 43,50.

Daß in letzter Zeit in verstärktem Maße Arbeiten zur Auslegungsgeschichte
einzelner Perikopen veröffentlicht werden, ist
keineswegs ein Zeichen der Verlegenheit. Dahinter steht die
Überzeugung, daß die Geschichte der Exegese einen Beitrpg zur
gegenwärtigen hermeneutischen Diskussion zu bieten vermag. Je
mehr diese der Gefahr erliegt, sich im Abstrakten zu verlieren,
könnte der Blick auf die Auslegungsgeschichte weiterhelfen, d. h.
zur Sache zurückführen und konkrete Modelle liefern. Erich
Fascher hat schon vor Jahren Anstöße in dieser Richtung gegeben.
Auf katholischer Seite ist vor allem K. H. Schelkle um dieses
Problem bemüht. Sein Werk, Paulus, der Lehrer der Väter (Düsseldorf
1956), eine moderne Katene zu Rom. 1-11, hat die Fruchtbarkeit
dieser Arbeitsweise glänzend unter Beweis gestellt. Aus
seiner Schule ist die vorliegende Studie entstanden, die mit dem
Kanawunder einen wegen seiner vielschichtigen literarischen und
theologischen Problematik besonders reizvollen Gegenstand gewählt
hat.

Dem Vf. geht es um mehr als um eine bloße Bestandsaufnahme.
Darum bietet er nicht eine Auslegungsgeschichte seiner Perikope
in chronologischer Abfolge, sondern konzentriert sich auf die
Gegenüberstellung zweier umgrenzter Bereiche. Er setzt ein mit
der gegenwärtigen Exegese, wobei er die wichtigsten Deutungen
der letzten drei Jahrzehnte berücksichtigt, gelegentlich auch weiter
zurückgreift, und konfrontiert sie mit der Exegese der Väter, in
die er die Ausleger des Ostens bis Severus von Antiochien (f 538)

und des Westens bis Isidor von Sevilla (560 - 638) einbezieht. Daß
diese vor allem für den katholischen Exegeten nicht tote Vergangenheit
ist, wird durch den Hinweis auf die Bedeutung der Väterauslegung
für die heutige Liturgie unterstrichen (S. 3).

Der Abschnitt über die Fragen der heutigen Auslegung (S. 6-63)
trägt in sorgfältiger Aufstellung zusammen, wie die Probleme der
Literakritik, der Einzelexegese, des religionsgeschichtlichen Hintergrundes
und des kerygmatischen Gehaltes in der gegenwärtigen
Forschung behandelt werden. Dabei kommen wesentliche Stimmen
aus dem protestantischen wie aus dem katholischen Lager, aus
dem deutschsprachigen und dem internationalen Bereich zu Worte.

Einige weniqe Ergänzungen. Unter den Vertretern der religionsgeschichtlichen
Deutung wäre auch Carl Schneider zu erwähnen
gewesen: Geistesgeschichte des antiken Christentums, I, 1954,
S. 140 f. Eine Exegese von Ethelbert Stauffer findet sich in K. Fror,
Neue Wege zum kirchlichen Unterricht, 1949, S. 49-61. Em. Hirsch
hat außer in seinen Studien zum vierten Evangelium über unseren
Abschnitt auch in fortlaufender Auslegung gehandelt: Das vierte
Evangelium, 1936.

Der der Auslegung durch die Väter gewidmete Hauptteil des
Werkes (S. 64-271) setzt mit hermeneutischen Vorerwägungen
ein. Nach der Sicht des Vf. üben auch sie in ihrer Weise historischkritische
Auslegung, doch ist diese dem für sie entscheidenden
Auslegungsprinzip, das aus der Inspirationslehre folgt, untergeordnet
. Im Erfassen der Schrift gibt es für sie Stufen des Ver-
stehens, die der Geist selbst erschließt. Es zeigt sich, daß diese
hermeneutischen Voraussetzungen bei den einzelnen Vätern in
unterschiedlichem Maße reflektiert sind, am stärksten bei Origenes.
Ihm gelingt es deshalb auch, in kühnem Griff der historischen
Kritik und der theologischen Deutung gleichermaßen gerecht zu
werden: die historischen Widersprüche zeigen, daß der Evangelist
pneumatische Wahrheiten darstellen wollte. Diese Stufe der
Reflexion ist von den späteren Auslegern unsprer Perikope. die
mit dem mehrfachen Schriftsinn arbeiten, nicht wieder erreicht
worden: weder von Isidor von Pelusium, noch von Cyrill von
Alexandrien, von Severus von Antiochien oder von Gaudentius
von Brescia, auch nicht in Augustins Unterscheidung von Wunder
und Zeichen.

Ein wie breites Spektrum die altkirchliche Execrese aufweist,
wird durch den vom Vf. gewählten Weg der Darstellung deutlich,
der die Auslegung der Väter zu den einzelnen Versen und die
damit verbundenen Sachfragen der Reihe nach vorführt (S. 74-147).
Erst dann geht er auf die Interpretation der Perikope im ganzen
ein. Hier zeigt sich noch mehr als bei der Einzelexegese, wie viele
unserer Fragen und Deutungen schon in der altkirchlichen Auslegung
begegnen. Fast jeder der aufgeführten Aspekte hat eine
Entsprechung in der gegenwärtigen Exegese: das Verständnis des
Wunders als Offenbarung der Gottheit Jesu, als Zeichen des
Schöpfers, als Bestätigung und Heiligung der Ehe, als Abbild der
messianischen Hochzeit, als Ablösung und Vollendung des Alten
Bundes, als Hinweis auf die Gabe Jesu, die in der neuen Existenz
besteht, als Zeichen der Eucharistie (S. 153-262). Dem aufmerksamen
Leser fällt es nicht schwer, hier die Linien zu den modernen
Interpreten zu ziehen.

Aus der Fülle des hier Gebotenen sei nur auf zwei Einzelheiten
hingewiesen, die den engen Zusammenhang der Auslequng
einerseits mit der Liturgie, andererseits mit der Dogmenbildung
verdeutlichen. Kernstück der liturgischen Interpretation der Perikope
ist die uns vertraute Bindung an die Epiphanienzeit, die
auf eine ursprüngliche Zugehörigkeit zum Epiphaniasfest zurückgeht
(so schon Usener, Holl). Der Vf. neigt der These von Christine
Mohrmann und E. Pax zu, daß es der in Joh. 2,11 betonte
Epiphaniecharakter des Kanawunders war, der dieses mit dem
Epiphanienfest in Verbindung brachte Daß diese Verbindung
gelöst wurde, hängt mit der fortschreitenden Historisierung des
Kirchenjahrs zusammen (S. 168,ff). An andererstelle wird gezeigt,
wie die Dogmatisierung der Gottesmutterschaft Mariens, Ephesus
431, auf die Exegese von Joh. 2,4 wirkt. Von jetzt an tritt in der
Auslegung jene Deutung gänzlich zurück, die in der Antwort
Jesu an Maria einen Tadel sieht (S. 254; zur heutigen katholischen
Exegese vgl. S. 16-23).

Gemessen an der Reichhaltigkeit des Hauptteils - nach meiner
Zählung sind fast 200 Auslegungen, Predigten und andere Zeug-