Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

754-755

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Gäumann, Niklaus

Titel/Untertitel:

Taufe und Ethik 1969

Rezensent:

Schnackenburg, Rudolf

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

753

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 10

754

H. Gordon geht auf das religionsgeschichtlich interessante Thema
"Leviathan: Symbol of Evil" (S. 1-9) ein, wonach ein dualistisches
Weltbild nicht erst vom Parsismus geprägt wurde, sondern schon
in frühorientalischen Dokumenten und so auch im Alten Testament
erkennbar wird. Frank Moore Cross, Junior bemüht sich darum,
in "The Divine Warrior in Israel's Early Cult" (S. 11-30) die Verbindung
kosmisch-mythologischer Motive mit der historischen
Erfahrung Israels durch die gemeinsame Verarbeitung innerhalb
des - vornehmlich auf den König bezogenen - Kultes zu erklären.
Shemaryahu Talmon unterwirft die verbreitete Ansicht über "The
'Desert Motif in the Bible and in Qumran Literature" (S. 31-63)
einer kritischen Oberprüfung und bestreitet dessen grundsätzlich
heilsgeschichtlichen Charakter. Die Vorstellung vom „nomadischen
Ideal" wurde erst von Hosea und Jeremia durch die Verbindung
der Vorstellung von der an sich heillosen Wüste mit eschatolo-
gischen Gedanken von der Liebe Gottes zu seinem Volk entfaltet.
Die Qumran-Gemeinde sah in ihrem Aufenthalt in der Wüste Juda
einen Weg zu ihrem Ziel, der Heiligung. Michael C. Astour unterbreitet
in "Political and Cosmic Symbolism in Genesis 14 and in
its Babylonian Sources" (S. 65-112) ebenso originelle wie phantasievolle
Vermutungen über den Hintergrund des Kapitels Gen 14.
David Neiman kommt mit "The Date and Circumstances of the Cur-
sing of Canaan" (S. 113-134), einer Erörterung über Gen 9, 25-27,
den Ausführungen L. Rosts in der Alt-Festschrift (1953, S. 211 ff.)
recht nahe, setzt aber anders als jener die Verfluchung Kanaans
durch Noah mit den Auseinandersetzungen zwischen Israel und
den Kanaanäern bereits in vordavidischer Zeit in Beziehung. Juda
Golding geht in "The End of Ecclesiastes: Literal Exegesis and its
Transformation" (S. 135-158) auf die Verwandtschaft zwischen dem
Ende des Buches Qohelet (12,12) und den Maximen der Pirke
Abot (1,1) ein, was s. E. auf eine zeitliche Nähe der Entstehung
der Texte schließen läßt. Raphael Loewe stellt in "Apologetic
Motifs in the Targum to the Song of Songs" (S. 159-196) den
Zweifrontenkampf des Targumisten heraus, der sich auf der einen
Seite gegen die Undankbarkeit des eigenen Volkes der Güte und
Treue Gottes gegenüber, auf der andren jedoch gegen die christliche
Deutung des Hohenliedes wendet, die dieses Buch auf das
..Neue Israel" zu deuten versuchte, dem nunmehr die Liebe
Gottes gilt. Nach Nahum Glatzer, "The Book of Job and its Interpreters
" (S. 197-220), hat der leidende Gerechte bereits in der
jüdischen Auslegung eine Vielfalt von Deutungen erfahren, vom
Heiligen über den skeptischen Philosophen bis hin zum Leidenden
als Zeichen der rettenden Liebe Gottes. Erwin R. Goudenough
weist in "The Greek Garmcnts on Jewish Heroes in the Dura
Synagogue" (S. 221-237) nach, daß der Künstler von Dura Europos
die Kleidung des mystischen Philosophen sowie die Robe des
Osiriskultes für die Gestalten aus der Geschichte Israels angewandt
hat.

Der vierte Band der "Studies and Texts" wendet sich wieder,
wie sein Thema bereits erkennen läßt, Materialien aus der jüdischen
Geschichte, hier des jüdischen Mittelalters und der Renaissance
, zu. Norman Golb verfolgt in "Aspects of the Historical
Background of Jewish Life in Medieval Egypt" (S. 1-18) die
spärlichen Quellen, aus denen dennoch eine kontinuierliche Anwesenheit
von Juden in Ägypten bis zum Mittelalter nachweisbar
ist. In die Auseinandersetzung mit der christlichen Exegese führt
Gerson D. Cohen mit seinem Beitrag "Esau as Symbol in Early
Medieval Thought" (S. 19-48) ein. Die Gestalt Esaus wurde schon
von der frühen Christenheit auf das Judentum, von diesem aber
auf das Christentum gedeutet, womit sich die jüdisch-christlich
dogmatische Auseinandersetzung schon in der Frühgeschichte zu
erkennen gibt. In den folgenden Studien wird eine Reihe von
mittelalterlich-jüdischen Gelehrten aus dem Mittelmeerraum und
dem vorderen Orient vorgestellt und deren Gedankenwelt erhellt:
Georges Vajda, „Le Probleme de l'Unite de Dieu d'aprcs Dawüd
rbnMarwän al-Muqammis" (S. 49-73), Herbert Davidson, "Saadia's
List of Theories of the Soul" (S. 75-94), Isadore Twersky, "Some
Non-Halakic Aspects of the Mishneh Torah" (S. 95-118). Eine
große Rolle spielt jedoch die Auseinandersetzung mit Maimonides,
seinen Schülern und Nachfolgern: Arthur Hyman, "Maimonides'
'Thirteen Principles' " (S. 119-144). S. D. Goitein macht dann mit
dem Sohn des großen jüdischen Gelehrten in "Abraham Maimonides
and his Pietist Circlc" (S. 145-164) bekannt, A. S. Halkin
mit "Yedaiah Bedershi's Apology" (S. 165-184), Sara O. Heller

Wilensky fragt nach "Isaac Ibn Lafif - Philosopher or Kabbaiist?"
(S. 185-223). Alexander Altmann ediert und kommentiert "Mose
Narboni's 'Epistle on Shi'ur Qomä'. A Critical Edition of the Hebrew
Text with an Introduction and an Annotated English Translation"
(S. 225-288), Lawrence V. Berman geht unter dem Titel 'Greek
into Hebrew" auf "Samuel ben Judah of Marseilles, Fourteenth-
Century Philosopher and Translator" (S. 289-320) ein. Der letzte
Beitrag dieses Bandes von Israel Adler ist "The Rise of Art Music
in the Italian Ghetto. The Influence of Segregation on Jewish
Musical Praxis" (S. 321-364) gewidmet und führt auf diese Weise
das Thema der Auseinanderetzung des Judentums mit der jeweiligen
geistigen Umwelt fort.

Der Stoff aller drei Bände ist außerordentlich reichhaltig, zumal
er dem nichtjüdischen Leser vielerlei neue Aspekte bietet, die
nicht zuletzt auch den Weg der Kirche des christlichen Abendlandes
besser verstehen lehren. Die Aufsätze sind sachlich, historisch und
philologisch klar aufgebaut und vermitteln eine Bereicherung
der Kenntnis des Judentums sowohl in seinen inneren Strömungen
als auch äußeren Auseinandersetzungen und Integrationsversuchen.
Auf diese Weise wird auch die jüdische Beschäftigung mit dem
Alten Testament und dem frühen Christentum eine dramatische
und bewegende Bewältigung eigener Vergangenheit. Diese vollzieht
sich hier im Gewände moderner wissenschaftlicher Methode
und dennoch erregender wie bedrängender Anteilnahme. Alle drei
Bände sind wiederum mit Indizes ausgestattet, die über Schriftstellen
, Autoren und Sachthemen Auskunft geben. Die Untersuchungen
der zeitgenössischen jüdischen Gelehrten, die sich auch
mit dem Christentum in gerechter Weise auseinandersetzen, sind
nicht nur dem Theologen sehr zu empfehlen.

Halle/Saale Gerhard Wallis

NEUES TESTAMENT

Gäumann, Nikiaus: Taufe und Ethik. Studien zu Römer 6.
München: Kaiser 1967. 179 S. gr. 8" = Beiträge zur evangelischen
Theologie, hrsg. v. E. Wolf, 47. Kart. DM 24,50.

Da das Gespräch über die Probleme von Rom 6, namentlich
über die Tauftheologie des Apostels Paulus, in der Zeit nach dem
letzten Weltkrieg sehr rege war, freut man sich über eine neue
Arbeit, eine Göttinger Dissertation, die jene vielen vorangegangenen
Arbeiten benutzen kann und ein eigenes Urteil zu gewinnen
sucht. In den exegetischen Kontroversfragen hält der aus der
Schweiz stammende Vf. eine Linie ein, die wahrscheinlich die
Zustimmung der Majorität der Exegeten findet, bringt dafür also
nichts Neues oder Umstürzendes. Auch die Bestimmung des Verhältnisses
von Taufe und Ethik, die nach dem Titel das eigentliche
Thema ist, bestätigt die Auffassung, die sich weithin durchgesetzt
haben dürfte: die unlösliche Zuordnung von Indikativ und Imperativ
in dialektischer Spannung, die Bindung der Ethik an die
Taufe und der Taufe an die Ethik (126). Die Ethik ist mit den
Worten H. v. Sodens, dessen Einsichten (für 1 Kor 10) der Vf.
auch für Rom 6 verifiziert findet, „geschichtlich, christologisch und
eschatologisch gebunden, spezifisch theologische Ethik und ethische
Theologie" (133). Das Hauptverdienst der Dissertation sehe ich in
einem anderen Punkt: im Aufgreifen der Frage, ob in Rom 6 eine
andere (an die Taufe anknüpfende) Erlösungslehre entwickelt
werde als in Rom 1-4 (Rechtfertigung aus dem Glauben). Der
„Sinn des Nebeneinanders zweier Redeweisen vom Heil" (158 ff),
wie ihn der Vf. zu erhellen trachtet, besteht darin, daß Paulus im
Abschnitt Rom 5-8, der formal und sachlich von den vorausgehenden
Ausführungen abhängig ist und diese voraussetzt, zeigen
will, was das mit dem Evangelium in die Gegenwart eingetretene
eschatologische Heil für das gewöhnliche, alltägliche Leben
der Glaubenden bedeutet (160). Das Thema dieser drei (doch wohl:
vier) Kapitel sei die Auslegung der Rechtfertigungsbotschaft von
Rom 1-4 (161). Paulus ziehe das mythologische (gemeint ist Rom
5,12-21) und sakramentale Material sowie die dazugehörige Begrifflichkeit
vor allem zur Explikation gewisser Existenzsachver-
halte heran (162). - Trotz einiger anderer Auffassungen und
Akzentsetzungen scheint mir die Grundeinsicht richtig zu sein,
daß die Rechtfertigungslehre nicht aus der Mitte gerückt werden
darf. Entgegen gewissen neueren Tendenzen freut man sich über