Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

738-740

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Külling, Samuel R.

Titel/Untertitel:

Zur Datierung der "Genesis-P-Stücke", namentlich des Kapitels Genesis XVII 1969

Rezensent:

Jepsen, Alfred

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

737

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 10

738

Er wird es aber wohl andererseits dem Alttestamentler nicht
übelnehmen, wenn dieser an manchen Punkten, zumal in den
historischen, literarkritischen und etymologischen Urteilen sich
nicht ganz befriedigt fühlt. Ist das Israel der Merner>tha-Stele
wirklich als »halbnomadischer Stamm* anzusprechen (S. 14)? Kann
man das Deuteronomium zeitlich dem Heiligkeitsgesetz nachordnen,
wie es in den Ausführungen über das Zinsverbot S. 80 anscheinend
vorausgesetzt ist? Mufj man nicht beim Asylrecht für den unvorsätzlichen
Tofschläger sauber differenzieren zwischen der älteren
Zeit, in welcher der Altar Asylstelle ist (so ordnet es das Bundesbuch
in Ex. 21, 13 f. an) und der nachdeuteronomischen Regelung der
nun nicht mehr vom Altar abhängigen „Freistädte"? S. 121 redet
generalisierend von Freistädten. Hält die etymologische Behauptung
: »Das Wort schem hat von schama her die Eigenart des
Eingraviertseins; es deutet auf ein Zeichen, das mit einem Stift in
Kupfer gestochen ist. Es ist auch das Glänzende, das einen anspricht
(schamaim, Himmel)" (S. 22) ernsthafter wissenschaftlicher
Prüfung stand? Vgl. weiter die Etymologie von herem S 183. Muß
man wirklich für Kohelet und „Teile der Spräche" (S. 46) nach den
neueren Erkenntnissen über die altorientalische Weisheit noch
griechische Einflüsse bemühen?

Es möchte in diesem Zusammenhange unterstrichen sein, daß
die Kenntnisse der klassischen Antike, über die der Vf. in dankenswerter
Weise verfügt, für die Beleuchtung der Eigenart des
Alten Testamentes an mancher Stelle zu interessanten und wertvollen
Vergleichen Anlaß geben. Auch ist der Vf. mit dem nachchristlichen
Judentum wohl vertraut, was wiederum manche wertvolle
Beleuchtung ermöglicht. Allerdings sähe man gelegentlich
gerne eine klarere Differenzierung dessen was das Alte Testament
sagt, von dem, was spätere Oberlieferung sagt. Es kann noch als
unwesentlich erscheinen, daß der Begriff der tfsübä, der in Anwendung
auf die „Umkehr" des Menschen vom Bösen dem Alten
Testament fehlt (dieses redet verbal oder ev. mit substantivisch
gebrauchtem Infinitiv vom „Umkehren") unbefangen immer wieder
verwendet wird. Das gleiche gilt für das Theologumenon vom jeser
ra', das in Gen 6,5 und 8,21 keineswegs schon als allgemeine
theologische Begrifflichkeit zu verstehen ist und im Alten Testament
nirgends systematisch einem jeser tob geqenüberqestellt
wird (so S. 33). Die Rede vom Verdienst der Väter wird man
für das Alte Testament besser aus dem Spiele lassen. Gewiß wird
ihr S. 37 das alttestamenfliche Wissen um die Gnade der göttlichen
Erwählung gegenübergestellt S. 118 sieht dann aber im Gefolge
dieses rabbinischen Theologumenon s i do chim Zusammenhang des
5. Gebotes die perspektivische Tiefe dieses 5. Gebotes in der Einordnung
in die geschichtliche Ordnung der Generationen - die
Reihe, welche Trägerin der Gottesoffenbarung und zu gleicher Zeit
der unvergängliche Fonds der Gehorsamstaten der Väter ist. Hier
müßte die Trennungslinie hin zum genuin alttestamentlichen Verständnis
klarer gezogen werden. Das gleiche gilt von der Eintragung
talmudisch-gesetzlicher Keuschheitsvorschriften S. 168, die
nach van Oyen „folgerichtig weiterführen, was in Israel keimhaft
vorhanden war". Auch hier ist das Alte Testament durch seine
ungleich freiere Unbefangenheit spürbar geschieden von der
kasuistisch-gesetzlichen Ängstlichkeit späterer Zeiten. Und der
allgemein formulierte Satz, daß Ehen „im Himmel" geschlossen
werden (S. 165), trifft (trotz Gen. 24) keineswegs ein alttestament-
liches Empfinden.

Der kritische Hinweis auf solche Stellen möchte den Eindruck
nicht mindern, sondern in seiner Weise unterstreichen, daß in der
alttestamentlichen Ethik van Oyens ein Buch vorliegt, das zu weiterem
Nachdenken reizt und insbesondere auch zur Frage nach dem
grundsätzlichen Ansatz der gehorsamen Lebensgestaltung in Israel
anregt. In seiner Aussage: „Die Freude an der Verwirklichung ist
das eigentliche Geheimnis der alttestamentlichen Religion" (S. 18)
hat der Vf. ohne Zweifel schon gleich im Ansatz einen Zug unterstrichen
, der für das Ethos des Alten Testamentes grundlegend ist.

S. 28 Z. 14 v. u. fehlt .eine" vor „kultische Feier". - S. 38 Z. 17
v. o. L »dafür". - S. 40 Z. 1 v. o. L .sittliche" (statt .christliche"). -
S. 42 Z. 11 v. u. L .sein" (kodesch). - S. 44 Z. 6 v. o. 1. Lev. 17 -
26. - S. 58 Z. 15 „der" (kabod Jahwes). - S. 76 Z. 19 v. o. .des"
(schalom). - S. 116 Z. 21 v. o. .in" (statt „um"). - S. 131 Z. 6
v. o. "Rechtsehre" (statt .Rechtslehre"). - S. 199 Sp. 2 Z. 21 v. u.
„Hammurabi".

OMtingen Walthcr 7, i m m c r I 1

K ü 11 i n g , Samuel R., Dr.: Zur Datierung der „Genesis-P-Stücke"
namentlich des Kapitels Genesis XVII. Kampen: Kok 1964. VIII,
322 S. gr. 8°. Hfl. 12,75.

Rez. muß mit einem Bekenntnis beginnen: Er gehört, wohl
unter dem Einfluß seines Lehrers Rudolf Kittel, zu denen, die
gewisse Vorbehalte gegen die Thesen und Methoden Julius Wellhausens
nie ganz los geworden sind. Von daher war er sehr
bereit, eine zusammenfassende Kritik Wellhausens aufzunehmen.
Dem Vf. des zu besprechenden Werkes ist es aber beinahe gelungen
, ihn von dem Recht Wellhausens zu überzeugen. Wenn nur
beinahe, dann liegt es nicht an ihm.

Das Anliegen des Verfassers ist m. E. zunächst sehr zu begrüßen
: Es geht ihm darum, die Methoden und Argumente litemr-
kritischer Arbeit am Alten Testament, besonders am Pentateuch,
erneut zu überprüfen. In der Tat wäre es an der Zeit, einmal
zusammenfassend diese Methoden, die sich im Bereich alttesta-
mentlicher Wissenschaft eingebürgert haben, darzustellen und auf
ihre Geltung zu untersuchen. Wie kommen wir zu literarischen
Analysen und zeitlichen Fixierunaen? Wie zur Gattunqsbestimmnnq,
usf.? (Klaus Kochs Formgeschichte ist ein guter Anfang dafür).
Daß S. K. diese Problematik aufgreift, ist durchaus dankenswert.

Er geht so vor, daß er ein Teilproblem vornimmt, nämlich das
der Datierung der sog. „Gen.-P-Stücke", d. h. der Abschnitte in
Gen. 1 - Ex. 6, die nach ziemlich allgemeinem Urteil „P" zuoe-
schrieben werden; unter ihnen oilt sein Interesse besonders
Gen 17, da er diesem Kap. eine Schlüsselstellung zuschreibt. Im
1. Kap. greift er wissenschaftgeschichtlich die Frage auf, wann
zuerst die Gen.-P-Stücke als nachexilisch angesprochen wurden,
dann die. welche vorherqehenden Entwicklungen zu dieser These
geführt haben, und endlich die, mit welchen Beqrfndunqen sie
dann bis heute, d. h. bis 1960, vertreten wird. Als entscheidendes
Jahr stellt er das Jahr 1869 heraus, in dem Graf noch kurz vor
seinem Tode den Schluß zog, wenn Lev. nachexilisch sei, müßten
es die P-Stücke der Gen. auch sein. Seine Vorläufer waren vor
allem Reuß, Vatke, Georae, dann Kuenen und Popper, d'e aber
alle den entscheidenden Schritt Grafs noch nicht getan haben. Nach
1869 aber ist die exilisch-nachexilische Entstehung auch der Gene-
sis-P-Srücke mit vielfachen Gründen oft vertreten worden. Der
Hauptteil (S. 131-228) ist der Prüfunq der Datierungsargumente
gewidmet, der allgemeinen und der speziellen. Unter den ersten
werden u. a. abgehandelt: das argumentum e silentio. das Argu-
ment der logischen Entwicklung, die Sprache als Datierungsargti-
ment; bei den speziellen kommen verschiedenartige Probleme zur
Sprache, wie Chronologie, Beschneidung, Tholedothformeln und
anderes.

Im 3 Teil versucht K., Gen. 17 zu datieren. Dafür stellt er die
hethitischen und assyrischen Staatsverträge dar, exeoesiert Gen. 17
als Vertrag zwischen Gott und Abraham und folqert dann: Da
dieser Vertrag nach seinem Aufbau genau der Form der hethitisrhen
Staatsverträoe des 2. Tahrtausend entspricht, diese aber nach Ausweis
der andersartigen assyrischen Verträge im 1. Jahrtausend
außer Gebrauch ist, muß auch Gen. 17 in die Zeit des 2. Jahrtausend
gehören. Da dieses Kapitel aber alles, was in den Genesis
vorangeht, voraussetzt, selbst aber Voraussetzung für alles Folgende
ist, muß die Genesis als ganze eben so alt sein. So ..drängt
sich . . . eine Revision der Ansichten über die Komposition der
Genesis auf" (S. 280).

Das Referat zeigt, daß das wichtige und ausführlich behandrltn
Methodenproblem für den Vf. nicht Selbstzweck, sondern Mittel
zum Zweck ist, um die bisherigen Aroumente für eine sperre
Datierung von Gen. 17 und damit d<*r Genesis (bzw. des Penta-,
teuch?) zu entkräften und damit die Möglichkeit zu beweisen, daß
dieses Kap. in das 2 Jahrtausend vor Chr. verlegt und damit als
historisch erwiesen werden kann. Also zurück zur Tradition!

Warum eigentlich nicht? Nachdem vor hundert Jahren der
Anstoß zum großen Umbau der Geschichte Israels gegeben wurde,
kann es doch heute nach so viel neuen Entdeckungen wieder einmal
eine neue Sicht geben, auch wenn diese sich als Wiederaufnahme
der Tradition erweist. Aber so einfach ist ein Neubau
eben doch nicht.

Eine Kritik setzt wohl am besten bei den positiven Themen
des Vf. ein. Die eben angedeutete Argumentation für das Alter
von Gen. 17 ist ein Musterbeispiel für ein argumentum e silentio.