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Ausgabe:

1969

Spalte:

731-733

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Siegmund, Georg

Titel/Untertitel:

Buddhismus und Christentum 1969

Rezensent:

Rosenkranz, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 10

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Unterschied zwischen einem determinierten und einem undeter-
minierten Futurum gefunden zu haben.

Die vorstehenden Bemerkungen wurden nicht gemacht, um den
Wert der Aufsätze herabzusetzen. Sie sollten lediglich zeigen, wie
schwer es ist, hinter den Sinn einer sprachlichen Aussage zu
kommen. Das afrikanische Erbe wird uns noch viele Aufgaben in
der Erforschung und in der Interpretation stellen. Das Wichtigste
in den vorliegenden Aufsätzen ist, daß sie von einer christlichen
Position aus geschrieben sind. Dies schränkt den Wert der völkerkundlichen
Darlegungen nicht ein; im Gegenteil, es zeigt den
Grund, auf dem eine Theologie in den selbständigen Kirchen
Afrikas entstehen kann, die nichts von dem Heilsinhalt des
Christentums preisgibt, die aber ein afrikanisches Gewand trägt.

Einzelnes: Was sind Negrillos in den Wüsten und Halbwüsten
Nord- und Südafrikas (S. 28)? - Ist Mulungu Hochgott der Bena
(S. 45)? Mir ist nur Nguluvi als solcher bekannt. - aye mwine ist
sicherlich nicht Suaheli (S. 48). - 1. utu statt utuz (S. 58), ebenso
S. 62. - L mwami statt mwani (S. 58) und statt mwamiz (S. 59). -
Kann osa, der erste Bestandteil des Edo-Namens für Gott Osa-
nobwa, eine Kontraktion aus orise sein (S. 84)? - 1. Köhler statt
Kohler (S. 100). - 1. Bamum statt Banoun (S. 259).

Marburg Ernst Daramanii

Siegmund, Georg: Buddhismus und Christentum. Vorbereitung
eines Dialogs. Frankfurt/M.: Knecht [1968). 313 S. 8°. Lw.
DM 17,80.

Dies Buch ist ein Glücksfall. Sein Verfasser ist als Philosophie-
Professor mit der griechischen wie mit der europäischen Philosophie
vertraut. Er hat, wie er im Vorwort schreibt, seit Jahren
das Studium des Buddhismus zu seiner Aufgabe gemacht und
Gelegenheit gehabt, es in Japan an Ort und Stelle zu „bereichern".
Wenn er jetzt - das ist das dritte, was seine Arbeit wertvoll
macht - den Versuch eines Dialoges zwischen Buddhismus und
Christentum vorlegt, so tut er das als ein Religionsphilosoph, der
nicht übersieht, dafj Jesus Christus, anders als Sokrates, „mehr
war als ein Weisheitslehrer. Er stellte die Menschen in eine Entscheidung
; er forderte von ihnen Umkehr, Erschließung des
Herzens, Buße" (21).

In der Person des Verfassers sind also drei verheißungsvolle
Voraussetzungen für den ebenso notwendigen, wie schwierigen
Dialog mit Buddhisten gegeben. Die Schwierigkeiten treten im
Eingangskapitel seines Buches »Vor einem Dialog" deutlich heraus.
Da ist der für den Europäer schier unheimliche Synkretismus des
Ostens, ferner die Verständnislosigkeit des Westens gegenüber
dem „absoluten Nichts" des Mahäyäna sowie des Ostens „für so
grundlegende Begriffe wie Gott, Seele, Geist, Gewissen, Gut, Böse,
Person, Sünde, Heil, Erlösung, Gnade, Unsterblichkeit" (20). Genauer
wäre zu sagen: was diese Begriffe meinen, ist in irgendeiner
Form auch dort vorhanden, aber es wird grundanders verstanden
und gewertet. Wichtig nimmt der Verfasser, dafj durch
Johannes XXIII. und Paul VI. der Buddhismus als Religion und
durch das Vaticanum II die „Unruhe des Menschenherzens" als die
„gemeinsame Basis aller Religionen" anerkannt ist (15). Das sind
zwar späte Anerkennungen, aber da sie jetzt offiziell sind, erleichtern
sie dem katholischen Christen den Zugang zum Buddhismus.
Für diesen Zugang fordert der Verf.: „Es muß eine gemeinsame
geistige Plattform geben, von der aus in einem gedanklichen Hin
und Her Klärungen erzielt und gedankliche Fortschritte gemacht
werden können. Dazu bedarf es gewisser wenigstens minimaler
sachlicher Gemeinsamkeiten des Willens und der Fähigkeit, das
Gemeinsame als solches zu erkennen und es anzuerkennen, damit
darauf weiter gebaut werden kann" (19).

Als solche Plattform nimmt G. Siegmund das Werk eines
europäischen Philosophen, das auch in Japan wohlbekannt ist:
die Philosophie Jean Paul Sartres. Im zweiten Kapitel „Das
buddhistische Grunderlebnis" vergleicht er die stark mythologische
Biographie des jungen Gautama mit Sartres „Analyse seiner eigenen
Jugendentwicklung, der er den auf den ersten Augenschein
merkwürdigen Titel ,Die Wörter' gegeben hat" (35). Die Gegenüberstellung
der beiden Viten, die verständlicherweise nicht ohne
Hypothesen auskommt, ist insofern von Wert, als in Sartres
Selbsterlösung ein „säkularisierter Glaube" zum Ausdruck kommt.

von dem sich heute Buddhismus und Christentum gleicherweise
herausgefordert sehen. Das Ergebnis lautet: „Buddha wie Sartre
erleben eine Lebens-Enttäuschung; doch steht sie in dem einen
Falle auf einer ganz anderen Ebene als in dem anderen. Im jungen
Buddha hatte sich überhaupt kein aufreißender Glaube bilden
können; seine Enttäuschung am Leben ist vorgängig und betrifft
schlechthin ,alles'. Anders bei Sartre. Ihn hatte ein selbstgefertigter
Glaube ,auf dem Humus des Katholizismus' aus seinem .taedium
vitae' herausgerissen und seinem Leben für Jahrzehnte einen
großen Schwung verliehen, bis sich ihm der Gegenstand seines
Glaubens als Idol herausstellte" (54). Die Schlußaussagen des
Kapitels scheinen mir in dem steckenzubleiben, was das Mahäyäna
als „weltliche Wahrheit" konzidiert, zu „hinduistisch" gefärbt zu
sein und somit nicht der „höchsten Wahrheit" des Mahäyäna von
der radikalen Vernichtung der Persönlichkeit als dem summum
bonum gerecht zu werden. - Das dritte Kapitel „Der Mensch
zwischen Nichts und All" enthält ausgezeichnete Analysen des
„buddhistischen und christlichen Nichtigkeitserlebnisses"; es benutzt
als Plattform für seine Konfrontation das Nichtigkcitser-
lebnis Sartres, d. h. sein „die geistige Selbst-Habe nihilisierendes
phantastisches Mythologem von der Genese des Bewußtseins" (71).
Entgegen dem buddhistischen Nichtigkeitserlebnis, dem die
„Gefahr einer .mystischen Selbstberauschung' droht", sieht der
„christliche Asket in der Glorifizierung des eigenen Bekehrungserlebnisses
eine große Versuchung, die es zu überwinden gilt"
(84). - In den folgenden drei Kapiteln beschäftigt sich der Verf.
mit der buddhistischen Lehre vom Leiden als dem Unwert
menschlichen Daseins. Als erstes vergleicht er, sich auf Schopenhauer
, Sartre und das Alte Testament stützend, die „Buddhistische
und christliche Leidenslehre". Sein Ergebnis - der „Buddhismus
drängt die Frage nach dem Woher und der Substanz des Leidens
ab"; das „Christentum besitzt eine positive Leidenslehre" (105 f.) -
nötigt ihn „zu einer Grundbesinnung auf das Wesen des Leidens"
(106), der er sich im Kapitel ,,,Leidlosigkeit' durch Selbsterlösung?"
widmet. Hier benutzt Siegmund eine „eigentümliche Zwischenposition
zwischen Buddhismus und Christentum" (107), die stoische
Leidenslehre, um die Möglichkeit der Selbsterlösung zu prüfen; er
verneint sie (118). Seine Untersuchung erreicht ihren Höhepunkt
im Kapitel „Vom Sinn des Leidens". In ihm wird deutlich, daß
dem buddhistischen „Abschieben der Weltverschuldung auf das
Absolute" gegenüber vom Christentum „die Sünde als menschliche
Selbst-Verschuldung" ernstgenommen wird (155). Der Christ weiß:
„Der Mensch soll durch die Leiden dieser Zeit wie durch weckende
Prüfungen hindurchgehen" (160). - Der nüchterne Wirklichkeitssinn
des Verfassers und sein taktvolles Bemühen, dem Gesprächspartner
auf gleichsam neutralem, wertungsfreiem Boden zu
begegnen, ihm aber immer zugleich existentiell „in Christus"
nahezukommen, kennzeichnet auch die folgenden Kapitel „,Seele'
in buddhistischer und christlicher Sicht", „Der vollendete Mensch",
„Gott oder Atman" (Atman ist Maskulinum, nicht Neutrum!),
„Auf der Suche nach dem Absoluten", „Buddha und Christus".
Da wird u. a. festgestellt, daß im Buddhismus unter Einwirkung
des Christentums „der Ruf nach aktiver Caritas wach geworden
ist" (194), daß „andererseits vom Zen-Buddhismus eine wichtige
Belebung des christlichen Gebetslebens erfolgen kann" (215), daß
„dem in sich Verschlossenen ... die absolute Gottcs-Liebe erst
dann glaubhaft erschlossen wird, wenn er sich von einer völlig
selbstlosen Liebe eines christlichen Glaubenszeugen angesprochen
erfährt" (257), daß dem in einer Vielzahl vergangener und künftiger
Buddhas stehenden Gautama Buddha „Jesus Christus als der
einzige von seinem Vater im Himmel als Mittler des Heiles
gesandte Sohn" (288) gegenübersteht. Alle diese Aussagen sind
hilfreich bei der „Vorbereitung eines Dialogs", auch im Dialog
selbst, falls der buddhistische Partner bereit ist, auf ihn einzugehen
; sie enthalten aber auch, was dem Dialog nur dienlich sein
kann, Anlässe zu Fragen, die nicht nur der Buddhist stellen wird,
sondern die schon einen evangelischen Theologen bewegen.

Dem Buch ist ein Kapitel „Vom Kaiserkult zum Gottesglauben"
beigegeben, weil „das religiöse Gesicht Japans nicht nur vom
Buddhismus, sondern auch vom Schintoismus geprägt ist" (Vorwort).
Es hätte dafür einen dem Dialog-Thema angemesseneren inneren
Grund gegeben: die für das religiöse Schicksal Japans in Vergangenheit
und Gegenwart wichtige Symbiose der beiden Religionen
. Sie wird nur gestreift. Daß der Schinto (die Tautologie