Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

689

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Winkler, Jochen

Titel/Untertitel:

Der Kirchenhistoriker Jean Henri Merle d'Aubigné 1969

Rezensent:

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

689

genen geschichtlichen Kenntnissen, sind Beweise von dem hohen
Niveau dieser Parlamentarier. Die Lektüre dieser Reden ist geradezu
ein intellektuelles Vergnügen, ganz abgesehen davon, daß
sie wertvolle Einsichten in einen wichtigen Abschnitt französischer
Innenpolitik vermitteln.

Berlin Karl K u p i s c h

W i n k 1 e r , Jochen: Der Kirchenhistoriker Jean Henri Merle
d' Aubigne. Eine Studie zum Genfer Reveil. Zürich: EVZ-Verlag
[1968]. 166 S. gr. 8° = Basler Studien zur historischen und
systematischen Theologie, hrsg. v. M. Geiger, 12. Lw. DM 19,-.
Die Arbeit Winklers beschäftigt sich, ausgehend vom Genfer
Reveil (Durchbruch 1817, Sammlung zu einer Freikirche im Jahre
1849), mit dem Leben und Werk Jean Henri Merle d' Aubignes
und leistet damit einen dankenswerten Beitrag zur Geschichtsschreibung
der Erweckungsbewegung. Die Herkunft Merle d'
Aubignes aus einer Hugenottenfamilie (geb. 1794), seine Erziehung
im Geiste Rousseaus und die Zeit seiner Ausbildung durch
Schule und Universität in den Jahren 1801-1817 sind neben der
Würdigung des Reveil die Themen des I. Teils des Buches. Das
Reveil wird (S. 27) mit Recht nicht als bloße Restaurationsbewegung
verstanden; es bleibt aber bei Winkler offen, worin neben dem
„existentiellen Bezug* der Reveil-Frömmigkeit denn nun das Proprium
dieser Genfer Erweckungsbewegung zu suchen wäre.

In Berlin war Merle vor allem dankbarer Schüler August Nean-
ders, der die Kirchengeschichte im Geist der Erweckung darstellte
. Von 1818-1823 ist Merle Pfarrer der französischen Gemeinde
in Hamburg gewesen. Über seiner Erweckungspredigt,
deren Wirkung Winkler überschätzt, schieden sich die Geister im
Presbyterium der Gemeinde,»so daß Merle 1823 nach Brüssel
geht, wo er bis 1831 wirkte. Über die Brüsseler Zeit und besonders
über das langjährige Wirken Merles in Genf als Professor
an der „Ecole de theologie" vermag Winklers Untersuchung reichen
Aufschluß zu vermitteln. Von Hengstenberg und Tholuck
erbittet Merle „linientreue Männer für die exegetischen Fächer"
(S. 55). Einwirkung des Irvingianismus führte erstmals zu Krisen
im kollegialen Zusammenspiel, die Diskussion über die Autorität
der Bibel führte endlich dazu, dafj 1850 einer der bedeutendsten
Lehrer, Edmond Scherer, ausschied. 10 von den damals 36 Studenten
folgten ihm. Recht aufschlußreich ist Merles Votum zu
den Fragen des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat. Die
religiöse Restauration sucht er in freiheitlich-demokratischen Formenz
zu verwirklichen.

Der Zweite Teil geht sehr ausführlich auf Merles großes reformationsgeschichtliches
Werk ein. In Anknüpfung an Martin
Schmidt, Carl Hinrichs u. a. arbeitet Winkler schon bekannte
Motive der Erweckungstheologie auch bei Merle heraus. Über
Merles Sicht der Reformation lesen wir: „Für Merle erschienen
die Reformatoren in ihrer vielfältigen Wirksamkeit nach außen
wie Evangelisten der Societe evangelique de Geneve..." (S. 137).
Der greise Verfasser (gest. 1872) mußte noch scharfe Kritik an
seiner Methode hinnehmen. Winklers Studie sollten noch weitere
ebenso gediegene Arbeiten zum Genfer Reveil folgen, damit eine
Gesamtdarstellung der Genfer Erweckungsbewegung in Angriff
genommen werden kann.

Neuendettelsau Friedrich Wilhelm Kantzenbach

GESCHICHTE DER
CHRISTLICHEN KUNST

M a i n k a , Rudolf M.: Andrej Rublev's Dreifaltigkeitsikone. Geschichte
, Kunst und Sinngehalt des Bildes. Ettal: Buch-Kunstverlag
(1964). 84 S. m. 1 Abb., 8 Taf. dav. 4 färb. 8° = Das
große Erbe. Pp. DM 11,80.

Mainka gelingt es in seiner Darstellung vor allem, dem tiefen
spirituellen Gehalt der berühmten Ikone Rublevs nachzuspüren
und ihn darzustellen. Von daher gewinnt er wichtige Einsichten
in das Kunstwerk, indem er Rublev Feofan Grek gegenüberstellt
„Bei Feofan Grek steht jede der dargestellten Personen für sich
da, ist in sich groß und schön. In der ganzen Kunst Rublevs aber
ist jede Person auf die anderen bezogen, ist für die anderen da,
ist bildgewordene Hingabe" (S. 42). Die theologische Deutung
Mainkas ist ebenso vorsichtig wie überzeugend. Neben den dog-

690

matischen Ausführungen stehen feine Einzelbeobachtungen, wie
etwa die Bedeutung eucharistischer und gastfreundlicher Mahlgemeinschaft
. Unaufdringlich versucht Verf. schließlich die Dreieinigkeit
Rublevs als Bild seelsorgerlicher Hilfe verständlich zu
machen. Das schmale Buch sollte als wertvolle Meditationslektüre
einem weiten Leserkreis empfohlen werden.

Halle'Saale Konrad O n a s c h

Hallensleben, Horst: Die Malerschule des Königs Milutin.

Untersuchungen zum Werk einer byzantinischen Malerwerkstatt
zu Beginn des 14. Jahrhunderts. Gießen: Schmitz i. Komm.
1963. 184 S. m. 7 Abb. i. Text, 6 Taf. gr. 8° = Osteuropastudien
der Hochschulen des Landes Hessen, Reihe II: Marburger Abhandlungen
zur Geschichte und Kultur Osteuropas, Bd. 5.
DM 27,-.

Die vorliegende Darstellung stellt den Textband zum s. Z. hier
besprochenen Bildband dar (ThLZ 90, 1965, Sp. 767-769). Das dort
gebotene Bildmaterial wird von Hallensieben einer gründlichen
Untersuchung nach kunsthistorischen, raumfunktionalen, ikono-
graphischen und künstlerischen Gesichtspunkten unterzogen. Dabei
wird auch die Ikonenmalerei in ihrem Zusammenhang mit der
Monumentalmalerei herangezogen. Die Disposition und Ikonographie
der einzelnen Denkmäler werden im organischen Gesamt architektonischer
Anforderungen und der durch den orthodoxen Kultus
bedingten Einteilung des Kirchenraumes mit den speziellen Fun-
tionen der Einzelräume selbst gesehen. Eine Stilanalyse ergab die
Wirksamkeit zweier Meister, die H. mit „Passionsmeister" und
„Georgsmeister" umschreibt, ohne daß gesagt werden könnte, welchen
von beiden man den durch Inschriften bezeugten Meistern
Michael und Eutychios idividuell zuweisen könnte. Interessant
sind die Ausführungen H.s zur Kariye Cami in Konstantinopel,
deren Bildstil er zwar nicht ohne weiteres mit dem der Milutin-
schule in Verbindung bringen möchte (sie zeigen „im Vergleich
mit der derberen Tonart der Milutinschule eine kühle, wenn auch
eher klassische als dekadente Zurückhaltung", S. 176, nur die
Malereien in Studenica stehen denen der Kariye nahe), von dem
sich aber die serbischen Darstellungen als eigengeprägte Leistung
der Paläologenkunst abheben. Im übrigen geht Verf. auf die
Frage nach der nationalen Herkunft der Meister nicht ein. Er
unterzog sich der Aufgabe, die Malerwerkstatt des Königs Mulitin
, d. h. „das Werk verschiedener Maler, die im Auftrage eines
königlichen Stifters gemeinsam an der Ausschmückung von Kirchen
arbeiteten" (S. 14) in ihrer Eigenart und in ihren Wirkungen
darzustellen. Deshalb nehmen Erörterungen über die eigentlichen
Werkstattfragen und die daraus sich ergebenden künstlerischen
Gestaltungsmittel einen eigenen Abschnitt ein. Auf geistesgeschichtliche
Fragen, wie die nach dem möglichen Einfluß des
Hesychasmus auf diese Werkstatt, geht Verf. nicht ein, zweifellos
zum Nutzen seiner klaren Darstellung. Der relativ eng gesteckte
Rahmen derselben erweist sich als sehr fruchtbarer Ausgangspunkt
für weitergreifende Untersuchungen. Der umgekehrte Weg
hat sich gerade in der byzantinischen Kunstgeschichte in der
jüngsten Zeit als Irrweg erwiesen.

Halle/Saale Konrad O n a s c h

PHILOSOPHIE UND RELIGIONSPHILOSOPHIE

Lötz, Johannes B.: Der Mensch im Sein. Versuche zur Geschichte

und Sache der Philosophie. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1967.

668 S. 8° == Philosophie in Einzeldarstellungen, im Auftrag d.

philosophischen Fakultät d. Berchmanskollegs in Pullach hrsg.

v. J. de Vries u. W. Kern, 3. Ergänzungsband. Lw. DM 69,50.

Johannes B. Lötz ist auch im evangelisch-theologischen Raum,
längst kein Unbekannter mehr. Nachdem der erste Band seiner
gesammelten Abhandlungen unter dem Titel „Sein und Existenz"
(Freiburg 1965; ThLZ 91, 1966 Sp. 491) die analytischen Bemühungen
vor allem Heideggers um eine Revision der Seinsvergessenheit
theologisch fruchtbar zu machen suchte, gehen die 26 Aufsätze
des vorliegenden Bandes einen Schritt weiter in dem Vorhaben,
„dem Sein in unseren Tagen Gehör zu verschaffen und so auch der
Bestimmung des Menschen für das Sein zu dienen" (S. 10). Das
ist durchaus theologisch gemeint, wie nicht nur aus der aus-

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 9