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Ausgabe:

1969

Spalte:

684-686

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Friedmann, Robert

Titel/Untertitel:

Glaubenszeugnisse oberdeutscher Taufgesinnter 1969

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 9 684

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die Elevation und die Ordination) und in Königsberg (über die
Höllenfahrt Christi und die Restitution des Wilhelm Gnapheus)
am Schluß der Arbeit. Vielleicht wäre es ratsamer gewesen, diese
Auseinandersetzungen dem übrigen Darstellungsteil zu integrieren
. (Aber über methodische Fragen läßt sich wie in vielen Fällen
so auch hier natürlich streiten.) Schwerer wiegt, daß Seebaß nicht
deutlicher profiliert hat, welchen Stellenwert die „Arbeiten am
Text der Heiligen Schrift' bei Osiander haben (S. 73f.). Auch der
folgende Abschnitt („Exegetisch-systematische Arbeiten") sagt fast
nichts zur Hermeneutik des Nürnberger Reformators (S. 74-80),
sondern beschränkt sich auf Data, etwa der Vorlesungstätigkeit
oder der bibelauslegenden literarischen Arbeit. Seebafj konstatierl
in einem Fall im besonderen (S. 78), aber faktisch auch im allgemeinen
, dafj Osiander mit seinen bibelkommentierenden Versuchen
, in die er „viel Gelehrsamkenit und systematisches Denken"
investierte, „keinen Ruhm" erntete. Natürlich erführe man gern
ausführlicher, warum das denn so war. Vielleicht würden Antworten
an dieser Stelle auch die Hermeneutik Osianders und die
Reserven Luthers gegenüber der Predigttätigkeit des Nürnberger
Reformators (S. 254) deutlicher heraustreten lassen.

Selbst wenn nicht das Lutherverständnis Osianders hier thematisch
war, könnte man zumindest einen Abschnitt erwarten, der
seine Beziehung zu Wittenberg - oder auch zum Humanismus! -
über einzelne Verhaltensweisen hinaus näher in den Blick nimmt.
Daß später die Rechtfertigungslehre vermeintlich zugunsten Luthers
und gegen Melanchthon von Osiander neu auf den Schild
gehoben wurde, hat neben manchen anderen theologischen Fragen
doch sehr wahrscheinlich einen jahrelangen Vorlauf, dessen Untersuchung
das proprium Osianders im Reformatorenkreise vielleicht
etwas präziser herausgehoben hätte.

Die Fülle des Angebotenen ist erstaunlich. Sie erstreckt sich
auch auf Osianders Beschäftigung mit der Astrologie und enthält
sogar einen Exkurs über seine wirtschaftlichen Verhältnisse. Der
Verf. verpflichtet jeden weiteren Bearbeiter des Lebenswerkes
Osianders zu großem Dank. Man wird es gern bescheinigen, daß
der im Vorwort angesprochene Versuch, eine „gebliebene Lücke"
schließen zu wollen, in anerkennenswerter Weise gelungen ist.

Berlin Joachim Rogge

Lausten, Martin Schwarz: Biskop Niels Palladius. Et bidrag
til den Danske Kirkes Historie 1550-60. Kobenhavn: Gads 1968.
205 S. gr. 8° = Kirkehistoriske Studier, II. Raskke Nr. 27,
Udgivet af Institut for Dansk Kirkehistorie under redaktion
af N. K. Andersen og K. Banning.

Mit diesem Buch wird zum erstenmal eine vollständige Darstellung
von Leben und Werk des Bischofs Niels Palladius gegeben.
1552 wurde er Nachfolger des ersten lutherischen Bischofs, Franz
Wormordsen, auf dem alten erzbischöflichen Stuhl zu Lund. Da
Niels Palladius sein Leben lang in der dänischen Forschung im
Schatten seines älteren Bruders Peder Palladius (Bischof von
Seeland in Roskilde 1537-60) stehen mußte, wird mit diesem
Buch ein wesentlicher und in mehreren Punkten auch neuer Beitrag
zur Geschichte der dänischen Reformation geleistet.

Der Verf. gliedert seine Darstellung von Niels Palladius' Leben,
Theologie und Wirksamkeit in drei Hauptabteilungen: 1) eine
allgemeine Biographie, 2) einen Überblick über die Verfasserschaft
und 3) eine zusammenfassende Behandlung a: seiner Auffassung
von Kirche und Amt, b: der von ihm abgehaltenen
Stiftssynoden, c: seiner pastoraltheologischen Ideen und d: der
Art seines Christentums. Nach einer kurzen Zusammenfassung
werden in einem Anhang fünf Beilagen gegeben, hauptsächlich
Briefe und Akten, welche sonst nicht zugänglich sind.

Gleich in der Einleitung zum biographischen Abschnitt führt
der Verf. seine Hauptthese vor, daß Niels Palladius während
seines Wittenberger Aufenthalts (1534-1543) eine starke Einwirkung
von Melanchthon empfing, dessen Methode und Theologie
seine spätere Produktion völlig durchdringen. 1540 war er Magister
geworden, hatte sich im selben Jahr verheiratet und
konnte danach seine Studien fortsetzen, vor allem dank der finanziellen
Hilfe des lutherischen Dänenkönigs Christian III. Erst
1544 kehrte er nach Dänemark zurück, um das Amt des Studienleiters
bei den früheren Birgittinerinnen in Maribo zu übernehmen
, während er gleichzeitig als Helfer des Superintendenten
wirkte; aber bereits zwei Jahre später ist er wieder in Deutschland
(Magdeburg) und kommt von dort zurück, um das Pfarramt
an der Frauenkirche zu Kopenhagen zu bekleiden. Am 24. 4.1552
wird er im Dom zu Lund von seinem Bruder zum Bischof eingesetzt
. Von 1555 an muß er gleichzeitig seinen Bruder Peder
vertreten, der bis zu seinem Tod leidend war; er also war es,
der Salbung und Krönung Frederiks II. im Jahr 1559 vornahm.
Am 17. 9.1560 starb Niels Palladius, ein halbes Jahr nach seinem
Bruder.

Charakteristisch für die 16 größeren und kleineren Schriften
Palladius', die in diesem Buch durchgegangen werden, ist, daß
nicht einmal die Hälfte selbständige Arbeiten sind; unter diesen
findet sich z. B. eine Gelegenheitsschrift „Wider die Trunksucht",
die sich an die Laien wendet. Schriften von Melanchthon, Veit
Dietrich, Coelius, Nie. Hermann, Andr. Musculus u. a. sind durchgehend
seine bevorzugten Vorlagen, und diese werden, wie damals
üblich, fast immer sehr frei behandelt. Zwei Schriften von
Niels Palladius' Hand waren von Bedeutung, nicht bloß für ihre
Zeit, sondern auch danach. Die eine ist eine Obersetzung von Veit
Dietrichs „Summaria christlicher Lehr" von 1546. Seine Übertragung
von Veit Dietrichs Kollekten ging, leicht revidiert, in das
Altarbuch seines Bruders Peder von 1556 ein, und zwar als zweite
Kollektenreihe neben den übersetzten Missalekollekten. Später
verdrängten sie diese und blieben bis heute im Gebrauch. - Die
andere Schrift heißt „Regula quaedam utiles ac necessariae con-
cionatoribus observandae" (1556) j sie ist die erste Pastoraltheologie
auf dänischem Boden. Das Interesse für die Pfarrer kommt
ebenso zum Ausdruck durch das Gewicht, das der Bischof auf die
Abhaltung der Stiftssynoden legte, bei denen der Bischof zweimal
jährlich mit den Pröpsten und einzelnen Pfarrern des Stifts zusammentraf
; dabei wurden die anwesenden Geistlichen in der
rechten Lehre und der Leitung der Kirche unterwiesen; außerdem
wurde der Lebenswandel der einzelnen Pfarrer besprochen.
Überhaupt beschäftigte Niels Palladius sich in mehreren seiner
Schriften eingehend mit dem Privatleben des Pfarrers; er geht
von der Auffassung aus, daß der Pfarrer in allen Stücken ein
nachahmenswertes Vorbild sein soll, bei seinen Studien, bei der
Predigtvorbereitung und in der pastoralen Praxis; mit alledem
soll er sich als ein pflichtbewußter, demütiger und frommer Verwalter
des ihm anvertrauten Amts erweisen: des heiligen Lehramts
. Die lutherische Auffassung des allgemeinen Priestertums
und des die Kirche konstituierenden Worts taucht nicht auf; hier
folgt er Melanchthon, ebenso in andern zentralen Fragen, wie
Prädestination, freier Wille, dritter Brauch des Gesetzes und gute
Werke. Nur an zwei Punkten nimmt er von Melanchthon Abstand
: in der Abendmahlslehre, wo er calvinistisch deutbare Formulierungen
ausschließt, und in der Frage nach dem Verhältnis
zur römischen Kirche, bei der er kein Entgegenkommen zeigt.

Am Schluß weist der Verf. darauf hin, daß der eigentliche
Beweggrund für Niels Palladius' ganze kirchlich-praktische Arbeit
der Gedanke war, „allezeit Menschen zu Christus zu treiben durch
Aufrufe zu Buße, Sündenbekenntnis, Bekehrung". Eben deshalb
kann er die Wendung mitmachen, die in der deutschen Erbauungsliteratur
von 1550 an einsetzt, wo das Gebetsleben individualisiert
wird und das Gefühlsbetonte stark hervortritt, durchsetzt mit
Elementen der spätmittelalterlichen Christusmystik.

Das Verdienst dieses Beitrags zur dänischen Reformationsgeschichte
besteht darin, daß gezeigt wird, wie das moralisch-pädagogische
Interesse der dänischen Reformationsbischöfe ein so dominierender
Faktor wird, daß die wichtigsten lutherischen Grundbegriffe
durch philippistische ersetzt werden, ohne daß man
deshalb einen Widerspruch spürte.

AAus Knud O 11 o « e n

Friedmann, Robert [Hrsg.]: Glaubenszeugnisse oberdeutscher
Taufgesinnter, II. Mit Benutzung der von Lydia Müller f
gesammelten Texte. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus G. Mohn
[1967]. XVII, 318 S. gr. 8° = Quellen u. Forschungen zur Reformationsgeschichte
, hrsg. vom Verein für Reformationsgeschichte,
34. Quellen zur Geschichte der Täufer, 12. Lw. DM38,-.
In einem Abstand von 29 Jahren erscheint der 2. Quellenband
zur Geschichte der oberdeutschen Täufer. Auch er ist mit dem Namen
der früh verstorbenen Herausgeberin des ersten Bandes.
Lydia Müller, verbunden, deren Sammlungen von Robert Fried-