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Ausgabe:

1969

Spalte:

46-48

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Barnard, Leslie W.

Titel/Untertitel:

Studies in the Apostolic Fathers and their background 1969

Rezensent:

Hengel, Martin

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 1

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apokryphe Schrifttum gelegt wird, auf die apokryphen Apostelgeschichten
und Evangelien (besonders auf das Thomas-Evan-
ffelium). Das muß zu einer Verschiebung der Kräfteverhältnisse
führen, und wenn der Verf. behauptet, daß man die Durchschnittsfrömmigkeit
der Gemeinden gerade aus den apokryphen Apostelgeschichten
lernen könne, so ist das weit übertrieben (S. 7). Es
droht die Gefahr einer Verzeichnung.

Sodann vereinfacht er bei einigen Kirchenvätern den Tatbestand,
■weil er sich jeweils nur auf eine bestimmte Stelle stützt und deren
Aussage verallgemeinert, ohne einen Blick für die komplexe Erscheinung
des betreffenden Autors zu besitzen, weil ihm dessen
genauere Kenntnis fehlt. Ich möchte dies an zwei Beispielen erläutern
. Bei Clemens Alexandrinus findet sich nach Meinung des
Verfs. nicht die Nachfolge Jesu als „Motiv zur Askese", weil in
der Schrift „Quis dives salvctur" die Geschichte vom reichen Jüngling
allegorisch ausgelegt wird (S. 9f). Das Bild ändert sich jedoch,
wenn man den „Pädagogen" berücksichtigt, der breit ausführt, dafi
man dem Herrn gerade in der ikiyoStta nachfolgen soll und der
deshalb so besonderen Nachdruck auf die einfache Lebensführung
Jesu gelegt hat. Dies ist aber nur ein kleiner Ausschnitt aus dem
gesamten Gebiet der &ynp6rcc uoc, deren Gewinn unter das Leitmotiv
der Imitatio gestellt wird. Ich habe in meinem Clemens-Buch das Material
übersichtlich zusammengestellt (S. 591f) und zugleich darauf
hingewiesen, daß auch die &y6ni toü BeoC, die der Verf. überhaupt
nicht erwähnt hat, ein bedeutsames Motiv für den Gewinn der
^YHpaxeicc gewesen ist (S. 192).

Das andere Beispiel stammt aus den Apophthegmata und bezieht
sich auf die Behauptung, dafi die Nachfolge sich nicht auf di^
«toTaYn, sondern allein auf die Preisgabe des eigenen Willens erstreckt
(S. 16). Das ist an sich schon unglaubwürdig, wenn man bedenkt
, wie eng für diese Kreise stets die ixoxnyr tou woouou und die
^Mwoun toii SeXritiaTor zusammengehören. Daher findet sich bei
Uorotheus. SvSamaXuii. I, 12, S. 164-166 Regnault (Sources Chre
Lennes 92) und Johannes Climacus, Scala Paradisi, gradus 2.
MSC 88, 656 A die Geschichte vom reichen Jüngling gerade in ihrer
Anwendung auf die 4ito-cayTi. und beide Asketen sind getreue Interpreten
der Wüstenväter, wenn sie auch einer etwas späteren Zeit
angehören.

Manche Einzclzüge sind auch schon früher nachweisbar, als es der
Verf. angibt. So ist bei ihm Methodius der erste, nach dem die Virgi-
nität nicht unmittelbare Nachfolge ist, sondern Mittel, um die
*uoiu0ic zu gewinnen (S. 13). Beides schließt sich nicht aus, sondern
durch die Imitatio wird die 6uoviuoiq wiederhergestellt. Dies liegt
aber ganz in der Linie alexandrini scher Theologie, nach der alle
Vollkommenheit nichts anderes ist als eine neueroberte SuoCwoic

Für die Einzelinterpretation möchte ich die Deutung eines Colo-
bos-Wortcs berichtigen: ipvXroin iirci.v tä ««»loch, t» t5 vcXXiüi Mal
uvmiovcöevv toC oeoff «Akotc (Colobos27, MSG 65, 213 B). Der
Verf. übersetzt: „Gefängnis ist das Sitzen in der Zelle" (S. 98, A1)
aber ipuXm»ff hat hier wie auch sonst die gleiche Bedeutung wie
*POooxii. in diesem Sinne verwendet den Terminus auch Poimen:
p<™ tnpci, iptAoMtiv (137, MSG 65, 356 C).

zum Äufieren mufj die ungenaue und nicht konsequent durchgeführte
Art des Zitierens bemängelt werden, die sich besonders
den Fundorten der Clemens-Zitate störend bemerkbar macht.
Statt Buch. Kapitel, Paragraph, Seite und Zeile anzuführen, findet
s'ch nur Buch und Kapitel, oder die Seite nebst Zeile wird beige-
fü<Jt. oder es steht Bandzahl und Seite ohne weitere Angabc (S. 9,
A 6-8). oder nur das Kapitel (S 10, A 1-2). Nicht viel besser ist es
urn die Zitate aus dem Mt.-Kommentar des Origcnes bestellt, wo
"eben der Bandzahl lediglich die Seite erscheint, zuweilen auch
nieder durch die Zeile vervollständigt (S. 11, A 1-4). Dagegen wird
c'emens auf S. 37. A 3-5 korrekt angeführt, nur liest man hier zu
seiner Überraschung, dafi die Übersetzung von Overbecks mangelhafter
Ausgabe übernommen ist, anstatt daß man Stählins mustergültige
Übertragung zu Rat gezogen hätte. Hier wäre größere
sPrfffalt am Platze gewesen. Das Buch hat seinen Wert in der übe:-
s,chtlichen Darstellung der verschiedensten Motive, die zur Askese
geführt haben, und im Beachten von deren Wandlungen bzw. Neu
bildungen. Dafi im einzelnen sich bei einer genaueren Prüfung Un
Genauigkeiten und Fehldeutungen einstellen, ist bei der Arbeit
Clnes Anfängers nicht weiter verwunderlich, zumal der Umfang des
angeführten Quellenmatcrials selbst die Kräfte eines erprobten
Patristikers auf eine harte Probe stellt.

Mainz Waller Völker

B a r n a r d , L. W.: Studies in the Apostolic Fathers and their
Background. Oxford: Black well {1966]. IX, 177 S. 8°. Lw. 30 s.

Der Band des englischen Gelehrten umfaßt 11 Aufsätze, die teilweise
schon in Zeitschriften erschienen sind, in ihrer Mehrzahl
jedoch für das vorliegende Buch überarbeitet und erweitert wurden
. In einer Einleitung geht der Vf, auf den Begriff der „Apostolischen
Väter" und ihre kirchenhistorischc und theologische Bedeutung
ein (S. 1-4). Es tritt hierbei deutlich die konservative Gesamthaltung
des Autors hervor; er vermutet, dafi Papias noch den
Apostel Johannes hörte (S. 1), und will bei den Apostolischen Vätern
, die „the necessary link between the apostolic age and the
period of the Apologists" darstellen, keine „degeneration" gegen
über der paulinischen Lehre wahrnehmen, sondern vielmehr „an
carnest attempt to sustain various Christian communities in the
faith". Der 1. Aufsatz ist Clemens v. Rom und der domitianischen
Verfolgung gewidmet (S. 5-18). Der Autor hält an der Realität
einer domitianischen Verfolgung fest und möchte neben 1. Gem.
1,1; 7,1 und der Johannesapokalypsc dafür auch die dunkle Nachricht
von Dio Cassius über die Verurteilung des Titus Flavius Clemens
und der Flavia Domitilla wegen „Atheismus" bzw. „jüdischer
bitten" (67,14,2) in Anspruch nehmen. Während eine Verfolgung
einzelner Christen unter Domitian durchaus wahrscheinlich ist,
dürfte jene alte Streitfrage zwischen der christlichen und jüdischen
Geschichtsschreibung kaum mehr eindeutig lösbar sein, zumal, wie
der Vf. selbst zugibt (S. 15), das Zeugnis der Archäologie für ein
christliches Martyrium der beiden nahen Verwandten Domitians
nicht mehr herangezogen werden kann. S. 15-18 sieht er vor
allem in dem Gebet für die Obrigkeit 1. Cl. 60,4-61,2 das Fortwirken
eines „catechetical.. pattern", das schon in 1. Petr 2,13-17,
Rö 13,1-7 und Past. wirksam war. Sollte jedoch nicht eher gerade
dieser Teil des Gebets - wie der Hinweis auf den Frieden der
„Väter" 60,4 zeigt - auf die jüdische Gemeinde in Rom zurückgehen
, die - schon um ihrer Existenz willen - ihre Loyalität
gegenüber der römischen Herrschaft betonen mußte? Der vom Vf.
apostrophierte Gegensatz zwischen der Apok. und 1. Cl. spiegelte
dann zugleich den Gegensatz zwischen der - ursprünglich in Palästina
beheimateten - Apokalyptik und der unerschütterlich loyalen
römischen Gemeinde wider, ein Gegensatz, der in die jüdischen
Ursprünge zurückreicht. Ein 2. Aufsatz (S. 19-30) sucht den religiösen
Hintergrund der Ignatiusbriefe zu erhellen. Rückschlüsse auf
die Situation in Antiochien sind nach ihm nur sehr bedingt möglich
, die Briefe beleuchten vielmehr die Lage in den kleinasiatischen
Gemeinden. Hier kämpft Ignatius nicht gegen zwei Fronten, sondern
gegen einen jüdisch-dokctischcn Gnostizismus. Ein gnostischer
Einfluß ist bei Ignatius selbst bestenfalls in einzelnen Begriffen,
wie etwa ouYn (Magn8,2 vgl. Eph. 19,1) nachweisb.1 , nicht aber
im Zentrum seiner Theologie, die auf der Inkarnation und Sakramentsichre
gründet, eine spezifisch syrische Ausprägung der katholischen
Lehre darstellt und gegenüber Paulus, Johannes und Matthäus
trotz gewisser Berührungen selbständig ist. Hier wäre zu
fragen, ob nicht die für uns schwer rekonstruierbaren Gegner in
KJeinasicn zu sehr vereinheitlicht werden. Leider wurde auf di?
Ausführungen von W. Bauer (Rechtgläubigkeit 65ff.80ff) nicht eingegangen
, wie überhaupt die schon beträchtl: !io Zeit wirksame
gnostische Tradition in Kleinasien zu wenig gewürdigt wird. Ein
starker jüdischer Einschlag ist gewiß bei fast allen gnostischen
Gruppen nachweisbar (zum Begriff der urzeitlichen „Sigc" vgl. Ps.
Philo 60,2; 4. Esra7,30; Sap. 18,14f.), das Postulat einer einheit
liehen jüdisch-doketischen Häresie in Kleinasien z. Z. des Ignatius
führt jedoch zu weit. Die 3. Studie erörtert Probleme des Philipperbriefs
Polykarps (S. 31-39). Die These Harrisons von einer Zweiteilung
des Briefes wird in der Weise modifiziert, dafi der eigentliche
Philipperbrief (c. 1-12) nicht erst rund 30 Jahre nach dem
ersten (c. 13 u. 14) abgefaßt sein soll, sondern nur wenige Jahre
nach dem ersten kurzen Begleitschreiben zu den mit übersandten
Ignatiusbriefen, das entgegen c. 9 des zweiten Briefes den Tod des
Ignatius noch nicht voraussetzt. Der 2. Brief sei dann etwa 120 n.
Chr. entstanden und enthalte in c. 7 noch keinen Hinweis auf Marcion
. Diese Vermutung - wie sie ähnlich J. A. Fischer vertrat - ist,
falls man überhaupt eine Zweiteilung des Briefes vertritt, recht
einleuchtend, sie würde z. B. auch die von H. v. Campenhausen betonte
Nähe der Pastoralbriefc zum Polykarpbrief eher erklären.
S. 41-55 behandelt der Vf. die Juden in Ägypten zwischen 70 u. 135
n. Chr. Leider hat er dabei die grundlegende Darstellung der iü-