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Ausgabe:

1969

Spalte:

671-672

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Steyer, Gottfried

Titel/Untertitel:

Satzlehre des neutestamentlichen Griechisch 1969

Rezensent:

Schley, Lothar

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Seite 1

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671

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 9

672

Es ist noch ein gewisser „historischer Fundamentalismus" anzumerken
, vgl. 294: „Le premier evangile... pose son message sur
la base de l'histoire. Sa narration est vraie et sincere" (vgl. auch
96; 140f.; 146; 149; 156f.; 244). Dieser Eindruck legt sich für den
Verfasser wohl nahe, weil Matthäus bei ihm so „kirchlich" engagiert
ist. Dafj Matthäus als Schriftsteller Jesus Dinge zuschreibt,
die in der ihm vorgegebenen Tradition nicht enthalten sind; dafj
er durchaus Unhistorisches erzählt und vorstellt; was er damit
beabsichtigt, worin das begründet sein mag und welche Gefahr er
damit heraufbeschwört - solche kritischen historischen Fragen
werden in der vorliegenden Arbeit nicht berücksichtigt.

Der Redaktor erscheint wieder als Semit, als Judenchrist (287)
und „guter Schriftgelehrter" (33), der von seiner Herkunft her das
Siegel jüdischer „Mentalität" in sich trägt (288f.). Das Desiderat in
dieser Hinsicht ist: Mehr bewußtes Fragen nach dem Eigentum
des Evangelisten als literarischer Person jenseits seiner „jüdisch"
geprägten Quellen; eine subtilere, methodischere Scheidung von
Tradition und Redaktion als Voraussetzung zur Frage nach dem
Autor.

Corrigenda S. 36, Zeile 8 von oben: es gibt 6 Fälle; 8,19 (Lk 9,57) fehlt. —
S. 116, erste Zeile von unten; on presse statt on pressent. - S. 167, Zeile 6 von
oben: es mufj heifjen .une source ecrite autre que Mk" (nicht Mt). - S. 210, Zeile 11
von oben: ecclesial statt eccllesia.

Stuttgart Rolf Walker

Steyer, Gottfried: Satzlehre des neutestamentlichen Griechisch.

Berlin: Evang. Verlagsanstalt (1968). 163 S. gr. 8° = Handbuch
für das Studium des neutestamentlichen Griechisch, 2. Hlw.
M 14,20.

Im Jahre 1962 legte der Verf. als Band I seines Handbuches für
das Studium des neutestamentlichen Griechisch die Formenlehre
vor (besprochen in ThLZ 89, 1964 Sp. 844-846). Die jetzt erschienene
Satzlehre schließt sich als Band II des Handbuches eng an
die Formenlehre an (fortlaufende Kapitelzählung, gemeinsame
Register in Band II; leider ist die redaktionelle Einheitlichkeit der
Stellenangaben in I und II nicht gewahrt). Das mutige Unternehmen
des Verf.s verdient Anerkennung, einmal wegen der Schwierigkeit
, den Stoff in seiner Fülle einigermaßen übersichtlich dar
zubieten, zum andern wegen der Problematik einer ausschließlich
auf das NT gegründeten Grammatik überhaupt. Hiervon erfährt
der Benutzer des Buches freilich nichts. Die Sprache, die er
erlernt, ist für ihn das Griechisch jener Zeit schlechthin. Von
literarischer Koine wird nicht gesprochen. Die Rolle der LXX
im NT bleibt verborgen. Das Wort „attizistisch" fällt nur einmal
(Kap. 31 G). Wer Belehrung über diesen Begriff wünscht, muß
schon auf das Einleitungskapitel zur Formenlehre (Bd. I, S. 15)
zurückgreifen, wo der Attizismus beiläufig erwähnt wird. Die Heranziehung
des Attischen ist in der Satzlehre auf wenige zählbare
Fälle eingeschränkt. Fachbezogenes Studium ist der Grundsatz,
wobei als Fachgebiet ausschließlich das NT gilt. Ist das nicht
doch „fachkursmäßige Enge", von der sich der Verf. im Vorwort
(Bd. I, S. 9) distanziert?

Es lag nicht in der Absicht des Verf.s, eine im engeren Sinne
wissenschaftliche Satzlehre zu schreiben: Literaturhinweise fehlen
völlig, Handschriften werden nicht genannt, Textvarianten kommen
nur in einigen begründeten Fällen zur Sprache. Das Buch soll
vielmehr als Nachschlagewerk und Repetitorium, zugleich aber
auch als Grundlehrbuch dienen. Diese mehrfache Zwecksetzung
ist dem Werk nicht förderlich gewesen. Wer das Buch als Nachschlagewerk
benutzt, muß zwangsläufig die für Anfänger bestimmten
elementaren Erklärungen als lästig empfinden. Der
Anfänger hingegen wird durch die Fülle des gebotenen Stoffes
verwirrt, so sehr sich auch der Verf. um hilfreichen Beistand
bemüht. Dies geschieht durch Kennzeichnung der Grundregeln
mittels seitlicher Markierung, weiterhin durch sorgfältige Übersetzung
aller griechischen Zitate. Es bleibt abzuwarten, inwieweit
sich das angekündigte Übungsbuch (Bd. III) auf die markierten
Stellen bezieht. Der Anfänger in der Lektüre des NT wird
unweigerlich auch in den „normalen" Text der Satzlehre geraten,
wenn nicht gar in jene Abschnitte von kleinerer Druckart, die
sich mit den Besonderheiten befassen.

Als Textgrundlage benutzt der Verf. das Novum Testamentum
Graece von Nestle-Aland, den grammatischen Stoff schöpft er
aus der Grammatik des neutestamentlichen Griechisch von Blaß-
Debrunner. Die getroffene Auswahl darf als gelungen bezeichnet
werden. Mitunter bietet der Verf. eigene Ansichten (Bestreitung
des gnomischen Aor. für das NT, Einführung eines „sakralen
Aor."; Behauptung eines vorzeitigen Inf.Perf. an Stelle des
Inf.Aor.). Im allgemeinen folgt der Verf. dem Anordnungsschema
der Grammatik von Blaß-Debrunner. Auf den Abschnitt über die
Komposition der Worte (Figuren) wird verzichtet, dafür erscheint
als Anhang ein Kapitel zur Wortbildungslehre. Den Abschluß des
Buches bilden ein ausführlicher „Wegweiser durch den grammatischen
Stoff", ein griechisches Wortregister, ein Stellenregister
und ein alphabetisches Sachregister. Wegweiser und Registerteil
kommen dem Buch in seiner Bestimmung als Nachschlagewerk
sehr zugute.

Der Verf. hat dafür Sorge getragen, daß sich das Buch in einem
Zuge durcharbeiten läßt. In den Beispielen aus dem NT-Text sind
Vorgriffe auf später zu Behandelndes vermieden. Gelegentlich
helfen Vorverweisungen oder Fußnoten (Hinweise fehlen zur
Häufung von Negationen in 45 Y; Fußnote 24 zu 44 U hätte schon
44 I gegeben werden sollen). Nachteilig wirkt sich aus, daß manches
Elementare unerwähnt bleibt, weil es schon in der Formenlehre
behandelt wurde (z. B. histor.Aor., Rückgang des Superlativs
). Diese Dinge gehören aber zum Gesamtbild einer Satzlehre.
Eine Komplettierung in diesem Sinne würde dem Buch einen größeren
Benutzerkreis sichern.

Bedauerlicherweise ist die Wiedergabe der griechischen Buchstaben
im Druck nicht immer einwandfrei, r fällt mitunter völlig
aus, andere Buchstaben und der Akzent leiden bisweilen an
Mangelerscheinungen. Der Verf. versieht alle Oxytona, die nicht
vor einem Satzzeichen stehen können, grundsätzlich mit einem
Gravis, auch wenn sie außerhalb einer Wortverbindung als Vokabeln
genannt werden (z. B. nept aber 5g ). Dieses Verfahren
wirkt störend und sollte zugunsten einer einheitlichen Akutsetzung
im Vokabelfall aufgegeben werden. Der Verf. achtet
immer auf eine leicht verständliche Darstellungsweise. Trotzdem
sollte im Hinblick auf spätere Arbeit mit wissenschaftlichen Werken
der gängige terminus technicus bei gewissen Erscheinungen
nicht verschwiegen werden (z. B. 45 N Prolepsis, 48 AD Ellipse
[38 X genannt!), 48 E Anakoluth). Im Kapitel über den Dativ (34)
vermißt man einen Hinweis auf den Dativ der Beziehung, der
nur in 32 K im Anschluß an den Akkusativ der Beziehung behandelt
wird. 45 E : „Nach Ttptv (sie!)____ ist nur Inf. möglich

(44 VV) Das deckt sich nicht mit Wortlaut und Inhalt von
44 VV. S. 139, 38 F : „Artikellosigkeit bei outoq s prädikativ'.
Das einzige in 38 F vorgeführte Beispiel zeigt ocvrcT] als Subjekt
. Der Hinweis auf 31 A bekräftigt dies.

Einige Versehen bzw. Druckfehler:

s.

15

(32 A)

<5cTEQOTp6<pe tv
2 K 13,2

(nicht wocrpetpeLv)

s.

31

(35 N)

(nicht 2 K 13,22)

s.

50

(38 X)

ivocrl

(nicht LvcrcC )

s.

84

(44 LL)

muß es zweimal „verallgemeinernd" heißen

s.

92

(45 U)

s. 45 VW

(nicht 45 W)

s.

110

(47 K)



(nicht r\iäq)
(nicht avueoc;)

s.

112

(47 P)



s.

117

(47 HH)

Y<*P

(nicht yap)

s.

158

zu Ap 2,11 : 32 A

(nicht 31 A)

Im Vorwort zur Formenlehre (Bd. I, S. 9) stellt der Verf. fest
daß es bisher keine Schulgrammatik für das neutestamentliche
Griechisch gibt, „die sich von einer der Sache abträglichen Bevormundung
und Beeinflussung durch das klassische Griechisch frei
hielte und andererseits in ihrer Gediegenheit den klassischen
Schulgrammatiken zu vergleichen wäre". In der Satzlehre des
Verf.s ist von einer Bevormundung oder Beeinflussung durch das
Attische nichts zu spüren. Die Gediegenheit der klassischen Schulgrammatiken
konnte allerdings bei weitem nicht erreicht werden.
Den Verf. trifft keine Schuld. Dieser Mangel liegt vielmehr im
Stoff begründet, dessen uneinheitlicher Charakter sich einer geradlinigen
Darstellung widersetzt und für den Lernenden allzu
oft den Eindruck einer vollkommenen Regellosigkeit und damit
eines heillosen Durcheinanders entstehen läßt. Man sollte den
Mut haben, dies zu erkennen und auszusprechen.

Le'Pri8 Lothar S c h I e y