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Ausgabe:

1969

Spalte:

667-668

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Goppelt, Leonhard

Titel/Untertitel:

Christologie und Ethik 1969

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Seite 1

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667

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 9

658

Goppelt, Leonhard: Christologie und Ethik. Aufsätze zum
Neuen Testament. Güttingen: Vandenhoeck & Ruprecht (1968).
276 S. gr. 8°. Kart. DM 18,80.

Der Band, eine Abschiedsgabe an die Hamburger Freunde
(3.5), gehört nicht in die Reihe der üblich gewordenen umfassenden
Sammlungen von Aufsätzen eines Autors, sondern zu den
selteneren Zusammenstellungen ausgewählter Arbeiten zu einem
begrenzten Thema. Hier geht es um den „Sinn der Sendung Jesu
und die Gestaltung menschlichen Lebens durch sie", ein Thema,
hinter dem heute in besonderer Weise „die Frage nach Gott"
steht (5). Der erste, dritte und vierte der 13 Beiträge behandeln
die Frage nach der Bedeutung der Person Jesu auf Grund der
Synoptiker, der zweite, bisher ungedruckte, erörtert „Das Problem
der Bergpredigt" an Hand von Mt. 5,17-48 (27-43), der fünfte
„Das Osterkerygma heute" (79-101). Die letzten sieben haben es
überwiegend mit Paulus zu tun, auch wenn hier in den Aufsätzen
„Der Staat in der Sicht des Neuen Testaments" (190-207) und
„Die Freiheit zur Kaisersteuer" (208-219) über das Corpus Pauli-
num hinausgegriffen wird; beide versuchen - in verschiedener
Weise -, das Problem in dem größeren Zusammenhang der escha-
tologischen Existenz des Christen in der Welt zu sehen. Dazwischen
steht der sechste Aufsatz „Die Herrschaft Christi und die
Welt" (102-136) als eine Art Bindeglied.

Der erste Aufsatz wird eingeleitet durch einen Uberblick „Zu
der Frage nach dem geschichtlichen Jesus" (Untertitel); „Der
verborgene Messias" (11-26) ist Jesus nach dem eigenen Verständnis
seines Auftrags. „Zum Problem des Menschensohns" (66-78)
ergibt sich entsprechend, dafj Jesus selbst Aussagen über sich als
den gegenwärtigen, den leidenden und den in der Parusie kommenden
Menschensohn gemacht hat. „Das Verhältnis von Leidens
- und Parusieankündigung" (Untertitel), formal ihr Unver-
bundensein, ist begründet in ihrem „verschiedenen existentiellen
Bezug": die erste „deutet den Jüngern Jesu Weg nach Jerusalem",
die zweite macht... die Entscheidungssituation gegenüber Jesus
deutlich" (75). - Die sorgfältige Begründung der Rückführung
der entscheidenden Aussagen auf Jesus zu diesem und anderen
Aufsätzen muß man bei G. selbst nachlesen; sie verwendet ihrerseits
historisch-kritische Maßstäbe (vgl. unten) und fragt nach
dem Ort im geschichtlichen Wirken Jesu. - Das wird auch in
dem (bisher ungedruckten) Beitrag über die „Begründung des
Glaubens durch Jesus* sichtbar (44-65). Zum Glauben kommt
es „nicht durch die allgemeine Predigt Jesu, sondern erst durch"
die Einzelbegegnung mit ihm (52), wie besonders an den Heilungsgeschichten
exemplarisch gezeigt wird. Denn den Glauben
begründet „Jesu Helfen und Vergeben in Zuwendung an den einzelnen
" (62). Glaube „entsteht, weil Jesus an Gottes Statt Heil
wirkt" (59).

Auch die Osterbotschaft bezieht sich auf eine „Offenbarung Gottes
in der Geschichte" (97). In dem Auferstandenen „bietet sich . . ,
wie schon in den Erdentagen, durch Jesus Gott zur Gemeinschaft
dar" (92). Die Erscheinungen sind personhafte - d.h. auch leibhafte
(94) - Begegnungen (93), aber „nicht durch Augenschein konstatierbare
historische' Vorgänge" (91). Die Aussage der Jünger
über sie bezeugt Widerfahrenes, sie ist nicht aus jüdischen Vorstellungen
erschlossen (90); die Erwartung der jüdischen Apo-
kalyptik gab nur den Vorstellungrahmen (95). Eine entsprechende
Zurückhaltung (vgl. auch unten zum letzten Aufsatz) zeigte sich
schon in bezug auf eine religionsgeschichtliche Ableitung der
Vorstellung Jesu vom Menschensohn usw. (73; „Jesus hat nicht
religionsgeschichtliche Synthesen konstruiert", „der leidende Gerechte
und die Menschengestalt in ihrer Ambivalenz" sind lediglich
Ansätze für den Gedanken des leidenden Menschensohns, 76).

Die Paulusbriefe spielen schon in dem Aufsatz über die Herrschaft
Christi eine Rolle. Die betreffenden Texte (zumal im Kol.)
besagen nicht, da5 die Welt „schon von ihm regiert wird" (127);
die Herrschaft Christi ist „verborgen in Kreuz und Auferstehung
... gesetzt", und diese Setzung soll im Glaubensgehorsam
verwirklicht werden (125), also in der ecclesia (126). - Es folgen
eine neue Interpretation von Rom. 2,21 f., „Der Missionar des Gesetzes
" (137-146), d. i. der Gesetzeslehrer, der mit Hilfe der Kasuistik
dem Gebot Gottes ausweicht, und der Beitrag „Versöhnung
durch Christus" (147-164). In „Israel und die Kirche, heute und bei
Paulus" (165-189) skizziert G. zunächst die gegenwärtige Problematik
und ihre Vorgeschichte, sodann an Hand des Römerbriefes
die Paulinischen Aussagen über den Juden als den Gott Ungehorsamen
, über Israel als Bundesvolk und über die bleibende Gültigkeit
der Verheißung Gottes (173-186). Die beiden letzten Abhandlungen
, im Paulusteil wohl die wichtigsten, fragen nach der
Paulinischen Typologie unter der gemeinsamen Überschrift „Zur
hermeneutischen Problematik". Der erste, „Paulus und die Heilsgeschichte
: Schlußfolgerungen aus Rom. 4 und 1. Kor. 10,1-13"
(220-233), stellt heraus, dafj die typologische Beziehung zwischen
alt- und neutestamentlichem Geschehen bei Paulus allerdings für
Gottes Handeln in der Geschichte bestimmend ist, daß sich mit
ihr dagegen weder der Gedanke einer geschichtlichen Kontinuität
noch der zweier sich ablösender Epochen verbindet. In „Apo-
kalyptik und Typologie bei Paulus" (234-267) wendet sich G. zunächst
gegen eine Überbewertung der - auch nach ihm bedeutsamen
- von der Apokalyptik herkommenden Tnterpretamente in
der Paulinischen Theologie und verweist auf die wesentlichen
Umprägungen der apokalyptischen Geschichtsschau bei Paulus
von der neuen Mitte her (237-244). Im Hauptteil erhellt G. Eigenart
und theologische Bedeutung der Paulinischen Typologie - „Der
Typos ist... ein Geschehen zwischen Gott und Mensch auf das
in Christus erschienene Heil hin, das von der Schrift bezeugt wird
und ein entsprechendes Geschehen in der Endzeit vorausdarstellt
" (246f.) -, fragt nach ihrem Ursprung (Hinweise liegen im
Alten Testament vor, der eigentliche Ansatz ist bei Jesus gegeben)
sowie nach der theologischen Legitimität der typologischen Betrachtungsweise
und schließlich nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden
zwischen Apokalyptik und Typologie als Interpretamen-
ten des Christusgeschehens. Die letzte erscheint ihm als die bei
Paulus wesentlich bedeutsamere Deuteweise. Wie sonst in Aufsätzen
des Bandes zu verwandten Themen, werden auch in diesen
beiden verschiedene Aspekte und Verbindungslinien sichtbar.

Diese Hinweise müssen genügen, zumal angesichts der Aussagendichte
der meisten Aufsätze. In den durchdachten Formulierungen
wird sichtbar, wie G. in der Darstellung als Exeget das
Ganze etwa der Theologie des Paulus im Blick hat oder Verkündigung
und Werk Jesu in einem geschlossenen Verständnis interpretiert
, „in einem ständigen kritschen Dialog zwischen
historischer Analyse und theologischem
Verstehen" (85; Kursiv dort). Hier wird freilich der kritische
Dialog mit dem Autor in besonderer Weise einsetzen. Die Aufsätze
sind ihrerseits am Gespräch der Gegenwart - auf das nicht selten
auch ohne förmlichen Verweis mit bestimmten Formulierungen
angespielt wird - intensiv beteiligt. Dem Rez. erscheint es einmal
vor allem bedeutsam, daß durch G. eine spezifische Vorstellung
von der Aufgabe einer biblischen Theologie des Neuen Testaments
an entscheidenden Aussagebereichen exemplarisch vorgeführt
wird, die die modernen Methoden der Analyse benutzt, ohne
o. w. die Voraussetzungen zu übernehmen, unter denen sie heute
weithin vor allem angewandt werden. Sodann erscheint es mir an
gesichts der gegenwärtig üblichen Betonung des Abstandes zwischen
den Ausformungen der urchristlichen Verkündigung, die die
Verbindlichkeit der neutestamentlichen Verkündigung neutralisiert
, beachtenswert, daß hier schon durch die bloße Darstellung
neben der Differenziertheit ebenso der sachliche Zusammenhang
zwischen ihnen sichtbar wird, insbesondere auch der zwischen
Werk und Botschaft Jesu und der Verkündigung der Urchristenheit.

Es wäre zu begrüßen, wenn eine Sammlung von weiteren Aufsätzen
unter thematischen Gesichtspunkten - zunächst etwa unter
dem Stichwort Kirche im Neuen Testament - das geschlossene
Verständnis des Urchristentums und seiner Verkündigung bei G.
eindrücklich werden ließe.

Halle/Saale Gerhard Delling

Schenk, Wolf gang: Der Segen im Neuen Testament. Eine
begriffsanalytische Studie. Berlin: Evang. Verlagsanstalt (1967).
191 S. 8° = Theologische Arbeiten, unter Mitarb. v. E. Fascher,
A. Jepsen, F. Lau, A. D. Müller, E. Schott hrsg. v. H. Urner, 25.
Kart. M 13,-.

Die Abhandlung, die 1964 in Jena als theologische Dissertation
angenommen worden ist, ist einer dreifachen Aufgabe gewidmet:
eine Ergänzung zum Artikel eulogein/eulogia des Theologischen
Wörterbuches zu liefern, einen in den Kommentaren oft nicht genügend
beachteten Begriff genauer zu untersuchen und „die Tendenzen
, die einem mehr oder weniger bestimmt geprägten Segensbegriff
theologisch-liturgischen Grundlagenwert zusprechen wol-