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Ausgabe:

1969

Spalte:

661-662

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Coats, George W.

Titel/Untertitel:

Rebellion in the wilderness 1969

Rezensent:

Bič, Miloš

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Seite 1

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Allgemeinheiten, sondern in einem spezifischen Theologoumenon.
Das Christliche wird hier nicht mediatisiert, sondern tritt als Herz
des Menschlichen in Erscheinung.

W. vereinigt das Wissen des Exegeten mit der Sorge um das
Leben der Kirche, wenn er sein Buch in der Forderung ausklingen
läßt: .Es muß Klarheit darüber geschaffen werden, was die Kirche
in diesen [den Segens-]Handlungen tut" (110).

Basel John Htnnig

Coals, George W.: Rebellion in the Wilderness. The Murmuring
Motif in the Wilderness Traditions of the Old Testament. Nash-
ville- New York: Abingdon Press (1968]. 288 S. 8°. Lw. $6,50.
Im Vorwort erwähnt der Verfasser, da5 seine Studie vor allem
unter der Leitung des Göttinger Alttestamentiers W. Zimmerli
entstanden ist. Als praktische Vorbereitimg diente ihm die Arbeit
im Seminar von Prof. B. S. Child an der Yale University (USA).
Stark war er auch beeinflußt durch das Werk des inzwischen verstorbenen
Prof. M. Noth.

Über die Wüstenwanderung finden wir im A. T. zwei klar zu
unterscheidende Traditionen: einmal ist es eine ideale Zeit der
Gemeinschaft zwischen Gott und Volk (vgl. Jer. 2,2), zum anderen
Mal aber eine Zeit des Abfalls Israels von seinem Gott und
der Widerspenstigkeit des Volkes (vgl. Hes. 20,10ff). Die vorliegende
Studie bemüht sich, die Spannung zwischen beiden Traditionen
zu lösen, indem sie den Ursprung der negativen Einschätzung
der Wüstenwanderung verfolgt. Das geschieht zunächst
durch eine lexikale und form-kritische Analyse (S. 21-43), auf die
eine traditionsgeschichtliche Analyse folgt (47-248). Die Ergebnisse
werden übersichtlich zusammengefaßt (249-254) und durch
drei Anhänge ergänzt (2Mose5,21 6,9; 3Mose 10,1-7; 4Mosel2).
Eine ausführliche Bibliographie, in der auch unpublizierte Dissertationsarbeiten
angeführt sind, und zwei Register schließen das
Buch ab.

Nach G. v. Rad .war die Wüstenwanderung die Zeit des reinsten
Verhältnisses, der ersten Liebe zwischen Jahwe und Israel"
(Theologie L, 281). Je mehr aber Israel die Führung durch die
Wüste als ein Geschehen von höchster Wunderhaftigkeit zu sehen
gelernt hatte, um so dringlicher stellte sich die Frage, wie sich
denn nun Israel in dieser Zeit bewährt hatte. Die Antwort darauf
lautet zunehmend negativ bis hin zu dem vernichtenden Aspekt
von Hes. 20 (ebd. 282). Von dieser Erkenntnis geht Coats aus
(S. 13), fragt sich aber, was also der ursprüngliche Sinn der Erzählungen
war, wenn wirklich das Motiv des Murrens erst sekundär
an sie herangekommen ist (vgl. M. Noth, Uberlieferungs-
geschichtc des Pentateuch, 1948, S. 136), und warum dies Motiv
in sie eingearbeitet wurde (15f.). Im Pentateuch überwiegt das
negative Einschätzen der Wüstenwanderung, die mit einem ständigen
Murren Israels verbunden war. Ein einfaches Schema: Gottes
Rettung - Israels Undank - Gottes Strafe führt zu keiner befriedigenden
Lösung, da sich das Motiv der Rettung mit dem der
Strafe überschneidet. Eher mufi man mit zwei Traditionsschichten
rechnen.

Das Ergebnis der lexikalen Untersuchung der in Frage kommenden
Verben bringt eindeutige Beweise dafür, daß das Murren des
Volkes Ausdruck seiner Feindseligkeit jemandem gegenüber war
(21-28). Auf dieser Unterlage baut dann Coats seine formkritische
Analyse auf. Vom Murren wird stets in Verbindung mit konkreten
Lebenssituationen gesprochen. Das Volk wendet sich da gegen
seine Führer Mose und Aaron und klagt sie an (29f.). Beide haben
jedoch nur im Auftrag Jahwes gehandelt, so daß die Rebellion des
Volkes sich eigentlich gegen Jahwe selbst richtet. Formgeschicht
lieh haben wir es mit Gerichtsreden zu tun (35), deren Untergattungen
der Verfasser an verschiedenen Bibelstellen näher untersucht
und herausarbeitet.

Nach diesen mehr allgemeinen und formalen Untersuchungen
folgt der Hauptteil des Buches, die exegetische und traditionsgeschichtliche
Analyse der Texte: a) Wasserquellenerzählungen
(2 Mose 15,22-27 17,1-7 4 Mose 20,1-13), b) Speisungserzählungen
(2 Mose 16,1-35 4 Mose 11,4-34 21,4-9 11,1-3), c) übrige Erzählungen
(2 Mose 13,17-14,31 4 Mose 13-14 16-17; Exkurs 2 Mose 32,1
Ws 33,6), d) nicht-erzählende Texte (5 Mose 1,20-46 9,7-10,11 Ps 78
106 Hes 20 Neh9).

Die biblischen Stoffe haben einen komplizierten Kristallisations-
Prozofi durchgemacht. Die ältesten Ansätze zur Rebell ionsrradi-

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tion finden wir bereits beim Jahwisten; sie bildet jedoch keinen
homogenen Bestandteil seiner Erzählungen (249). Trotzdem bildet
sie ein geschlossenes System. Was den Elohisten betrifft, kann ihm
mit Gewißheit kein Bericht über das Murren des Volkes zugeschrieben
werden. (251).

Aus der jahwistischen Wiedergabe läßt sich ein deutlicher pro-
judäischer Ton bemerkbar machen. Das ganze widerspenstige Geschlecht
kommt um; eine Verheißung gibt es nur für Kaleb -
und der gehört zum Verband Judas (251). Noch deutlicher ist die
pro-judäische Tradition in Ps78,67f erhalten. Von da aus kann
man sogar den Schluß ziehen, daß den Anlaß zur ganzen Rebellionstradition
der Abfall der nordisraelitischen Stämme vom Hause
Davids gegeben hat. Vergebens hat Jeroboam I. dem Volk klarzumachen
versucht, daß der Gott des Exodus nur in Bethel und
Dan zu finden sei. In Jerusalem war man anderer Meinung. Die
Tradition vom Murren des Volkes stellt eine Ablehnung des nordisraelitischen
Kultes dar. Als ihr Sitz-im-Leben ist das herbstliche
Thronbesteigungsfest (d. h. das Laubhüttenfest) anzusprechen. Das
Volk stand da vor Gott und bekannte seine und seiner Väter
Widerspenstigkeit. Eine starke deuteronomistische Prägung ist
nicht zu verkennen. Den Abschluß dieser Tradition finden wir in
Texten wie Neh 9 und Ps 106 (248). Die verdiente Strafe wurde im
Exil abgebüßt; gegenwärtig darf also der Rest des Volkes die
gnädige Hilfe Gottes erwarten.

Abschließend darf man sagen, daß es sich um ein anregendes
und gut fundiertes Buch handelt, das dem Leser manchen neuen
Blick in die alttestamentlichen Traditionen erschließt. Die hier
vorgelegten Erkenntnisse wird künftig kein Exeget unbeachtet
lassen dürfen.

Praha Miloi B i c

Nicholson, E. W.: Deuteronomy and Tradition. Oxford:

Blackwell 1967. XII, 145 S. gr. 8°. Lw. 25 s.

Der einleitungswissenschaftliche Beitrag des bereits bekannten
Verfassers geht auf die Dissertation, die er 1964 in Glasgow einreichte
, zurück. Seine charakteristische Gliederung des Stoffes in
ein geschichtliches, ein literarkritisches und vier traditionsge-
schichtliche Kapitel spiegelt die bereits im Titel angedeutete gegenwärtige
Forschungslage wider, von der Nicholson erklärt: .The
study of Deuteronomy is therefore a study in the history of tra-
dition" (S. 121). In die vielseitigen und schwierigen Probleme des
Deuteronomiums (Dtn.) führt er gut hinein. Wie erforderlich eine
Zusammenfassung heute ist, zeigt uns das fast gleichzeitige Erscheinen
des forschungsgeschichtlichen Überblicks von Sigrid Lo-
ersch, Das Deuteronomium und seine Deutungen, Stuttgart 1967
(vgl. ThLZ 93, 1968, S. 425f.). Geht Loersch chronologisch und betont
werturteilsenthaltsam vor, bietet Nicholson eine eingehende
Sachdiskussion der auseinandergehenden Ergebnisse und versucht
daraus einen eigenständigen Beitrag zu erarbeiten. Seine Ergebnisse
haben wir darum hier kurz zu skizzieren.

In der historischen Frage nach dem Verhältnis des Dtn. zur Reform
des Josia modifiziert Nicholson die bekannte These de Wet-
tes zugunsten von 2. Chron. 34.35 (gegen W. Rudolph, Chron.,
1955, S. 319ff.), die wichtige Reformen bereits im 12. Regierungsjahr
Josias, also vor dem Gesetzesfund anordnen. Daher gliedert
er das Reformwerk Josias in zwei Phasen. In der ersten von 630
bis 621 ließ Josia aus nationalem Unabhängigkeitsstreben assyrische
und ausländische Kulte aus Jerusalem und Juda entfernen.
Die zweite nach 621 ist durch die Forderungen des aufgefundenen
Gesetzbuches bestimmt. Um seine Bedeutung zu betonen, hat
2. Kön. 22.23 beide Reformmaßnahmen Josias zusammengezogen
und auf die Zeit nach 621 konzentriert.

Durch die umfangreichen Beiträge zum literarischen Problem,
vor allem zum .Urdeuteronomium' und den „Du- und Ihr-Stük-
ken", führt Nicholson zielstrebig auf die Ansichten von M. Noth
und G. M. de Tillesse. Das Urdeuteronomium ist somit in den singularischen
Abschnitten in Dtn. 5-26, sowie teilweise in Kap. 28
enthalten. Der deuteronomistische Geschichtsschreiber hat seinen
Rahmen darumgelegt und es seinem Geschichtswerk einverleibt. Er
hat auch die meisten Pluralstücke in Dtn. 5-30 hinzugefügt, besonders
auffällig wohl Kap. 12,1-12. Andere Zusätze und Erweiterungen
folgten später in dem langen Wachstumsprozeß.

Traditionsgeschichtlich gesehen steht das Dtn. in den kultischen
Traditionen des Bundeserneuerungsfestes, mithin in den Tradä-

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 9