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Ausgabe:

1969

Spalte:

630-631

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Kuske, Martin

Titel/Untertitel:

Das Alte Testament als Buch von Christus 1969

Rezensent:

Kuske, Martin

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 8

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nadiösterlichen Katastrophe. Im Werk des Lk tritt Petrus am Anfang
(Lk 5, 1 ff.) und Ende (Lk 22, 31 ff.; 24, 34) programmatisch hervor. In
Act 1, 15 ff. übernimmt er die Führung der Urgemeinde, die er bis zur
Rechtfertigung der Heidenmission durch Jerusalem (Apg 9,1—15,3 5)
nicht abgibt. An diesem heilsgesdiichtlichen Höhepunkt löst ihn Paulus
ab. — Joh 1—20 bieten Petrus zumeist in zersägtem synoptischem Stoff.
Joh 21 ist Anhang. Vv. 15—17 beauftragen Petrus als Gemeindeleiter,
ohne auf die Verleugnung anzuspielen. Der Lieblingsjünger ist hingegen
Traditionsgarant. Die Konkurrenz beider wurde in Kap. 1—20 eingetragen
, wo Petrus der im Bekennen wie Nichtverstehen exemplarische
Jünger ist. — Unter den apokryphen Evangelientextcn setzen die ägyptischen
Petrus herab.

Welches ist der Quellort der Petrusbilder? Lk 24, 34 macht Petrus
in einem religionsgeschichtlich dem Hellenismus entstammenden Schema
zum ersten Osterzeugen, was 1 Kor 15, 3—5 (erweitert durch bekenntnisartige
Formulierungen) bestätigt. Damit hängt die Gründung des
Zwölferkreises zusammen, der aber durch das Ausbleiben der Parusie
z. Zt. des Paulus bereits zurückgetreten ist. Wir finden vor 41/44 n. Chr.
die Zebedaidcn im Kampf um die Würden, die bisher den Dodeka zukamen
(vgl. Mk 10, 35—38a 40 mit Mt 19,28). Jakobus, der Herrenbruder
, tritt in den Vordergrund. Hier mag der Name Kephas entstanden
sein. Eine vorwiegend charismatische Herrschaftsform wird durch die
vorwiegend traditional bestimmte des Herrenbruders abgelöst, die jedoch
des charismatischen Moments nicht entbehren will oder kann (1. Kor
15,7). Beim Apostelkonvcnt hat Petrus neben dem überlebenden Zebedaidcn
Johannes und dem Herrenbruder die Leitung der Jerusalemer
Gemeinde inne. Er ist offen für das Anliegen der antiochenischen Heidenmission
. Gal 2, 12 f. sieht ihn in einer Linie mit den „hellenistischen
Judenchristen" Antiochias. Von einer nachfolgenden antipaulinischen
Rcisetätigkeit kann so wenig die Rede sein wie von einem antiochenischen
Episkopat oder einem Aufenthalt in Kleinasien.

Die mehrschichtige römische Petrustradition zeigt seit dem 1 Clem
(um <>6) ein Wissen um Petri Aufenthalt und Tod in Rom, ohne ihn
(und Paulus) römischen Hcrrschaftsansprüchcn dienstbar zu machen oder
sein Grab zu nennen. Erst unter dem Druck des Montanismus spielt um
200 Gaius die xponota der Apostel gegen die Gräber der Philippus-
töchtcr in Hierapolis aus (Tponatov steht erst im 4. Jh. für Grab oder
Leichnam von Märtyrern). Früheste kultische Verehrung Petri (und Pauli),
zugleich früheste archäologisohe Spuren finden sich um 260 unter San
Sebastiane. Zum Vatikan, den man wohl auf Grund der Tacit., Ann. XV,
44 berichteten Ereignisse mit dem Tode Petri verband, wanderte der
Kult wahrscheinlich erst mit dem Bau der Basilika. Die Motive für das
Eindringen Petri in die Tradition sind also unterschiedlich. Für Evangelien
und Apg war der Jesusjünger, Führer der Urgemeinde und Befürworter
der Heidenmission als im Guten und Bösen beispielhafter Christ annehmbar
. In Rom wird das zunächst uninteressante Wissen um seinen
Tod erst im Laufe der Zeit theologisch und kirchenpolitisch ausgewertet.
Seine Osterzeugenschaft war nur für die allererste Zeit von Bedeutung.

Hertzler, Hans-Adolf: Die unbedingte Forderung. Eine Untersudiung
zum Problem des Kompromisses in der theologischen Ethik. Theol. Diss.
Göttingen 1968. 292 S.

Geht man von formalen Gesichtspunkten aus. so läßt sich ein ethischer
Kompromiß bestimmen als die vermittelnde Lösung eines Konflikts
zwisdien verschiedenen, miteinander konkurrierenden ethischen
Anforderungen. Was aber Kompromiß im Rahmen einer theologisdien
Ethik heißen soll und wie er zu beurteilen ist, das läßt sich erst angeben,
wenn geklärt ist, wie man von Gottes Forderung reden will, und zwar im
Blick auf die Erfahrung und Deutung ethischer Konflikte. Zu einer Interpretation
des Satzes von der unbedingten Forderung im Zusammenhang
mit dem Thema des Konfliktes besteht um so mehr Anlaß, als sich in
einer Übersicht über einige wissenschaftliche Arbeiten aus dem Bereich
der Soziologie, der Psychologie und der philosophischen Ethik, in denen
Konfliktcrfahrung aufgenommen und interpretiert wird, eine Infragestellung
jenes theologischen Satzes erkennen läßt (1. Hauptteil). In einer
Uberprüfung der bisherigen Beiträge zur Diskussion des Kompromißproblems
in der theologischen Ethik (2. Hauptteil) zeigt sich, daß die
verwendeten Kompromißbegriffe nicht ausreichend geklärt sind und daß
weder die vorgeschlagenen Problemstellungen nodi die entsprechenden
Lösungsversuche zu überzeugen vermögen. Im dritten Hauptteil der hier
angezeigten Dissertation wird hinsichtlich Begriffsbestimmung und Problemstellung
im Vergleioh zur vorherrschenden Meinung eine Reduktion
vorgenommen. Der Kompromißbegriff wird lediglich zur Bezeichnung solcher
Handlungen verwendet, die in „echten" ethischen Konfliktsituationen
vermitteln; da diese Konfliktsituationen auf intrapersonaler und interpersonaler
Ebene entstehen können, läßt sich zwischen intrapcrsonaler und
interpersonalen Kompromissen unterscheiden. Das Kompromißproblcm ist
verstanden als das spezielle Problem menschlichen Gehorsams gegenüber
der Forderung Gottes an den Mcnsdicn, das sich in der Situation des
echten Konfliktes ergibt, nidit aber als Problem der Vermittlung in
einem prinzipiellen Konflikt zwischen Gebot und Wirklichkeit. Diese
Begriffsbestimmung und diese Problemstellung sind Resultat der Beschreibung
von Gottes Forderung als eines inhaltlich bestimmten Wortes,
das in der Situation selbst Weisung gibt und als solches gehört und
erfragt werden kann. Es zeigt sich für die genannte Arbeit, daß Gottes
Forderung im Hinblick auf echte ethische Konflikte zum Tun befreit.
Solches Tun mag die Gestalt des Kompromisses haben. Dieser ist als
verantwortliche Tat des in der Bindung an Christus freien Menschen
legitimer Bestandteil christlichen Lebens.

K n o r r, Uwe Walter: Basilius der Große. Sein Beitrag zur chrittlichen
Durchdringung Kleinasiens. Theol. Diss. Tübingen 1968. 379 S.

„Die Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten drei
Jahrhunderten" (A. v. Harnack) ist sowohl in Einzelstudicn als auch
in großen Überblickswerken Gegenstand der Forschung gewesen, und
dasselbe gilt hinsichtlich der frühmittelalterlichen Mission. Hingegen
stellen die missionsgesdiiehtlichen Vorgänge im Römischen Reich des
vierten und fünften Jahrhunderts noch ein weites Arbeitsfeld dar, das
erst ansatzweise in Angriff genommen wurde. Die vorliegende Untersuchung
versteht sich als ein Beitrag zu dieser Aufgabe.

Da es sich um einen ersten Versuch handelt, den großen Kappado-
kier unter dieser Fragestellung zu würdigen, konnte nur ein Teil der
anstehenden Fragen aufgenommen und erörtert werden. Ziel der Arbeit
ist es, „das Wirken des Basilius, das sich auf das ganze kirchliche Leben
erstreckte, zu befragen, welche missionsgeschichtliche Bedeutung es in
sich getragen habe" (S. 5), und zwar anhand der Neuerungen und Reformen
, die Basilius in seiner Provinz einführte. Wenn irgendwo, dann
mußten sich hier das missionarische Anliegen des Bischofs und die Wirkungen
nachweisen lassen.

So ergab sidi von selbst die Gliederung des Haupttcils, der sich
in einzelne Studien über das Mönchtum (S. 63—79), die Schulen (S. 80
bis 96), das Sozialwerk, die sog. Basilcias (S. 97—122) und die kultischen
Reformen (S. 123—143) auffächert, um in der Darstellung der
Anweisungen, die Basilius für Priester und Bischöfe aufstellte, die verschiedenen
Linien wieder zusammenzuführen (S. 144—162).

Während der erste Teil der Arbeit sich der Lage in Kappadokie»
widmet, indem er versucht, einen Überblick über die Situation des
kappadokischen Heidentums (S. 7—20) und des kappadokisdien Christentums
(S. 21—43) zu geben, behandelt der abschließende dritte Teil die
über Kappadokien hinausgreifenden Aktionen des Basilius, seine Beteiligung
bei Bisdiofswahlen (S. 163—176) und seine Einflußnahme auf die
Reform der armenischen Kirche z. Z. des Katholikos Nerses d. Gr.
(S. 177—194).

Nur zweierlei sei herausgehoben. Zunädist, der letzten großangelegten
Reaktion des Heidentums unter Kaiser Julian ist besondere Aufmerksamkeit
geschenkt. Viele der behandelten Fragen rücken in ein
neues Licht, wo die Korrespondenz zwischen heidnischer Herausforderung
und kirchlicher Antwort darauf beachtet wird. Das Recht solcher Betrachtung
erörtert ein Exkurs, „Julian und Basilius" (S. 53—62), nachdem
zuvor ein anderer Exkurs einen Einblick in die konkrete Auseinandersetzung
gegeben hatte, die mit der Zerstörung des Tyche-Tempels von
Cäsarea zum Ausbrudi kam (S. 44—52).

Sodann bemüht sich die vorliegende Arbeit durchgehend auf das
Problem der „missionsloscn Mission" in der Alten Kirche einzugehen —
ein Problem, das durch das Fehlen von Missionaren, Missionsschulen,
theoretischen Missionsentwürfen und -Programmen gestellt ist —, das
schon oft gesehen, dem jedoch selten wirklich Rechnung getragen wurde.
„Neben den freien Lehrern und Märtyrern in den ersten drei Jahrhunderten
und dem Mönchtum seit dem vierten Jahrhundert war es vor
allem der Klerus, von dem Wachstum oder Verfall der Gemeinden abhing
" (S. 197 f.). Diesem Umstand wird man am besten gerecht, wenn
man die altkirchliche Mission als christliche Durchdringung einzelner
bischöflicher Sprengel auffaßt. Der spontanen Ausbreitung durch Reisende
und Sklaven, gelegentlich audi durch Wanderprediger kommt nur die
Bedeutung einer Voraussetzung für Nachfolgendes zu. Entscheidend für
den Fortgang und Erfolg der christlichen Durchdringung eines bischöflichen
Sprengeis war das gesamte kirchliche Leben, wie es sich unter der
Leitung des Bischofs und seiner Helfer darstellte, wie es auszustrahlen,
Interesse zu wecken und zu überzeugen vermochte.

K u s k e, Martin: Das Alte Testament als Buch von Christus. Dietrich
Bonhoeffers Wertung und Auslegung des Alten Testaments. Diss.
Rostock 1967. 177 S.

Im Gegensatz zur Literatur, in der man auf Grund der Untersuchung
einzelner atl. Auslegungen B.s meint, daß B. das AT recht unterschiedlich
auslegt, wird in dieser Arbeit die These aufgestellt, daß B. das AT
grundsätzlich immer als Buch von Christus versteht. Dieses Verstehe»
entfaltet sich bei ihm in drei Momente: einmal versteht er das AT von
Christus her, sodann findet er „Christus im AT", und drittens liest er
das NT vom AT her.