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Ausgabe:

1969

Spalte:

605-607

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Titel/Untertitel:

Darstellung 1969

Rezensent:

Haendler, Gert

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 8

606

Agoyridoy, Sabba Chr.: He Christologia ton Apologeton (Klero-

nomia 1, 1969 S. 39—64).
Chrcstoy Panagiotoy K.: To ergon toy Melitonos peri Pascha kai he

akoloythia toy Pathoys (Kleronomia 1, 1969 S. 65—78).
Chrysoy Eyaggeloy: Neotcrai apopseis peri Anastasion Sinaiton

(Kleronomia 1, 1969 S. 121—144).
Freudenberge r, Rudolf: Der Vorwurf ritueller Verbrechen gegen

die Christen im 2. und 3. Jahrhundert (ThZ 23, 1967 S. 97—107).
Harkianakis, Stylianos: Die Trinitätslehre Gregors von Nazianz

(Kleronomia 1, 1969 S. 83—102).
Kellner, Wendelin: Libcrtas und Christogramm. Motivgcschichtliche

Untersuchungen zur Münzprägung des Kaisers Magnentius (350—353).

Karlsruhe: Braun [1968]. 171 S., 3 Taf. 8°. Kart. DM 14.60.
Mayer, Cornelius Petrus: Die Zeichen und die Bekehrung Augustins

in den Confcssiones (Augustiniana 19, 1969 S. 5—13)
N i k o 1 a o u, Theodoros: Der Neid bei Johannes Chrysostomus, unter

Berücksichtigung der griechischen Philosophie. Bonn: Bouvier 1969.

110 S. gr. 8" = Abhandlgn zur Philosophie, Psychologie u. Pädagogik,

56. Kart. DM 19.80.
Y o u n g, William G.: The Church of the East in 650 A.D.Patriarch

Ishu'-Yab III and India (Indian Church History Review 2, 1968 S. 5 5

bis 71).

KIRCHENGESCHICHTE:
REFORMATIONSZEIT

Brandmüllcr, Walter: Das Konzil von Pavia-Sicna 1423—1424.

Bd. I; Darstellung. Münster: Aschendorff [1968], VIII, 291 S. gr. 8"
= Vorreformationsgcschichtliche Forschungen, hrsg. v. J. Lortz, 16.
Kart. DM 48.-.

Das Buch erörtert eine bedrückende Frage der Kirchengeschichte
: Weshalb gelang zu Beginn des 15. Jhs. die Reform der
Kirche an Haupt und Gliedern nicht? Warum verebbte die in Pisa
und Konstanz so hoffnungsvoll begonnene Entwicklung der
Reformkonzilien? Wieso wurde das Dekret „Frequens" von Konstanz
so wenig wirksam? Allgemein bekannt ist, daß jenes Dekret
formal eingehalten wurde: 5 Jahre nach dem Ende des Konstanzer
Konzils kam 1423 in Pavia ein Konzil zusammen, das nach
der Verlegung in Siena im Winter 1423/24 tagte. Was dort geschah
, ist kaum bekannt. Brandmüllcr hat das weit verstreute
Material sorgfältig zusammengetragen. Das Verzeichnis der ungedruckten
Quellen umfaßt 56 Nummern. So wird ein wichtiger
Vorgang in der Kirchcngeschichte wesentlich erhellt. Dem geplanten
Quellcnband sieht man mit Spannung entgegen. B. Gchil-
dert die Erwartungen, die in den verschiedenen europäischen Ländern
an das Konzil geknüpft wurden (Kap. 1—4). Entscheidend
ist Kap. 5: „Der Papst" (S- 59 ff.). B. zeichnet Martin V. als einen
Mann, der „kein prinzipieller Konzilsgcgncr" war, aber „dem
Konzilsenthusiasmus mancher Kreise und vor allem dem Gedanken
der Konzilssupcriorität ablehnender gegenüberstand, als diese
es wünschen mochten" (S. 61). Dabei macht sich B. zum Apologeten
des Papstes: „Es gab nach mehr als 40 Jahren wieder einen
allgemein anerkannten Inhaber des Obersten Hirtenamtes und
damit wieder eine funktionsfähige hierarchische Spitze der Kirche.
Damit aber hatte das Konzil in der zu Pisa und Konstanz in
vollem Umfang berechtigten Form seine Schuldigkeit getan. Des
Papstes Aufgabe war es nun, dem Konzil den ihm im ungestörten
Verfassungsgcfügc der Kirche zukommenden rechten Platz anzuweisen
. . ." (S. 61/62). Hier mißt B. offenkundig mit Maßstäben
des nachtridentinischen Katholizismus Vorgänge der vortridenti-
nischen Zeit. Der protestantische Rezensent befindet sich in Übereinstimmung
mit vielen Katholiken, wenn er solcher Beurteilung
nicht zustimmt. Man muß aber B. mit Dank bescheinigen, daß er
zwischen seiner subjektiven Beurteilung und der objektiven Darstellung
der Quellen immer einen Unterschied gemacht hat. Daher
'st es leicht möglich, den Ablauf der Ereignisse auch mit einem
entgegengesetzten inneren Engagement zu erkennen.

Martin V. hat nadi B. für die Durchführung der Konstanzer Be-
sdilüssc „getan, was in seinen Kräften stand, und andere unterstützt, die
sich darum bemühten" (S. 64). Die kurialc Verwaltungspraxis soll zeigen,
„wie sehr sich dieser Papst den Reformbeschlüssen von Konstanz verpflichtet
wußte" (S. 65). Zwei Sätze später schränkt B. freilich ein: Es
wäre „nicht nur falsch, sondern auch praktisch unmöglich gewesen, die
gesamten Kräfte dem Reformwerk zu widmen, ehe die Wiederherstellung
der geistlichen und weltlichen Position des Papsttums hierfür eine ausreichende
Basis geschaffen hatte" (S. 65). Das heißt also: Erst mußte der
Papst (restaurativ) für sich sorgen, danach erst hätte er sich (progressiv)
um die Reform kümmern können. Hier liegt der Schlüssel zu B.s Beurteilung
der Vorgänge 1423/24. Auch Martin V. erwartete „Großes vom

Konzil für die Lösung der kirchlichen Probleme der Zeit" (S. 76); aber
die Vollmachten für die Konzilspräsidentcn bezogen sich auch auf dessen
Auflösung I Natürlich sollten „diese weitergehenden Vollmachten, die
ja das von den Konziliaristen beanspruchte Selbstbestimmungsrecht des
Konzils in entscheidenden Punkten einschränkten, erst im Falle der Notwendigkeit
bekannt werden" (S. 77). Kapitel 6 „Das Ringen um den
Konzilsort" (S. 78 ff.) zeigt uns die italienische Politik jener Epoche:
Gegensätze zwischen Mailand, Florenz, Venedig, Siena, Rom und Neapel,
die jeweils mit Großmächten verbunden waren. Die Eröffnung des Konzils
in Pavia wurde bereits überschattet von den Bestrebungen des Papstes
nach einer Verlegung des Konzils. Dieses Ziel wurde erreicht. B. formuliert
: „Der Sieg überlegener päpstlicher Diplomatie hatte dem Konzil
fürs erste freie Bahn geschaffen" (S. 94). Kapitel 9 „Siena als Konzilsstadt
" (S. 107 ff.) enthält kulturgeschichtliche und lokale Einzelheiten.
Kirchengeschichtlich wichtiger ist die in Kapitel 10 formulierte Frage:
„Kommt der Papst nach Siena?" (S. 115 ff.). Es fehlte nicht an Bemühungen
, den Papst zur Reise nach Siena zu bewegen. Aber Martin
verhandelte zunächst mit der Stadt über einen Vertrag, der ihm Rechte
über das Konzil garantieren sollte. „Das Bekanntwerden dieses Vertrages
genügte, um den latent vorhandenen Gegensatz zwischen den
Konziliaristen und den Anhängern der päpstlichen Richtung zum Ausbruch
zu bringen. Den ersteren schwebte noch das Ideal eines vom Papst
unabhängigen Konzils vor, so daß sie im Anspruch des Papstes auf Jurisdiktion
über das Konzil und deren Garantie durch Siena einen Anschlag
auf die Autonomie der Kirchenvcrsammlung sahen" (S. 123). B. will
zeigen, daß Martin V. nach Siena reisen wollte: „Äußerungen des Papstes
ließen zweifelsfrei erkennen, daß er von Tag zu Tag mit seiner Abreise
rechnete" (S. 127). Zweiflern an dieser Absicht hält B. entgegen: „Zu
behaupten, Martin habe nicht daran gedacht, sich persönlich zur Kirchenversammlung
zu begeben, hieße, Martin beschuldigen, er habe die
ganze Kirche monatelang mit voller Überlegung belogen" (S. 133). Mit
der politischen Unsicherheit zwisdien den Kleinstaaten begründet B. das
Ausbleiben des Papstes. Es war „Martin schlechterdings unmöglich, Rom
zu verlassen, sei es auch, um einem Konzil beizuwohnen" (S. 13 5). Freilich
sagt B. nicht, wieso das Verbleiben des Papstes in Rom politisch für
ihn günstiger war als es ein Aufenthalt in Siena gewesen wäre. Sicher
weiß B., wie oft und lange Päpste im Mittelalter in ähnlich bedrängter
Lage sich auch außerhalb Roms aufgehalten haben. Ausgerechnet im
Oktober 1423 sollte eine Reise ins benachbarte Siena nicht möglidi
gewesen sein?

Das Fernbleiben des Papstes führte zu einer kritischen Lage.
Verabschiedete Dekrete betrafen die Hussiten, den Papst von
Peniscola, das Problem einer Union mit der Ostkirche sowie die
Gefahr häretischer Bewegungen. Die Synodalen drängten darauf,
endlich Fragen der Reform der Kirche zu behandeln. An Plänen
fehlte es nicht. Solche Bestrebungen werden von B. abgewertet:
„Von großer Frömmigkeit und Eifer für die Kirche erfüllt, wollten
sie das Beste. Was ihnen aber fehlte, war Menschenkenntnis.
Erfahrung im Gang kirchlicher Geschäfte und praktischer Hausverstand
" (S. 149). Kapitel 13 „Die Intervention Alfons V. von
Aragon" (S. 15 3 ff.) soll mit vielen Einzelheiten die Schuld am
Scheitern des Konzils diesem spanischen Teilstaat zuschieben.
Kapitel 14 „Zwietracht in den Nationen der Franzosen und
Italiener" (S. 169 ff.) zeigt, daß in beiden Nationen eine Mehrheit
konziliaristisch dachte. Immer stärker rückte das Dekret
„Frequens" in den Mittelpunkt der Diskussionen. B. beklagt es,
daß der „Mythos von Konstanz die Gemüter befangen" gehalten
habe (S. 200). Das „Mißtrauen der konziliaristischen Gruppe"
habe die Diskussion beherrscht. In einer Geheimsitzung wurde
Basel als neuer Konzilsort festgelegt, — „das einzige für die Zukunft
wirksame Ergebnis des Konzils von Siena" (S. 210). Die
Stadt Siena bemühte sich, das Konzil möglichst lange zu beherbergen
(Kap. 19), was Martin V. ebenso empörte wie B.: „Statt,
wie bisher treu zum Papst zu halten", versuchte Siena „auf die
Karte der konziliaristischen Opposition zu setzen" (S. 219).
Kapitel 20, „Späte Reformdebatten führen die Krise herauf", nennt
die Forderung nach Fortsetzung des Konzils und Abkürzung des
Zeitraums bis zum nächsten Konzil auf 2 Jahre. Darin sieht B.
„einen Konzilsbegriff, der an Radikalität die Vorstellungen von
Pisa und Konstanz weit übertraf" (S. 231). Die Mehrheit in
Siena lag klar bei den „konziliaristischen Stimmen der Italiener,
Spanier und Franzosen. Das Nationenprinzip zeigt nunmehr seine
ganze Gefährlichkeit ... So stand die Kirche aufs neue am Rand
des Abgrunds" (S. 232). So war „Das Ende des Konzils" (Kap. 21)
für B. „die einzig mögliche Konsequenz" (S. 232). Die päpstlichen
Präsidenten lösten das Konzil auf, „die Überrumpelung gelang"
(S. 2 32). Das geschah am Karneval 1424: „Der Morgen des
Aschermittwoch sah eine Versammlung bestürzter Konzilsväter
aus dem konziliaristischen Lager . . ." (S. 23 3). Absprachen zwi-