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Ausgabe:

1969

Spalte:

602-604

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Titel/Untertitel:

Philon d'Alexandrie 1969

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 8

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vermißt man wieder schmerzlich die Heranziehung der philosophischen
Literatur sowohl der Popularphilosophie wie der stoischen
Koine und des sich bildenden Neuplatonismus. Stärker hätte betont
werden können, daß die Einfältigkeit eine Waffe im Kampf
mit den gnostischen Sekten ist, zum Teil freilich auch im Kampf
der ressentimentgeladenen kleinen Kreise gegen die christlichen
Gebildeten. Daß der Verfasser des Hermas aber wußte, was yeser
ha-ra hieß, glaube ich dem Verfasser nicht.

Speyer a. Hh. Carl Schneider

Leroy, Francois Joseph S. ].: L'homiletique de Proclus de Constanti-

nople. Tradition manuscrite, inedits, ctudes connexes. Cittä del
Vaticano: Bibliotcca Apostolica Vaticana 1967. 397 S., 8 Taf. 4° =
Studi e Testi, 247.

Proklus war von 434 bis 446 Bischof von Konstantinopel.
Unter seinem Namen sind eine Anzahl von Homilien überliefert;
auf Grund innerer und äußerer Kriterien konnten weitere
Homilien des Proklus ermittelt werden; eine Reihe von
Echtheitsfragen bleibt offen. Proklus ist für uns ein erster Vertreter
einer „typisch" byzantinischen Predigtweise, deren Studium
lehrreiche Einblicke in die Frömmigkeit der Zeit gewährt; leider
achtet man darauf zu wenig. Das vorliegende Buch stellt die
Beschäftigung mit dem homiletischen Nachlaß des Proklus auf
einen festeren Grund. Bis heute ist man im wesentlichen auf
Riccardis Ausgabe aus dem Jahr 1630 angewiesen, die bei Migne
abgedruckt ist (Ser. gr. 65). Leroy untersucht in den ersten drei
Kapiteln seines Buches die handschriftlichen Grundlagen der
gedruckten Texte und stellt einen Katalog der ihm bekannten
Handschriften der einzelnen Homilien auf. Ferner bucht er vorhandene
Übersetzungen ins Lateinische, Slawische und in die
orientalischen Sprachen, soweit es sich um alte Übersetzungen
handelt; auch die alten Zitate werden notiert. Wenig ergiebig
ist das vierte Kapitel: Les prineipaux traits de Proclus predi-
cateur (S. 157 ff). Im fünften Kapitel werden acht bisher unbekannte
Reden vorgelegt; die Homilic über den ungläubigen
Thomas (Horn. 33, Leroy S. 237—251) war zwar schon gedruckt
{Migne, Ser. gr. 59, 681—688), aber in einem interpolierten Zustand
, 60 daß die neue Edition notwendig war. Eine weitere
Homilic, „Auf den Karfreitag und über die Heilige Dreifaltigkeit",
ist nur in syrischer und in arabischer Übersetzung bekannt; als
Horn. 30 wird sie den griechischen Texten hinzugefügt, in einer
französischen Übersetzung der arabischen Version; man verdankt
die Übersetzung den PP. Lavenant und Allard. Kapitel sechs
bespricht in respektvoller Kritik den Beitrag von B. Marx zur
Klärung der Echtheitsfragen. Das folgende Kapitel bringt die
kritische Edition von Proklus' berühmter sechster Rede (S. 299
bis 324). Kapitel acht weist endgültig nach, daß der verdächtige
Tractatus de traditione divinae Liturgiae (Migne 65, 849—852)
unecht ist: der Fälscher Palaeocappa hat ihn im 16. Jahrhundert
kompiliert. Geschickt angelegte Register beschließen den Band,
dem einige Handschriftenproben beigegeben sind.

Die im italo-gricchischen Cod. Vatican. 1633 aus dem 10./
11. Jh. gesammelten Texte lassen die Vermutung aufkommen,
es könne in der zweiten Hälfte des 5. Jahrhunderts eine Homi-
liensammlung gegeben haben, die auch Texte des Proklus enthielt
(S. 71). Sonst aber gilt für Proklus, was auch für andere Homi-
letiker gilt: es gibt kein Corpus seiner Homilien. Die Überlieferung
der Homilien erfolgte durch die liturgischen Bücher, in
denen auch Proklus' Homilien als Lesestückc dienten; dabei trat
wiederholt an die Stelle des wahren Verfassernamens ein anderer
Name, der berühmter zu sein schien, etwa der des Johannes
Chrysostomus. Dieser Übcrlieferungszustand stellt den Herausgeber
vor eine Anzahl von Problemen; die Überlieferung, die
fernab von der Hauptstadt in der Provinz sich entwickelte, und
die alten Versionen können dabei für die Edition derartiger
Texte von Bedeutung sein. Man kann das in anderer Weise an
Horn. 1, der bekannten Marienrede des Proklus, sehen: die Rede
'st nicht nur in den liturgischen Büchern, sondern auch in den
ephesinischen Konzilsaktcn überliefert: nur die Konzilshand-
schriften haben die Angabe bewahrt, daß Proklus die Rede vor
Nestorius hielt. Nur durch die koptische Übersetzung und durch
Zitate im armenischen „Siegel des Glaubens" erfahren wir, daß
Horn. 13 vor 434 gehalten sein muß, als Proklus noch dem Namen
nach Bischof von Kyzikus war. Was man über die Chronologie

von Proklus' homiletischen Erzeugnissen weiß oder vermuten
kann, hat Verf. auf S. 157—159 zusammengestellt. Die Marienpredigt
wird am alten griechischen Marienfest gehalten worden
sein, am 26. Dezember, wohl des Jahres 430 (S. 66 f., 157).

Die Untersuchung der Überlieferung von Horn. 6 ergab, daß
ein Zweig der Handschriften eine lange Interpolation enthält.
Die Interpolation muß noch im 5. Jahrhundert entstanden sein,
denn ein Text, der mit hoher Wahrscheinlichkeit von Chrysipp
von Jerusalem stammt, setzt die interpolierte Homilic voraus.
Verf. hält es mit Recht für möglich, daß die Interpolation von
Proklus selbst herrührt: „Le predicateur n'a-t-il pu evenfuelle-
ment, peut-etre ä l'intention de moines, reprendre un sermon
antcrieur en y ajoutant un developpcment sur Ia virginite et la
reponse ä des objections soulevces contre la maternite virginale?"
(S. 294). Als Beigabe enthält die Untersuchung die erwünschte
Klärung einer ebenfalls seit langem umstrittenen Frage: zwei
Homilien, die unter dem Namen Gregors des Wundertäters gedruckt
sind (Migne 10, 1145—1156. 1155—1169), dürften von
Chrysipp (gest. 479) am 15. August in der Euthymiuslaura gehalten
worden sein (S. 281 ff.); für die ebenfalls unter Gregors
Namen stehende Marienrede Migne 10, 1172—1177 kann man
Proklus' Verfasserschaft vermuten (S. 281. 288); auch PseudoGregor
, Senno in omnes sanetos (Migne 10, 1197—1204) stammt
ja von Proklus, wie Marx gesehen hat (Leroy, S. 287); dagegen
gehört Pscudo-Gregor, Homilia IV in s. Theophania (Migne 10,
1177—1189) dem Gregor von Antiochien (gest. 593), was Hai-
dachcr erkannt hat (Leroy, S. 264. 287).

Unter den erstmals herausgegebenen Texten ist die
„Mystagogie" auf die Taufe von Bedeutung (S. 188—194).
A. Wenger hatte in seiner Ausgabe der von ihm entdeckten acht
Taufkatechesen (1957) bereits Proben aus der Handschrift (Sinait.
gr. 491) mitgeteilt. Die Mystagogie ist der erste Text dieser Art,
der uns Einblick in die konstantinopler Taufpraxis während der
ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts gestattet. Der Text scheint die
verbreitete Annahme nicht zu stützen, man habe das von der
Rcichssynode des Jahres 381 aufgestellte Bekenntnis in der Taufhandlung
verwendet. In Horn. 26 (S. 181—183) ist anscheinend
nicht von einem Waisenhaus oder Kinderheim die Rede, wie der
Herausgeber meint (S. 174); man darf eher an eine von einer
Witwe gestiftete Kirche denken, in der Reliquien der unschuldigen
Kinder vorhanden waren.

F. J. Leroy ist wie kein anderer vorbereitet, eine kritische
Edition des homiletischen Nachlasses von Proklus zu veranstalten;
wir hoffen, daß ihm sein Dienst in Afrika erlaubt, diese Aufgabe
anzugreifen. Die Predigten des Bischofs sind, wie gesagt, in mancher
Hinsicht belehrend'.

Tübingen Ilans-Dielrich Altendorf

Philon d'Alexandric Lyon II.-15. Septembre 1966. Paris:
Editions du Centre National de la Redierche Scientifique 1967. 382 S.
gr. 8° = Colloques Nationaux du Centre National de la Recherche
Scientifique. Kldr. ffr. 38.—.

Den Ertrag eines vom Herausgeberkreis der Pariser Philo-
Edition 1966 in Lyon veranstalteten Kolloquiums, bei dem eine
größere Anzahl von Forschern aus dem französischen Sprachbereich,
zumeist Mitarbeiter, zu Wort kamen, legt der hier anzuzeigende
Berichtsband vor. Wer zunächst fürchtet, daß sich dabei Überschneidungen
mit dem in den Einleitungsabschnitten und Kom-

*) In der Aufzählung der Handschriften, die Horn. 11 (Migne 65,
781—788) enthalten, vermißt man die Erwähnung des Cod. 6 (7) des
Klosters xüv BAccTOCLWVin Saloniki (9. Jh.). Dort steht
unter Nr. 39 unsre Predigt als Eigentum des Athanasius von Alexandrien
, wie A. Ehrhard mitteilt (Überlieferung und Bestand der hagio-
graphischen und homiletischen Literatur der griechischen Kirche, T. I,
Bd. II, Leipzig 1938 (Texte u. Untersuchungen, 4. Reihe, 6. Bd. = Bd. 5l)[
S. 245). — L. irrt, wenn er mir die Meinung zuschreibt, ich hielte die von
Wenger 1954 herausgegebene pseudo-augustinische Predigt für eine
Predigt des Proklus (S. 21. 87 f. 355): ich habe zwar auf gewisse Übereinstimmungen
mit der Predigtsprache des Proklus hingewiesen, aber
nur. um darauf aufmerksam zu machen, daß die Homilie in die Zeit des
Proklus gehört; der Verfasser bleibt unbekannt; daß er nicht Sevcrian
heißt, wie Wenger meint, davon bin ich noch jetzt überzeugt (Untersuchungen
zu Severian von Gabala. Diss. Tübingen 1957, S. 78—8 5).