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Ausgabe:

1969

Spalte:

600-601

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Amstutz, Josef

Titel/Untertitel:

Haplotēs 1969

Rezensent:

Schneider, Carl

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599

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 8

600

Die hier angezeigte Sammlung patristischer Arbeiten gewährt
einen vielseitigen Einblick in den Stand der Forschung. Sie darf
wohl im ganzen als repräsentativ gelten. Wiederum wird der Benutzer
dem Herausgeber und allen Mitarbeitern dankbar sein, die
so mannigfaltigen Studien in einer einzigen Sammlung vereinigt
zu erhalten, zumal, da diese in einer so vorzüglichen Form herausgegeben
worden ist.

Bonn Heinrich Karpp

Otto, Stephan: Person und Subsistenz. Die philosophische Anthropologie
des Leontios von Byzanz. Ein Beitrag zur spätantiken Geistesgeschichte
. München: Fink 1968. 209 S. gr. 8°. Lw. DM 38.—.

Als vor nunmehr dreißig Jahren Willy Theiler in seiner
bedeutenden Schrift über Porphyrios und Augustin als erster
zeigte, daß die Behandlung patristischer Themen nur vom dogmengeschichtlichen
, dogmatischen und literaturgeschichtlichen
Aspekt her ungenügend sei und man ihnen nur gerecht werden
könne, wenn man ihren Zusammenhang mit der griechischen
Geistes- und Philosophiegeschichte sehe, begann eine neue Epoche
der Patristik. Immer mehr haben sich sowohl Philologen, wie
Jaeger und Langerbeck, als auch katholische Theologen, wie
Festugiere oder Dempf, dieser Forderung aufgeschlossen. In diesen
Zusammenhang gehört nun auch das vorliegende bedeutende
Buch. Das Ergebnis sei vorweggenommen: das komplizierte und
mit merkwürdigen Hypothesen seit langem belastete Leontios-
Problem, das mit so vielen unfruchtbaren Kontroversen belastet
ist, wird mit einem Male licht, wenn man sich ernstlich um die
Beziehungen des Leontios zur eigentlichen Grundlage seines
Denkens, nämlich einer bestimmten Ausprägung der neuplatonischen
Metaphysik bemüht. Der Verfasser beschränkt sich auf
die leontinische Anthropologie, die jedoch weder von der erkenntnistheoretischen
Prinzipienlehre noch von dem Verhältnis zu
Trinitäts- und Zweinaturenspekulation zu trennen ist; gleichsam
als Nebenprodukte fallen dabei für die Philologie eine literar-
kritische Scheidung zwischen dem Byzantiner und dem Jerusalemer
Leontios und für die Patristik und Philosophiegeschichte sehr
interessante — freilich nicht immer sofort einleuchtende — Ausblicke
auf verwandte Denkerscheinungen bei Boethius ab.
Ausgangspunkt ist eine Analyse der zwei ersten Bücher von adv.
Nestorianos; vom ersten Buch, das O. als Grundschrift des gesamten
leontinischen Schrifttums betrachtet, fügt er auch eine
Übersetzung bei.

Grundthema ist die Unterscheidung von Hypostasis und
Ousia, die der von Person und Natur entspricht; die Hypostase
trägt die antinomen Idiomata der göttlichen und menschlichen
Natur. Damit ist die chalkedonensische Christologie am prägnantesten
formuliert, allerdings darf nicht übersehen werden, daß
gerade diese Unterscheidung über die Kappadoker zurück auf
Origenes weist. Anthropologisch führt dieses Axiom zu einer
ansprechenden dialektisch-antinomen Lösung des Leib-Seeleproblems
. Existenz kommt weder dem Leib ohne Seele noch der
Seele ohne Leib zu, aber ihre Zuordnung zueinander ist in jeder
Weise antinom. Sowohl christologisch wie anthropologisch kann
keiner der maßgebenden Begriffe isoliert gedacht werden; entscheidend
ist immer nur die Relation, diese aber ist immer
antinom. Daraus ergibt sich nun ein durch und durch neuplatonisches
Schema, das O. bei Leontios sowohl in seiner christo-
logischen wie in seiner anthropologischen Bedeutsamkeit festgestellt
hat. Christologisch erscheinen drei umkehrbare Relationen
, die vom Vater zum Sohn, vom Logos zur menschlichen Natur
und vom Menschgewordenen zum menschlichen Genus. Anthropologisch
bedeutet das, daß der Mensch zu Seele und Leib in
unterscheidenden Naturrelationen, aber zugleich auch in einheitbildenden
hypostasierenden Relationen steht. Im einzelnen kann
hier die Weiterwirkung dieses Schemas nicht verfolgt werden.
O. beweist hier seine glänzende systematische Fähigkeit, sie auf
allen Teilgebieten der Anthropologie und der Christologie aufleuchten
zu lassen und damit die seltene Einheit und Geschlossenheit
der prächtigen Schrift des Leontios herzustellen. Schade ist,
daß er die neuesten Forschungen Theilers zu Ammonios noch
nicht benutzen konnte, die geistesgeschichtlichen Zusammenhänge
wären dann noch deutlicher sichtbar geworden.

Die axiomatischen Definitionen führen weiter zu einer
detaillierten Hypostasenlehre, die der Verf. aus der Epilysis sehr

sorgsam herausdestilliert. Ob aber tatsächlich hier über Porphyrios
und Ammonios hinaus wirklich Neues gesagt ist, erscheint
mir problematisch, ist aber wohl nicht mit Sicherheit zu sagen,
doch würde ich an S. 59 ein Fragezeichen setzen. Sehr bedeutsam
ist jedoch der Nachweis, daß Leontios in der Leib-Seelenlehre von
Aristoteles bewußt abrückt; die Einigung von Leib und Seele entsteht
nicht durch eine Entelechie der Natur. Die Seele kann die
Vereinigung mit dem Körper überhaupt nicht physisch erleiden —
das ist wieder ganz neuplatonisch. Diese Abhängigkeit, vor allem
von Ammonios, wird ferner deutlich in der Lehre von den
Idea und Idiomata. Der Weiterführung dieser Gedankenketten in
Adversus Nestorianos des ,Leontios von Jerusalem' wendet sich
der Schhißtcil des Buches zu; das Ergebnis der ebenso sorgfältigen
wie gedanklich-abstrakt eindringenden Analyse ist der Nachweis,
daß die ontologische Axiomatik in Christologie und Anthropologie
alle .Leontiosschriften' miteinander verbindet und keine grundsätzlichen
philosophischen Unterschiede bestehen; der Jcrusalemer
ist nur ein selbständiger Interpret des Byzantiners.

Speyer a. Rh. Carl Schneider

Am stutz, Joseph: ATIAOTHE • Eine begriffsgeschichtliche Studie zum
jüdisch-christlichen Griechisch. Bonn: Hanstein 1968. 160 S. gr. 8° =
Theophaneia. Beiträge zur Religions- und Kirchengeschichte des Altertums
, hrsg. v. T. Klauser, 19. DM 32.80; Lw. DM 57.50.

Die fleißige und sorgfältige, vorwiegend lexikographische
Monographie verfolgt Vorkommen und Bedeutung des Begriffes
in der Septuaginta und der griechisch geschriebenen jüdischen und
christlichen Literatur bis ans Ende des ersten nachchristlichen
Jahrhunderts. Der einzige, freilich nicht unbedenkliche Mangel ist
der völlige Verzicht auf die griechische Überlieferung dieser drei
Jahrhunderte; die Isolierung des jüdisch-christlichen Schrifttums
geht so aber nicht an. Nicht allein von Xenophon, der das Wort
besonders liebt, und Piaton, sondern auch von den Historikern
und Rhetoren der Koine muß ausgegangen werden, wenn man
den Gehalt des Begriffes nachempfinden will. Ohne den Hintergrund
solcher unerläßlicher sprachgeschichtlicher Besinnung muß
die Arbeit allzu sehr nur in der Wiederholung von Dingen
stecken bleiben, die man jeder Konkordanz entnehmen kann, eine
Gefahr, der der Verfasser nicht ganz entgangen ist. Davon aber
abgesehen zeigt der Verf. ein feines Verständnis für sprachliche
Nuancen und inhaltliche Tönungen, dazu ist seine Kenntnis auch
weit entlegener und selbst gänzlich unbekannter und unbedeutender
Kommentare erstaunlich. Dadurch ist es ihm auch möglich,
einige zu Unrecht vergessene exegetische Erkenntnisse zu erneuern
, was man besonders dankbar zur Kenntnis nimmt. Großes
Gewicht wird auf den Prolog der Sapientia gelegt, doch wird
richtig festgestellt, daß auch dieser den allgemeinen Eindruck nicht
verändern kann, daß der Begriff vor dem ersten nachchristlichen
Jahrhundert keine sehr große Rolle gespielt hat, — es ist ein zu
alltägliches Wort, schlicht wie sein Wortinhalt selbst. Interessant
ist seine Verwendung in der jüdisch-apologetischen Literatur als
Charakterisierung des Gesetzes, das den Nichtjuden nicht kompliziert
, sondern schlicht erscheinen soll. Daß aber die ersten
Menschen schlicht waren, ist griechische communis opinio. Bei
Philon hätte der Verf. noch einiges mehr finden können, wenn er
sich Theilers Sachweiser bedient hätte. Was versteht er übrigens
unter dem nichtssagenden „Einvernehmen mit der griechischen
Schulphilosophie seiner Zeit?" Das ist viel zu allgemein und läßt
gerade das Eigenartige am philonischen Ringen um die Einfachheit
Gottes, ihre Auseinandersetzungen mit Piatonismus und Stoa und
den Versuch, sie ins AT zu transponieren, nicht erkennen. Aber
gerade das wäre an dem Begriff reizvoll herauszuarbeiten. Schön
ist die Behandlung der zentralen Stelle der Einfachheit und Einfältigkeit
in der schwierigen Testamentsliteratur. Das Neue in der
.asketischen' Tönung ist hier gut erkannt. Nur geht es in Wirklichkeit
dabei nicht um eine Literaturgattung, sondern um das
Lebensideal gewisser Gemeindekreise. Dagegen ist der „einfache
Bauer" wieder um gar nichts Besonderes und Neues, sondern schon
der attischen Komödie wohl vertraut. Bei dem Spruch vom einfältigen
Auge hätte es sich der Verf. durch einen Blick auf die
stoischen Theorien über das Sehen leichter machen können. Eigene
neue Gesichtspunkte weisen die Pauluskapitel auf; der Verf. hat
besonders für die Eigenarten des paulinischen Sprachgebrauchs ein
gutes Sprachgefühl. Bei den frühchristlichen Schriften dagegen