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Ausgabe:

1969

Spalte:

580-581

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Kirche und Synagoge 1969

Rezensent:

Böcher, Otto

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579

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 8

580

auf die Kreatur hört. Die redende Schlange wird dann als Objektivierung
der eigenen Vernunft gedeutet, die von Anfang an dem
Wort des Schöpfers widerspricht. Die eigentliche Sünde ist also
der Unglaube.

Zwei Schwierigkeiten der bisher geübten Quellenscheidung
werden durch F. anscheinend beseitigt: E setzt nicht erst Gen. 15
ein, sondern bekommt (wie schon Mowinckel und Hölscher es
taten) Anteil auch an der Urgesch., und nun kann in Gen. 2 auch
das Jahwe Elohim auf J und E verteilt werden. Er selber hebt hervor
, daß er die Maßstäbe der Quellenscheidung in einer Radikalität
anwendet, zu der sich die herkömmliche Pentateuchforschung
nicht verstehen wollte. Das hat also den Vorzug der Konsequenz.
Aber nun geht die Scheidung doch nicht so glatt auf. Schon die
diffizile Aufteilung in Versteile und -teilchen macht gegen die
Methode und ihre Ergebnisse skeptisch, noch dazu, wenn trotz
der Aufteilung allenthalben die Querverbindungen bleiben und
auf Konto Redaktor gesetzt werden. Der Ausgleichsredaktor erscheint
als kluger, ja raffiniert arbeitender Schriftsteller. Je mehr
ihm aber diese Rolle zugeschrieben wird, um so schwieriger wird
es, zu erklären, wieso die Hörer und Leser es sich haben gefallen
lassen, daß die ursprünglich getrennt bestehenden und so verschiedenartigen
Erzählungen derart miteinander verpanscht
wurden. F. verwahrt sich gegen den Vorwurf, der Redaktor werde
zum Prügelknaben, der für alle Ungereimtheiten herhalten müsse
(S. 8 3). Aber macht er ihn nicht selber'zum Prügelknaben, wenn
er von ihm sagt: „Unordentlich wie das Denken des Ausgleichsredaktors
sind auch sein Stil und die Syntax eines Teils seiner
Sätze" (S. 81)?

Am meisten Kopfschütteln wird F.s Darstellung von E erregen
. Selbst wenn man für J die von F. gegebene Erklärung für
den Gebrauch der Gottesnamen akzeptiert und dabei die Ermüdungserscheinung
bei R in Kauf nimmt, so bleibt es doch eine
erneuter Erklärung bedürftige Crux, daß Jahwe in E-Texten (wie
4, lb) vorkommt, und schließlich wird da und an anderen Stellen
wieder der Redaktor dafür verantwortlich gemacht (S. 87. 90).
F. selbst wirft die Frage a'uf und läßt sie unbeantwortet (S. 103),
wie sich die Mutter der Lebendigen (hawwa) mit der Todesgöttin
hwt zusammenreime. Die mehrmalige Ausschaltung des im E-Text
vorkommenden Adam erscheint als petitio principii. Daß aus der
Frau Adams die Frau Gottes gemacht wird, ist vollends abwegig.
Soweit solche und andere heidnisch-mythologische Gedanken mit
der Herkunft von E aus dem synkretistischen Nordreich in Verbindung
gebracht werden, verstärkt es den zu erhebenden Einwand
, wie ein deuteronomistisch gefärbter Redaktor solche Geschichten
hat aufnehmen und dem jahwistischen Werk hat beimengen
können. Bedenklich ist auch die konfessionelle Abstempelung
, die E katholisierende und naturalistisch-materialistische
Tendenzen zuschreibt und J mit einer Theologie, der sehr
stark Fußsche Gedanken aufgeprägt sind, als evangelisch in Anspruch
nehmen möchte.

Daß F. das Reden der Schlange als Wortwerden menschlicher
Sinneseindrücke zu fassen sucht (S. 124 ff.), erinnert verblüffend an die
Art, wie Leibniz, durch Hermann von der Hardt angeregt, Bileams
redende Eselin deutete (Hardt ließ L.s „Histoire de Bileam" anonym
1706 in Helmstedt drucken und deutete selber den Streit zwischen der
Eselin und Bileam als Widerstreit zwischen Bileams Einsicht und Affekt:
Aenigmata prisci orbis, Helmstedt 1723, S. 484 Anm. a).

Trebitz/Elbe Hans Möller

Bauer-Kayatz, Christa: Einführung in die alttestamentliche Weisheit
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JUDAICA

Rengstorf, Karl Heinrich, u. Siegfried von Kor tz fleisch
[Hrsg.]: Kirche und Synagoge. Handbuch zur Geschichte von Christen
und Juden, Darstellung mit Quellen. I. Stuttgart: Klett [1968]. 504 S.
gr. 8°. Lw. DM 56.—.

Der Antisemitismus — auch dort, wo man sich von den anti-
jüdischen Greueln des „Dritten Reiches" bewußt distanziert,
durchaus nicht immer ganz überwunden — ist ohne Zweifel die
säkularisierte, pseudowissenschaftlich verbrämte Fortsetzung des
von der Kirche jahrhundertelang gepflegten Judenhasses; so ist es
gewiß nicht zuletzt eine Aufgabe der Kirche, das ihre zum Sieg über
den Antisemitismus beizutragen. Aus dieser Erkenntnis heraus
entstand der Auftrag, eine kurze Handreichung über den Antisemitismus
auszuarbeiten. Eine Broschüre jedoch hätte angesichts
der Komplexität des Problems und seiner Materialien die gestellte
Aufgabe keineswegs leisten können; statt ihrer legen die Herausgeber
jetzt den ersten Band eines auf zwei Bände berechneten
Handbuchs vor, der unter Mitarbeit evangelischer, katholischer
und jüdischer Autoren entstand. Zunächst für die Zeit von der
urchristlichen Gemeinde bis zur protestantischen Orthodoxie des
17. Jahrhunderts (der zweite Band wird den Zeitraum bis etwa
1930 behandeln) bietet das vorliegende Werk ausführliche Einzeldarstellungen
aller Teile der Christenheit in ihrer Begegnung mit
dem Judentum, dokumentiert durch die wörtliche (deutschsprachige
) Wiedergabe von zusammen 370 Quellentexten; die
unentbehrliche Sekundärliteratur wird durch zahlreiche Anmerkungen
erschlossen.

Die neutestamentliche und unmittelbar nachapostolische christliche
Literatur in ihrer Stellung zum Judentum behandelt Karl Heinrich
R e n g s t o r f (1. Kapitel: Das Neue Testament und die nachapostolische
Zeit, S. 23—83); im einzelnen befragt der Autor die paulinischen Briefe,
die älteren Evangelien und die Apostelgeschichte des Lukas, die
johanneischen Schriften, schließlich auch die übrigen Bücher des Neuen
Testaments (Mt., Jak., Hebr., Tit. u. a.) nach der Rolle Israels und der
Juden in ihrer theologischen Denkwelt. Die christlich-jüdische Auseinandersetzung
im Zeitalter der Apostolischen Väter gliedert Rengstorf
geschickt nach den verschiedenen Gebieten des Reiches; Marcion, dem
Thomasevangelium und Melito von Sardes sind besondere Abschnitte
gewidmet. - Patristik und frühes Mittelalter (2. Kapitel, S. 84-209)
werden in drei selbständigen Unterkapiteln dargestellt, welche die Entwicklung
im Westen, im Osten und in den orientalischen Kirchen aufzeigen
. — Bernhard Blumenkranz untersucht die Stellung der
Westkirche zum Judentum in den Jahren zwischen 200 und 1200
(S. 84-135): vor und nach dem konstantinischen Toleranzcdikt (313),
nach dem Zusammenbruch Westroms (476) in den Nachfolgestaaten,
schließlich in der Zeit der Kreuzzüge. — Die Entwicklung im Osten bis
Justinian (vor und nach Konstantin) zeichnet Bernhard K ö 11 i n g nach
(S. 136—174), die Entwicklung im Bereich der orientalischen Kirchen
(syrische, koptische, armenische, äthiopische Kirchen) Winfried
Cramer (S. 175—209). — Breiten Raum beansprucht begreiflicherweise