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Ausgabe:

1969

Spalte:

577-579

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Fuß, Werner

Titel/Untertitel:

Die sogenannte Paradieserzählung 1969

Rezensent:

Möller, Hans

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 8

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aus der „mosaischen Zeit" hergeleitet werden, ohne daß man an
der Autorschaft Mosis festhält. Van O. unterscheidet die Entstehung
der Anweisungen über die Freistädte von ihrer Aufzeichnung
, die später erfolgte, wahrscheinlich in der Hauptsache
„zur Zeit der ersten Könige von Israel" (S. 222). Nach der Meinung
des Verf.s hat Mose gemäß dem biblischen Zeugnis drei
Freistädte im Ostjordanland ausgesondert und Josua nach der
Eroberung des Westjordanlandes drei solche Orte dort eingerichtet
, wobei in Jo 20 die drei ostjordanischen mir der Vollständigkeit
halber nochmals wiederholt würden. Bei den Sätzen Dt 19,
8—10 sei möglicherweise an drei weitere Städte im Westjordanland
gedacht.

Wer die Bestimmungen über die Freistädtc aus späterer Zeit
herleiten will, steht vor Schwierigkeiten, mit denen man nur
durch die Annahme einer verwickelten Überlieferungsgeschichtc
fertig wird. Die mit Namen genannten Freistädte gehörten nur
in der alten Zeit allesamt zum Gebiet Israels. Deswegen stammen
die Anweisungen über sie auch aus dieser alten Zeit, wird in
ihnen ja die Blutrache noch als voll funktionierend vorausgesetzt
. Man hat es also mit keiner Utopie, sondern mit einer
Wirklichkeit zu tun.

Man wird nicht übersehen können, daß diese Sicht der
Dinge, von der van O. bei der Behandlung des gesamten Problems
ausgeht, auch mit vielen Schwierigkeiten belastet ist, und
fragen dürfen, ob es dem Befund doch nicht eher entspricht,
wenn man den Problemkreis der Asylstädte in den Idealen der
Spätzeit israelitisch-jüdischer Geschichte verwurzelt sieht.

Ein Charakteristikum dieser gründlichen Arbeit bedarf
schließlich noch der Erwähnung. Der Autor denkt und argumentiert
aus echter Frömmigkeit, die die Aktualität des Bibelwortes
für unsere Zeit erkennt und betont. Er beschäftigt sich mit der
Geschichte nicht um ihrer selbst willen, sondern fragt, was die
Gedanken und Einrichtungen der Vergangenheit uns heute zu
sagen haben, inwiefern sie die Fragen, die vor uns stehen, zu
lösen imstande sind. Innerhalb seiner Untersuchung kann Verf.
freilich — wie er selbst betont — keine Antworten finden. Deshalb
schließt er in den §§ 33 und 34 unter den Titeln „De vrij-
steden cn het Nicuwe Testament" und „Christ our Rcfuge" eine
Reihe von m. E. die Sache durchaus treffenden hermeneutischen
Überlegungen an. Man darf ihm dafür besonderen Dank wissen.
Es kann heute nur begrüßt werden, wenn man bei derartigen
Untersuchungen wie der vorliegenden solche Erwägungen findet.
Sic dienen der Sache und werden der Erkenntnis gerecht, daß
letzten Endes alle Arbeit am AT immer wieder unter das Licht
unseres Glaubens treten muß, sofern wir sie als christliche Theologen
betreiben.

IxMpzig Wolfram Herrmann

Fuß, Werner: Die sogenannte Paradicscrzählung. Aufbau, Herkunft
und theologisdie Bedeutung. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
G. Mohn [19681- 134 S. gr. 8°. Kart. DM 19.80.

Die Pcntatcuchkritik rechnet mit den Größen J, E, D und P.
Der Verf. möchte das aus JED zusammengesetzte Erzählwcrk
rekonstruieren, das der Priesterschrift als Vorlage gedient hat.
Die ihm vorschwebende Gesamtschau illustriert er an dem kleinen
Anfangsstück Gen. 2.3. Für sich selbst hat er die Linien schon
weiter ausgezogen, und hin und wieder ergänzt er seine an
Gen. 2.3 gemachten Beobachtungen durch Hinweise auf entsprechende
Eigenarten sonstiger Stellen in Gen., Ex. u. Num. Er
versucht eine redaktionsgcschichtlichc Betrachtungsweise. Die
jüngste, uns zeitlich am nächsten liegende Entstehungsphase
müsse zuerst untersucht werden, dann könne man litcrarkritisch
und traditionsgcschichtlich zu älteren Schichten vorstoßen. Während
zur Zeit die Formgcschichtc das Feld der alttcstamcntlichcn
Wissenschaft beherrscht, geht er mit der Forderung einer Rcdak-
tionsgeschichte eigene, neue Wege.

Das Aufkommen der formgeschichtlichen Betrachtungsweise
des Pentateuch bzw. Hexateuch war eine Neuauflage der Fragmentenhypothese
: verschiedene Rinnsale ortsgebundener, disparater
Überlieferungen flössen zu einem Strom zusammen. Im
Gegensatz dazu ist die redaktionsgeschichtliche Betrachtungsweise
eine Neuauflage der Urkundenhypothese: da wird nun wieder
auf folgerichtig aufgebaute Darstellung, auf profiliertes Daseinsverständnis
und auf ganz spezifischen Sprachgebrauch größter
Wert gelegt, und bis auf Halb- und Viertelverse wird jeder
Quelle ihr Anteil zugewiesen.

Fuß folgt denen, die Gen. 2.3 nicht bloß der einen Quelle J
zuschreiben, sondern auf diese oder jene Weise zwei Quellen
unterscheiden (Budde, Gunkel, Smend, Meinhold, Eißfcldt,
Begrich, Holzinger, Flumbert). Er teilt den einen Erzählungsstrang
J zu, den anderen E. Den Redaktor betrachtet er als selbständig
arbeitenden, produktiven Schriftsteller, der die beiden
Erzählungsfäden zusammenwebt und sie dabei sachlich und
sprachlich in wortklauberischer Manier ausgleicht. Daß dieser
Ausgleichsredaktor deuteronomistische Eigentümlichkeiten habe,
wird viermal hervorgehoben, doch wird dabei nicht ersichtlich,
in welchem Verhältnis R zu D steht, ob er das D verfaßt hat
(so könnte man es S. 9.80 auffassen) oder von D beeinflußt ist
(so klingt es S. 69.81, vgl. auch S. 120).

Für J ergibt sich aus der von F. angestellten diffizilen Analyse
eine Ackergeschichte. Dort leben der Mensch und sein Weib, dort
werden sie versucht, und der Acker wird von Gott verflucht. Die
Oberfläche des Ackerbodens ist das Feld, das Wachstum wird
durch Regen hervorgerufen. Ein Berührungsverbot macht deutlich,
daß von vornherein ein Abstand zwischen Gott und Menschen
besteht. Die vorhandenen Zustände in der Welt werden realistisch
und allgemeingültig gedeutet. J hat sein Menschenbild an dem
Menschen und seinem Weib exemplifiziert, es handele sich nicht
um ein einmaliges Geschehen. Von jeher hat der Mensch zu
arbeiten und die Frau Kinder zu kriegen, von jeher ist der Acker
von Schädlingen bedroht und der Mensch sterblich. J soll sich
durch gewandte Sprache und gewählte Ausdrucksweise auszeichnen
.

E dagegen biete eine Gartengeschichte. In dem von Rüssen
bewässerten Garten lebte nur die Frau. Durch die zwischen der
Gottheit und ihr bestehende Zuneigung wird sie Mutter des
Kain, der dann ihr Mann und Stammvater der Menschheit wird.
Ein Eßverbot besteht, magische Elemente spielen eine Rolle. Das
Ganze wird als einmaliges Geschehen geschildert, E hat sein
Menschenbild in der Person der Eva historisiert. Auch E hat
seinen Sprachgebrauch, aber nicht so gleichförmig und nicht so
auserlesen wie J.

Den Gebrauch der Gottesnamen (Jahwe-Elohim nebeneinander
) erklärt F. so: der Ausglcichsredaktor addiert die zwei verschiedenen
Gottesbezeichnungen seiner Quellen und verwendet
beide auch selber. Von Kap. 4 an wurde er der Doppelung müde.
Als Erzähler verwendet J von Anfang an Jahwe, aber da er die
Kenntnis des Jahwenamens erst 4,26 aufkommen läßt, reden
Weib und Schlange in Kap. 3 nur von Elohim.

Traditionsgeschichtlich leitet F. die E-Stoffe aus Mesopotamien
her und bringt die hawwa mit der Göttin hwt in Verbindung
, J dagegen habe nicht auf solche Vorlagen zurückgegriffen,
höchstens für die Form der Chaosbeschreibung 2, 5 käme auswärtige
Entsprechung in Betracht. E gehe auf Traditionen des
Nordreichs zurück, und für das Verhältnis von J und E sei das
Miteinander oder Gegeneinander beider Reiche wichtig.

Beide Erzähler, J und E, wollten darstellen, wie die Menschheit
das wurde, was sie ist. Sie erreichen aber das ähnliche Ziel
auf grundverschiedenen Wegen. Nach E besteht zwischen Gott
und der Kreatur eine Kontinuität des Wesens, so daß die analogia
entis anzuwenden ist, und die Ursünde ist die Konkupiszenz. Bei
J steht der Mensch zwischen Gott und der Kreatur, und der
Sündcnfall besteht darin, daß der Mensch erst auf Jahwe und dann