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Ausgabe:

1969

Spalte:

575-577

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Oeveren, Benjamin van

Titel/Untertitel:

De vrijsteden in het oude testament 1969

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 8

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lingt und die endgültige Befreiung erhoffen läßt. Sie gelingt unter
Samuel. Durch die Einfügung von Richter 17—21 vor 1. Samuel
sei Richter 13, 1 isoliert worden und die Verbindung zwischen
dieser einleitenden Feststellung und dem Aufruf Samuels zur Reue
und Befreiung verloren gegangen. Richter 13—16 seien entworfen
worden, um die entstandene Lücke zu schließen und einen sinnvollen
Duktus herzustellen. Die Verf. glaubt zu erkennen, daß
jedes verwendete Motiv und jedes berichtete Faktum diesem
Zweck mit großer schriftstellerischer Freiheit und Produktivität
dienstbar gemacht wurde; und daß sich ihr jedes Detail überzeugend
als Teil eines Mosaikbildes erschließt, ist für die Verf.
ein Beweis für die Richtigkeit ihrer Hypothese.

Ohne Zweifel werden künftig viele ähnlich eigenwillige und
den meisten Experten heute abwegig erscheinende Entwürfe vorgelegt
werden. Die Zerfahrenheit der Forschung, das üppig ins
Kraut geschossene Hypothesenspiel muß die Abkehr von den
gängigen Methoden und Ergebnissen herausfordern. Mit Recht
mißtraut die Verfasserin einem Bemühen, das bei Anwendung
gleicher Methoden in einer Forschungsarbeit von vielen Jahrzehnten
immer nur neue ungesicherte, völlig verschiedene und
einander widersprechende Ergebnisse hervorbringt. Die Frage ist
nur, wo ein neuer Weg sichtbar wird, der aus der Sackgasse herausführen
könnte. Die Verf. hat nur eine neue ungesicherte
Hypothese vorgetragen. Daß die einzelnen Teile des Simson-
Komplexes sich ihr überzeugend als Steine eines von ihr entdeckten
Mosaiks ergeben haben, ist gewiß subjektiv richtig. Aber
andere sehen das Mosaikbild nicht. Warum z. B. konnte es bei so
planmäßiger schriftstellerischer Arbeit geschehen, daß Richter
17—21 an einer den Zusammenhang unterbrechenden Stelle eingefügt
wurden, so daß nachträglich eine Lücke auszufüllen war?
Der geradezu vokalinspiratorische Konservativismus bei der Behandlung
des masoretischen Textes verrät die gleiche Selbstsicherheit
, die anders lautenden Urteilen nicht gerecht werden kann.
Dennoch ist in Einzelfragen sauber gearbeitet und gründlich argumentiert
, und die künftige Exegese der Simson-Kapitel wird an
dem Buch von Aleida van Daalen nicht vorbeigehen können.

Kii>] Fritz M a a s 8

Ocveren, B. van, Dr.: De Vrijsteden in het Oude Testament. Kampen
: Kok 1968. 282 S. m. 1 Kte. gr. 8°. hfl. 14.75.

Es handelt sich bei vorliegender Arbeit um die Dissertation
des Verfassers. In ihr geht es um das Problem der sog. Asyl- oder
Freistädte. Verf. will eine Antwort finden auf die Frage nach der
Aufgabe und dem Zweck dieser Stätten.

Die Erörterungen gliedern sich wie folgt: I. Einleitender Teil.
Kap. 1: nähere Bestimmung unseres Gegenstandes, Kap. 2: außer-
alttestamentliche Belege. IL Exegetischer Teil. Kap. 1: Exegese
der betreffenden Texte, Kap. 2: nähere Betrachtung bestimmter
Aspekte. III. Zusammenfassender Teil. Kap. 1: Fragen der Datierung
und Geschichtlichkeit, Kap. 2: die Bedeutung der Freistädte.
Zur schnellen Orientierung für den des Holländischen nicht kundigen
Leser hat der Autor eine „Übersicht" genannte kurze deutschsprachige
Wiedergabe der Hauptgedanken seiner Darlegungen
angefügt. Ein Literaturverzeichnis, ein Verzeichnis der Abkürzungen
, Transkriptionshinweise, ein Autorenregister und ein kurzes
Stellenregister beschließen das Buch.

Von den wenigen nicht ins Gewicht fallenden Druckfehlern muß
auf zwei sinnentstellende hingewiesen werden, die beide in Zitaten vorkommen
: S. 198 Z. 15 muß es .verlangt' statt .erlangt' heißen; S. 236
ist als Z. 28 fälschlich eine weiter oben stehende (Z. 12) nochmals gesetzt
und die richtige ausgefallen. Das gesamte Zitat lautet: „Der Gastgeber
und seine Familie waren in jeder Hinsicht zum Schutze des Gastes
verbunden und wenn ihm ein Unheil zustieß, zur Rache verpflichtet."

Nach der Erörterung des Materials über Blutrache und Asylstätten
bei den Völkern der Umwelt werden — in der Reihenfolge
der biblischen Bücher — folgende Abschnitte exegesiert:
Ex 21,12-14; Nu 35,6.9-34; Dt 4,41-43; 19,1-13; Jo 20,

1—9 und andere Stellen, in denen auf unterschiedliche Weise vom
Asyl die Rede ist.

Nach van O. ist der Begriff OIpO Ex 21, 13 nicht identisch mit
dem „Altar" in V. 14, sondern meint die Freistadt. Der Begriff hat hier
eine andere Bedeutung als in Jo 20. 4. Nu 3 5 erläutert näher, was Ex 21
allgemein gesagt war. Die Anweisung von Dt 19, 3 sei so aufzufassen,
daß davon die Rede ist, der Weg zu den Freistädten müsse in Ordnung
gebracht werden, damit sie leicht erreicht werden könnten. Verf. deutet
die hier im Hifil gebrauchte Wurzel 713 durch .bereit machen, in Ordnung
bringen' und kann dazu auf Gesenius-Buhl und Köhler sowie auf
die griechische Übersetzung der LXX und die lateinische der Vulgata
verweisen. Auf den Seiten 139—150 erörtert van O. die Übereinstimmungen
und Verschiedenheiten, welche sich in den Texten über die Freistädte
finden. Die Verschiedenheiten gehen z. T. auf die zeitliche Differenz
in der Entstehung der einzelnen Abschnitte zurück, z. T. darauf, daß
die Stücke aus unterschiedlichen Überlieferungskreisen stammen. Überhaupt
vertreten die Texte verschiedene Gesichtspunkte. Keiner strebt
nach Vollständigkeit, also kann man sie miteinander in Einklang
bringen.

Verf. geht auch von der Überzeugung aus, daß die Einrichtung
der Freistädte die Durchführung der Blutrache regelt, sie
rechtens möglich macht und vor Mißbrauch schützt. Er kann davon
sprechen, daß man heute in immer stärkerem Maße von der Meinung
abrückt, das Gesetz über die Asylstädte sei infolge der
Kultuszentralisation unter Josia entstanden. Vielmehr spreche
die Tatsache, daß der Bluträcher in Nu und Dt genannt wird, für
das Alter des Instituts der Freistädte. Da ein Flüchtling nicht
ständig bei einem Altar bleiben konnte oder aber weil ein Heiligtum
oft weit entfernt sein konnte, habe sich ihre Einrichtung
nötig gemacht. Die Bestimmung einer Stadt zu einer Freistadt
hing jedoch nicht daran, daß sich dort ein Heiligtum befand, vielmehr
mußte sie gut und schnell erreicht werden können. Verf.
will tatsächlich die Wahl der mit Namen genannten Freistädte
aus ihrer günstigen Lage erklären. Diese Lage habe hier nur schon
früh Heiligtümer entstehen lassen1. Bei einer Zufluchtsstadt
bietet demzufolge die gesamte Stadt Asyl, nicht nur ein Bereich
um das Heiligtum in dieser Stadt.

Van O. lehnt die Meinung ab, der Aufenthalt in einer Freistadt
sei eine Art Verbannung gewesen, denn derjenige, der unvorsätzlich
einen Totschlag beging und in einer Freistadt Asyl fand, konnte mit dem
Tod des Hohenpriesters unbeschadet in seine Heimat zurückkehren. Zu
dieser Nu 3 5, 25.28; Jo 20,6 ausgesprochenen Feststellung trägt er die
verschiedenen dazu geäußerten Ansichten vor, hält sie aber nicht für
stichhaltig und versteht die Dinge anders: Jede Freistadt war eine
Levitenstadt. Der Asyl-Suchende wurde in den Stamm der Leviten aufgenommen
, der durch den Hohenpriester vertreten wurde. Mit dessen
Tode riß das Band zur Asylstadt.

Die Freistädte fungierten als Zufluchtsorte „etwa von der
Richterzeit bis zur Teilung des Reiches" (ongeveer vanaf de
periode der Richteren tot de scheuring van het rijk, S. 226). In
der nachexilischen Zeit hatten sie keine praktische Bedeutung
mehr.

Nun gibt es keinen Bericht im AT, wonach einmal jemand in einer
Freistadt Zuflucht gesucht hätte. Dagegen suchte man Tempel und Altar
auch in anderen Fällen als Zufluchtsorte auf, nicht nur, wenn man versehentlich
jemanden getötet hatte. Verf. gibt zur Erklärung nur die
Bemerkung, in der Königszeit hätten die Freistädte an Bedeutung eingebüßt
, weil der König die Angelegenheiten der Blutrache in seine Entscheidung
zog (S. 184).

Der Autor setzt großes Vertrauen in den masoretischen Text
und zieht ihn in der Regel den anderen alten Versionen vor.
Demgemäß ist er auch sehr zurückhaltend gegenüber Textänderungen
, auch in literarkritischen Urteilen. Hinsichtlich der Ansicht
über die Entstehung des Pentateuchs steht er auf der Linie
von Noordtzij, Aalders, Gispen und Ridderbos. Diese Auffassung
ist im wesentlichen dadurch geprägt, daß die verschiedenen Stoffe

') "^r! will auch van O. mit Jer 48, 24 und Boaop

1 Mkk 5, 36 identifizieren und dabei an die heutige Umm el'Amad,
13 km nordöstlich von Mädabä, denken.