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Ausgabe:

1969

Spalte:

549-550

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Knevels, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Gottesglaube in der säkularen Welt 1969

Rezensent:

Konrad, Joachim

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Seite 1

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„Kirchlichen Volksmission" weiß er, daß es seit Hilbert in den deutschen
Landeskirchen im Gespräch ist. „Doch wird man fragen dürfen
, ob die Volkskirche eine theologisch mögliche und verheißungsvolle
volksmissionarische Wirksamkeit entfalten kann" (50). P. seinerseits
vermag in der volkskirchlichen Struktur (mit Luther, wie
er meint: 49) nur eine „Notlösung" zu sehen. Denn die evangelisie-
rende Kirche (4. Kapitel) ist „als die Schar derjenigen Christen zu
definieren, die aktiv im Bekenntnis an den dreieinigen Gott und in
der Gemeinschaft leben" (88).

Obwohl die ganze Kirche zur Evangelisation berufen ist, hat es
schon z. Z. des Neuen Testaments besondere Evangelisten gegeben
(78). Darum wendet sich der Vf. nun der „Evangelisation im engeren
Sinn" (5. Kapitel) zu. Zur Form der Massen- und der interkonfessionellen
Evangelisation (Billy Graham!) äußert er sich dabei kritisch
, ohne sie doch für „völlig unfruchtbar" (93) zu halten.

Den Menschen, dem das Evangelium gilt, schildert das 6. Kapitel
(„Das Problem der evangelistischen Anpassung") in Abwehr vereinfachender
Firmierungen des „religionslosen" oder „technischen"
Menschen. Auch der moderne Mensch weift um Schuld, gerade angesichts
seines ethischen Versagens gegenüber den wissenschaftlichtechnischen
Möglichkeiten (100)! So ist die Anpassung an ihn eine
Frage an die Agape, nicht an die Methode.

Homiletische und liturgische Erörterungen füllen das 7. Kapitel
(„Evangelistische Verkündigung"); „Künstliche Modernität" (119) und
„Sprache Kanaans" (122) werden hier genauso abgewiesen wie bei
dem Spezialproblem einer „Verkündigung durch die Musik" (128)
die „geistliche Schnulze" einerseits, die Repristination klassischer Weisen
andererseits. Den organisatorischen Fragen (z. B. der Vor- und
Nacharbeit) ist das 8. Kapitel gewidmet, „Evangelisation praktisch".
Im Schlußabschnitt schließlich, in dem er untersucht, wie sich „Die
Evangelisation und die Massenmedien" zueinander verhalten, kann
der Autor auf frühere Veröffentlichungen und auf Erfahrungen zurückgreifen
, die er am Rundfunk in der Leitung der „Lutherischen
Stunde" gesammelt hat.

Als freikirchlicher Lutheraner erwartet P. für die missionarische
Aktivierung der Kirche wenig vom „modernen Ökumenismus" (67).
Wahrscheinlich hat er darum die ökumenische Diskussion so gut wie
gar nicht beachtet. Das aber ist der entscheidende Mangel seiner
Darstellung! So gute praktische Ratschläge er gibt - in der „Theologie
" der Evangelisation bleibt er weit hinter dem zurück, was in
den letzten Jahren erarbeitet wurde. Vor allem an Hans Jochen
Margull („Theologie der missionarischen Verkündigung. Evangelisation
als ökumenisches Problem" 1959) hätte er nicht vorbeigehen
dürfen!

Die verarbeitete Literatur ist aber überhaupt lückenhaft. So fehlt
Otto Riecker „Das evangelistische Wort" (19533) - ein Buch, seit
dessen Erscheinen man schwerlich behaupten kann, daß „die Evan-
gelisations-Ansprache eigenartigerweise kaum ins Blickfeld der
Predigtkunde gerückt" sei (112)! Unberücksichtigt bleiben weiter
wichtige Veröffentlichungen von Füllkrug, Schreiner, Rendtorff,
Toaspern.

In Erörterung der Einstellung der lutherischen Freikirchen zur
Aufgabe der Evangelisation schildert der Vf. einmal eindrücklich,
wie dort die Protesthaltung gegenüber den Landeskirchen und der
Traditionalismus den missionarischen Impuls lähmen mußten. Er
wehrt sich gegen dies Gesetz: „Will man ... Kirche sein und gerade
durch bekenntnistreue Haltung zum Bau des Gottesreiches beitragen,
. .. dann muß man aus dem Schatten oder Ghetto hervorkommen
und sich ganz unter den Auftrag Christi stellen, auch und besonders
durch die Verkündigung des Evangeliums ins jeweilige ,hic et nunc'
hinein . . ." (43)! In der Tatsache, daß die vorliegende Arbeit überhaupt
geschrieben wurde, meint der Rezensent einen solchen Schritt
„aus dem Schatten oder Ghetto hervor" zu erkennen; insofern erachtet
er sie trotz ihrer Mängel für verdienstlich.

Errata i norma mormata (für: normata, 22); coetus baptizatum
(für: baptizatorum, 33);

bibaoiac.v (für: 8 i 6 et a v. t tv 134).

Berlin Reinhold Pietz

Knevels, Wilhelm: Gottesglaube in der säkularen Welt. Stuttgart
: Calwer Verlag (1968). 48 S. 8° = Calwer Hefte zur Förderung
biblischen Glaubens u. christlichen Lebens, hrsg. v. T. Schlatter
, 93. DM 2,50.

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Nachdem uns K. vor einem halben Jahrzehnt sein theologisch umfassendes
Buch „Die Wirklichkeit Gottes" (Stuttgart 1964), sowie
auch seine instruktiven Vergleichsrubriken „Selbstbesinnung des
Glaubens zwischen Fundamentalismus und Existentialtheologie"
vorgelegt hat, ist nun in Erweiterung eines 1967 in Stuttgart gehaltenen
Vortrages dieses Büchlein erschienen. In seiner klaren und
leicht faßlichen Darlegung der heutigen Problematik des Gottesglaubens
möchte man ihm eine weite Verbreitung in den Gemeinden
wünschen, die von der theologisch antagonistischen Wirrnis unserer
Zeit choquiert sind.

Nietzsches schon in den achtziger Jahren des vorigen Jahrhunderts
in seiner „Fröhlichen Wissenschaft" (Aphor. 125) vom „tollen Menschen
" proklamierte These: „Gott ist tot, wir haben ihn getötet"
erfährt ja heute in bestimmten Theologenkreisen eine reichlich
späte und epigonenhafte Aufnahme, die für die öffentliche Meinung
in der Form ihren Niederschlag findet: dem modernen säkularen
Menschen sei eo ipso der Glaube an eine Existenz Gottes unmöglich
geworden. Diesem theologisch mit dem Atheismus kokettierenden
Mißverständnis stellt sich K. energisch entgegen, indem er einmal
zeigt, was der Gottesglaube im Unterschied zu all seinen Verzerrungen
wirklich ist, was er gerade auch für uns zu bedeuten vermag
, und wie er höchst lebendig von uns erfahren werden kann;
und zweitens, indem er den viel zitierten und hofierten „säkularen
Menschen" einer kritischen Analyse unterzieht, die seinem anmaßenden
Selbstverständnis die Schranken weist. Seine introvertierte
Selbständigkeit, sein Autonomismus, sein Verstandes- und
Erfahrungs-Positivismus, sowie seine Diesseits-Gläubigkeit werden
nun ihrerseits in das Licht der christlichen Verkündigung gestellt.
Es sind nicht neue, aber weithin vergessene und darum neu zu erfassende
theologische Einsichten, die hier einem sich anthropologisch
verengenden Existentialismus, wie allerdings auch einem naiven
Fundamentalismus entgegengestellt werden. Gegenüber einer
Auflösung Gottes in eine bloße Funktion unseres Existierens und
andrerseits einem objektivierenden Mißverständnis des Glaubens
im Sinne starrer Anerkenntnis einer „Sache", wird hier der „dritte
Weg" der Begegnung mit Gottes Wirklichkeit, seiner uns umgreifenden
und bestimmenden Gegen- und Für-ständigkeit in seinem Wort
theologisch überzeugend aufgewiesen.

Auf der Basis dieses cantus firmus seines Büchleins geht nun K.
im Stil einer guten Apologetik, die verstellende Mißverständnisse
auszuräumen bemüht ist, auf eine Reihe von Problemen ein, die
heute beunruhigen: Bibelkritik, Wunderfrage, Entmythologisierung,
Theodicee, Glaubensethik und soziale Verantwortung. K.s Kenntnis
der gegenwärtigen Dichtung läßt ihn dabei auch treffende kritische
Formulierungen finden, die der Glaubensauseinandersetzung des
modernen Menschen mit den literarisch verbreiteten Meinungen
unserer Zeit gute Dienste leisten werden. - Auf wenigen Seiten eine
das Wesentliche verdeutlichende theologische Orientierung „zur Förderung
biblischen Glaubens und christlichen Lebens", wie es in der
programmatischen Überschrift der „Calwer Hefte" heißt!

Bonn Joachim Konrad

PSYCHOLOGIE UND
RELIGIONSPSYCHOLOGIE

Köberle, Adolf: Heilung und Hilfe. Christliche Wahrheitserkenntnis
in der Begegnung mit Naturwissenschaft, Medizin
und Psychotherapie. Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft
1968. IX, 285 S. 8°. DM 37,50.

Im Jahre 1929 legte Adolf Köberle eine Arbeit vor, die ihn mit
einem Schlage in der Theologenwelt bekannt machte. Sie trug den
Titel „Rechtfertigung und Heiligung" und versuchte dem „spannungsvollen
Tatbestand ... in allen Stücken rein und klar bis in
die letzte Aussage hinein völlig gerecht" zu werden, daß „die
Gnade Gottes in Christus ... nicht fern und fremd geblieben", sondern
nah gekommen sei, „und doch ist noch nicht erschienen, was
wir sein werden" (Rechtfertigung und Heiligung. Vorwort zur
2. Aufl. S. VIII). Wenn die Wissenschaftliche Buchgesellschaft jetzt
anläßlich des 70. Geburtstages von Adolf Köberle am 3. Juli 1968
eine Sammlung von Aufsätzen aus den letzten zehn bis fünfzehn
Jahren vorlegt, für die der Verfasser den Titel wählte „Heilung
und Hilfe", dann könnte sich die Vermutung aufdrängen, als sei

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 7