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Ausgabe:

1969

Spalte:

535-536

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Caro Baroja, Julio

Titel/Untertitel:

Die Hexen und ihre Welt 1969

Rezensent:

Holtz, Gottfried

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Seite 1

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H i r z e 1, Stephan: Überkonfessionelle Gemeindezentren? (Kunst
und Kirche 31, 1968 S. 168-170).

Preuss, Gustav: Welches Bild ist in der Kirche legitim? (Kunst
und Kirche 31, 1968 S. 66-69).

Rombold, Günter: Kirchenbau am Wendepunkt? (Kunst und
Kirche 31, 1968 S. 154-156).

Schade, Herbert: Zum „anonymen" Christentum der modernen
Malerei. Religiöse Strukturen im Christusbild einer säkularisierten
Welt (StZ 181, 93, 1968 S. 303-318).

- Zum Problem einer christlichen Kunst (StZ 182, 93, 1968 S. 181-
192).

- Max Beckmann: „Gestaltung ist Erlösung" (StZ 183, 94, 1969
S. 231-242).

Schwebel, Horst: Kirchenbau in der säkularen Stadt (Kunst

und Kirche 31, 1968 S. 70-75).
S i 111 e r , Joseph W.: Wie gelangen wir zu neuen künstlerischen

Weltmaßstäben? (Kunst und Kirche 31, 1968 S. 76-79).
Söhngen, Oskar: Überlegungen zum Kirchenaufbau in der

Stadt von morgen (Kunst und Kirche 31, 1968 S. 147-150).

RELIGIÖSE VOLKSKUNDE

Baroja, Julio Caro: Die Hexen und ihre Welt, übers, v. S. u.
B. H ü b n e r. Mit einer Einführung und einem ergänzenden Kapitel
von W.-E. Peuckert. Stuttgart: Klett [1967]. 363 S. m. Abb.
i. Text, 8 Taf. 8°. Lw. DM 30,-.

Dies Buch ist mit dem Hauptschrifttum von W.-E. Peuckert nahe
verwandt, und darum ist wohl begründet, daß der Deutsche ein einleitendes
und ein umfangreiches ergänzendes Kapitel zum Buch des
spanischen Forschers schrieb. Peuckert bemerkt, beim ersten Lesen
des spanischen Buches nicht nur erfreut, sondern auch niedergeschlagen
gewesen zu sein, „weil einer mir die Früchte einer dreißigjährigen
Tätigkeit vor meinen Augen und vor meiner noch schreibfaulen
Hand wegpflückte".

Baroja erklärt wiederholt, er sei in erster Linie Historiker. Er
wählte sich als naheliegendes Spezialgebiet das baskische Hexenwesen
in Geschichte und Gegenwart, dem der ganze zweite Teil des
Buches gewidmet ist. Wir begegnen vielen Schriften der Inquisitoren
und ihrer Kritiker, die uns Deutschen weniger oder gar nicht
bekannt sein dürften. Es sei hier nur e i n Name genannt: Pedro de
Valencia, der als Humanist Berühmtheit erlangte und Traktate zum
Hexenwesen auf Grund von Prozeßberichten des Jahres 1610 verfaßte
. Es verlohnt, einen Augenblick bei seinen aufgeklärten Ansichten
zu verweilen: nahe Verwandtschaft des abendländischen
Hexenwesens mit den Bacchanalien, wie sie Euripides und Livius
beschrieben haben, weiter die sachliche Erwägung, ob gewisse Taten
nicht auf teuflische Bosheit, sondern auf geistige Verirrungen
und Krankheiten zurückzuführen seien. Pedro weiß auch, daß
Traumvisionen, die als Hexenausfahrt, Teufelsanbetung, schwarze
Messen, sexuelle Exzesse und andere den Hexen zur Last gelegten
Verbrechen im Wachbewußtsein nachleben, durch Salben mit Pflanzen
- und Krötengiften erzeugt werden. Nicht nur bei Pedro, sondern
allgemein bei der spanischen Inquisition überrascht das vorsichtige
, milde Urteil, - „eine Haltung, die seltsam mit der Strenge
gegenüber den Juden und den mehr intellektuellen Häretikern kontrastiert
". Im geschichtlichen Überblick führt uns Baroja über das
Zeitalter der „klassischen" Prozesse hinaus: in die Aufklärung, zu
satirisch-kritischen Künstlern wie Bosch und Goya, zur Romantik
und in die Moderne, in welcher der Hexenglaube durchaus nicht erloschen
ist und deren anthropologische, theologische, psychiatrische
Theorien kurz dargestellt werden. Auf dem hiermit charakterisierten
zweiten Hauptteil dürfte das Schwergewicht des Buches liegen.

Der erste Teil faßt die abendländische Welt außerhalb Spaniens
ins Auge, hauptsächlich den griechisch-römischen Kulturkreis und
die abendländische christliche Welt. Hier findet der Fachgenosse viel
Bekanntes. Frühe Synodalbeschlüsse, die fränkisch-germanischen
Bußbücher, die Hexenerlasse der Päpste, der Malleus und seine
mannigfachen Vorläufer, Nachfahren und Kritiker werden herangezogen
. Man nimmt mit Freuden zur Kenntnis, daß die Kritik an
der offiziellen Meinung immer sehr lebhaft gewesen ist. Die Darstellung
bricht bei den „klassischen" Prozessen ab, um die Fortsetzung
- Friedrich von Spee, die Aufklärung - im zweiten Teil
zusammen mit ihren Problemen nachzuholen.

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Daß der Standpunkt Barojas der einer modernen Aufklärung ist,
wird der, welcher zum Buch greift, mit Recht annehmen. Die Voraussetzungen
sind von der Völkerkunde und der Soziologie und
Psychologie der „Primitiven" erarbeitet: die Vorstellungen von
Macht und Zauber, Ober- und Unterwelt, Tag- und Nachtwelt, mit
denen seelische Urgegebenheiten gesetzt seien. Mit dem betreffenden
„System" paart sich nun bei Baroja die Annahme soziologisch-
funktionalistischcr Einflüsse aus den in den Zeitaltern wechselnden
Parteikämpfen, in denen, verführt durch einen starren Dualismus,
man sich der Beschimpfung als Teufel, Dämon, Hexe bediente. Das
wird u. a. am Kampf gegen manichäische Sekten und gegen die
Stedinger aufgewiesen. So kommt ein starker gesellschaftlicher Aspekt
in die Darlegungen hinein. Es gelte, dem Umstand Rechnung
zu tragen, daß wir über Zauberei und Hexenwesen viel mehr von
denen wüßten, die an die Hexen glaubten, als von den Beschuldigten
. Der Titel „Die Hexen und ihre Welt" ist also ernst genommen
.

Peuckert, voll starker Sympathie für das Buch des Spaniers, ergänzt
den soziologischen Aspekt durch seine schon oft vertretene
Theorie von einem ehemals mutterrechtlichen Zeitalter und seinen
Überbleibseln in Weiberbünden, worüber wir neu volkskundlich
wertvolles Material an die Hand gegeben bekommen. Im Wetteifer
mit dem Kollegen bemüht sich Peuckert um die Motivgeschichte des
Hexensabbates, der Bocksgestalt des Teufels, seiner Anbetung, der
sexuellen und schwarzmagischen Exzesse. Auch hier begegnet - wie
zu erwarten - viel lehrreiches geschichtliches Material, das aber
nach dem zurückhaltenden Urteil Peuckerts zu einer überzeugenden
Beweisführung noch nicht voll ausreicht. Daß P. den narkotisierenden
Salben schon immer große Aufmerksamkeit gewidmet und ihre
Wirkung am eigenen Leib erprobt hat, wird manchem Leser dieser
Zeilen bekannt sein. Es sei aber auf die Zusammenfassung dieser
Teilfragen am Schluß des Pcuckertschen Beitrages hingewiesen.

Mit dem Blick auf das Ganze kann der Rezensent nur Achtung,
Freude und Dank bezeugen. Eine Erweiterung des geschichtlichen
Materials wird nicht ausbleiben, wenn sie auch zur wissenschaftlichen
Urteilsbildung kaum noch nötig sein dürfte. Was u. E. von
der Forschung der Zukunft zu fordern ist, ist die Konfrontierung
mit Ergebnissen und Thesen der weit geförderten parapsychologischen
Forschung.

Rostode Gottfried H o I t z

Harmening, Dieter: Fränkische Mirakelbücher. Quellen und
Untersuchungen zur historischen Volkskunde und Geschichte
der Volksfrömmigkeit (Würzburger Diözesangeschichtsblätter 28,
1966 S. 25-240).

SYSTEMATISCHE THEOLOGIE

T i 11 i c h, Paul: Die religiöse Substanz der Kultur. Schriften zur
Theologie der Kultur. Stuttgart: Evang. Verlagswerk (1967). 401 S.
8° = Gesammelte Werke, hrsg. v. R Albrecht, Bd. IX. Lw.
DM 32,-.

-: Die religiöse Deutung der Gegenwart. Schriften zur Zeitkritik.
Ebd. [1968). 330 S. 8° = Gesammelte Werke, hrsg. v. R. Albrecht,
Bd. X. Lw. DM 28,40.

Die beiden Bände, die hier zusammen angezeigt werden, sind
durch das gemeinsame Thema der Kultur verbunden. Der IX. Bd.
beschäftigt sich mit ihm grundsätzlich, der X. Bd. aktuell und zeitkritisch
. In ihnen setzt sich die verdienstvolle Ausgabe des Gesamtwerkes
von Paul Tillich auf das glückhaftestc fort.

Band IX umfaßt, wenn man zwei mitaufgenommene Diskussionsbeiträge
von W. Stählin und W. Thomas abzieht, 25 Titel. Es handelt
sich dabei um überwiegend kleine Aufsätze, Vorträge, nur zwei
von ihnen erreichen einen Umfang von 40 bzw. 50 Seiten. Ihre Entstehungszeit
erstreckt sich von 1919 bis 1962, doch sind sie nicht
chronologisch, sondern systematisch geordnet. Diese systematische
Anordnung bewirkt es, daß der Band den Eindruck einer geschlossenen
Konzeption erweckt. Das ist zum einen Teil eine freundliche
Täuschung, weil die opuscula doch in sich geschlossen und selbständig
sind. Zum anderen Teil aber hat die Systematik ihr Recht;
denn Tillich hat über viele Jahrzehnte hinweg seine Themen festgehalten
, wenn sich auch die Neigung seiner frühen Jahre zu etwas

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 7