Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

533

auf einer Glocke in Nordhausen lassen die Vermutung aufkommen,
daß Riemenschneider in seiner Frühzeit hier mitgewirkt haben
könnte. Über Vermutungen aber ist die Forschung bisher nicht
hinausgekommen. Schließlich versucht der Verf. die Frage zu beantworten
, warum die Ritztechnik auf Glocken um 1500 erlischt. Es
wurde schon vermerkt, dafj bereits im 14. Jahrhundert die Buchstaben
der Inschriften gerne aus Wachs geformt wurden. So treten
nun auch Wachsreliefs an die Stelle der Ritzungen. Als Grund für
den Wandel gibt der Verf. zu bedenken, dafj in der 2. Hälfte des
15. Jahrhunderts die graphischen Künste in Deutschland zu ungeahnter
Blüte kommen und sich ihnen gegenüber die Glocken-
ritzungen, bedingt durch das spröde Material, altertümlich ausnehmen
mußten. Sicherlich hat die nun Raum gewinnende naturalistische
Kunstauffassung das Interesse an der auf Abstraktion zielenden
Vergeistigung der Ritzzeichnung verloren. Hinzu kommt die
auf Publizität hinausgehende Vervielfältigungsmöglichkeit aller damaligen
Graphik, von der die Technik der Glockenritzung ausgeschlossen
war. Den vom Verf. vorgebrachten Gründen könnte vielleicht
noch hinzugefügt werden, dafj das Übergewicht der Schnitzaltäre
den Blick der Zeit stärker auf die Plastik lenkte. Vielleicht
haben die Gießer damals auch aus Mangel an für ihre Technik
interessierten Künstlern wieder zu den alten Modeln gegriffen.

Die Literatur über Glocken ist in den letzten Jahrzehnten so angewachsen
, daß hier eine sinnvolle Auswahl getroffen werden
mußte.

Der Katalog vermittelt in Tabellenform Gußjahr, Ort, Kirche und
Glockennamen, Politische Zugehörigkeit, Inventarband, Durchmesser
, Inschrift, Darstellung, Höhe der Zeichnung, Abbildungsnummer
, Abbildungsnachweis und Bemerkungen. In dem Abbildungsnachweis
tauchen sehr wenige Originalfotos auf, hingegen eine
große Zahl von Graphitabreibungen des Glockenmuseums in Apolda.
Wer hat sie hergestellt? Leider fehlt auch der Hinweis darauf, daß
dem Verf. die Kartei zur Verfügung stand, die Architekt Heinzcl
im Auftrag der Berliner Kirchenbehörden in jahrelanger Arbeit erstellte
, sowie auf das, was Walter Kühne bereits vor dem Krieg auf
diesem Gebiet geleistet hat, er wird lediglich im Literaturverzeichnis
genannt. Im übrigen erweist sich der Katalog als brauchbar für
die weitere Arbeit. Die beigefügte Karte macht die Verbreitung der
Ritzzeichnungen anschaulich.

Der Tafelteil bietet eine gute und nützliche Auswahl, die dem
Kunsthistoriker selbständige Vergleiche mit spätmittelalterlicher
Graphik ermöglicht und den Theologen befähigt, den Motivschatz
mit zeitgenössischer Frömmigkeit in Beziehung zu setzen.

Jena Hanna J u r s c h

Riedel, Ingrid: Bildinterpretation. Zum Umgang mit Bildern in
Schule, Jugend- und Gcmeindcarbcit. München: Kaiser 1969.
176 S., 27 Abb. a. 16 Taf. gr. 8° = Hilfsbücher für den kirchlichen
Unterricht, 14. Hlw. DM 19,80.

Jeder, der einmal versucht, einer Gemeindegruppe das Erlebnis
echter Kunst in Bildwerken zu vermitteln, weiß, wie stark der
Mensch unserer Tage auf Bilder anzusprechen ist und wie er unmittelbar
auf ihre optische Wirkung reagiert. In den Werken der
christlichen Kunst hat die Kirche einen Schatz an Glaubenszeugnis-
sen, der durchaus ihrem Liedgut vergleichbar, aber noch kaum gehoben
ist. Der Zugang zum Bild muß erschlossen werden. Das Bild
bedarf der Interpretationshilfe, um die ihm eigene Ausdrucksweise
durch Komposition, Linie, Form und Farbe in ihrem Wert als keryg-
matisches Mittel einsichtig zu machen. Die bisher übliche Bilderklärung
christlicher Bildwerke geht vom Thema, der biblischen
Perikope, aus und erschöpft sich zumeist in der Feststellung thematischer
Motive, wobei die eigentliche Sprache der Bildkunst -
wenn überhaupt - nur am Rande zur Geltung kommt. Die Verfasserin
schlägt als Alternative den umgekehrten Weg vor, das Kunstwerk
aus seinen eigenen Mitteln zu erschließen und von der künstlerischen
Bildgestalt zur kerygmatischen Aussage vorzudringen, ein
Weg, der, weil er eine größere Einfühlung voraussetzt, schwieriger,
aber sicher sachgemäß ist.

Unter Bildinterpretation versteht die Verfasserin nicht allein historische
oder thematische Erklärungen, sondern eine Wiedererweckung
des künstlerischen Impulses beim Betrachter, ähnlich
wie eine musikalische Komposition durch Reproduktion wieder-
erweckt wird. Überzeugt, daß nicht nur am Gehalt, sondern auch an

534

der Gestalt eines Bildes christlicher Kunst das kerygmatische Zeugnis
abzulesen ist, spricht die Verfasserin von „kerygmatischer Bildinterpretation
". Diese sucht nicht nur rationale Einsicht, sondern
Zugang zum Erlebnis der Kunstschöpfung zu vermitteln. Dadurch
soll eine tiefere Schicht der Deutung des Wortes durch das Bild aktiviert
werden. Die Aufgabe „kerygmatischer Bildinterpretation"
besteht nach Ansicht der Verfasserin darin, „die Korrelation zwischen
Wort und Bild deutlich zu machen und die Sprache des Glaubens
neu aus der Anschauung, die das Bild gibt, zu schöpfen".

Das Buch gibt die Hilfe einer hermeneutischen Untersuchung der
bildnerischen Mittel und ihrer spezifischen Wirkungsweisen. Nach
einleitenden Überlegungen des Verhältnisses zwischen biblischem
Text und dem „worthaltigen Bild" werden die kerygmatischen Wirkungsweisen
der bildnerischen Mittel behandelt. Hierbei kommen
Bildfläche und -format, Linie, Farbe sowie Farbklänge, -kontraste
und -licht, das Zusammenspiel von Linie und Farbe, Komposition
und Perspektive in Betracht. An Hand einiger bekannter Kunstwerke
werden Beispiele dieser Methode, die, von den Bildmitteln
ausgehend, in die kerygmatische Aussage mündet, geboten.

Im zweiten Teil entwirft die Verfasserin eine Methodik für die
Erschließung der Bilder im Gespräch mit jungen und erwachsenen
Menschen. Diese soll die im ersten Teil erarbeiteten Einsichten des
Bildverständnisses erproben. Der kerygmatische Gehalt eines Bildes
soll hierbei bereits bei der Formanalyse heraustreten, nicht erst bei
der des thematischen Inhaltes. Hierbei kommt die Verfasserin zu
überraschenden Einsichten, die von der Sache her sehr naheliegen,
aber bisher kaum gesehen wurden. Die völlige Voraussetzungs-
losigkeit einer Bildinterpretation, die nicht vom biblischen Wort
ausgeht, sondern vom Bild zum Wort heranführt, erscheint als ein
Muster „religionsloser Verkündigung", wie sie Bonhoeffer empfohlen
hat. Die Weltlichkeit der Verkündigungsmittel wird in dieser
Methode ernst genommen. Freilich setzt sie ein starkes künstlerisches
Verständnis und Engagement voraus, da nur der vom Kunstwerk
Ergriffene imstande ist, die stumme Sprache des Bildes zu erschließen
und in gemeinverständlicher Weise in gesprochene Aussage
zu übersetzen.

Einige wertvolle Hinweise auf alterstypische Unterschiede in der
Verstchensbereitschaft Jugendlicher werden in einem Schlußkapitel
gegeben, wobei die Affinität der Bildauffassung des Kindes zur
frühmittelalterlichen und modernen Kunst betont wird.

Die Arbeit schließt eine Lücke in der einschlägigen Literatur und
ergänzt glücklich vor allem das Buch „Vom Sehen zum Hören" von
L. Corbach, Kunstwerke im Religionsunterricht (Theologische Literaturzeitung
Nr. 1/1967, S. 74). Die Verfasserin verzichtet ausdrücklich
auf kunstgeschichtliche, ikonographische und ikonologische
Gesichtspunkte. Dafür macht die Arbeit mit wichtigen Dokumentationen
zeitgenössischer Künstler und Kunstinterpreten bekannt.
Auch geht die Verfasserin nicht an der Kunst unseres Jahrhunderts
vorüber, sondern bringt neben klassischen auch Beispiele expressionistischer
und abstrakter Maler, wie etwa drei farbig abgebildete
Werke des französischen Malers Manessicr (geb. 1911), die sich als
besonders geeignet erweisen, die bildnerischen Mittel in ihrem
Ausdruckswert verstehen zu lernen. Das Buch ist mit 27 Abbildungen
, davon 7 Farbtafeln, gut ausgestattet.

Radebeul Christian Rietschel

B e n U r i, Meir: Probleme synagogaler Kunst in Israel (Kunst und
Kirche 31, 1968 S. 79-81).

Blankesteijn, H. R.: Kirche in der Mitte. Versuche und Projekte
in den Niederlanden (Kunst und Kirche 32, 1969 S. 2-13).

Brandenburg, Hugo: Bellerophon christianus? Zur Deutung
des Mosaiks von Hinton St. Mary und zum Problem der Mythendarstellungen
in der kaiserzeitlichen dekorativen Kunst (RQ 63,
1968 S. 49-86).

Christern, Jürgen: Der Aufriß von Alt-St.-Peter (RQ 62, 1967
S. 133-183).

Echternach, Helmut: Das Kreuz als christliches Symbol (ZW

39, 1968 S. 153-165).
Fischer, Joseph A.: Die zeitgenössischen Berichte über den

großen Brand von 1159 (Der Freisinger Dom. Beiträge zu seiner

Geschichte, hrsg. von Joseph A. Fischer. Freising 1967 S. 65-97).
Hasche, Renato; Mena, Fernando; Yänez, Jose; Rodriguez,

Leon: El templo hoy. Un problema limitrofe de teologia y arqui-

tectura (Teologia y vida 9, 1968 S. 249-282).

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 7