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Ausgabe:

1969

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

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Neuerscheinungen

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von ihm benutzten historischen und theologischen Quellen ausdrücklich
mit zum Gegenstand der Untersuchung gemacht. Luthers
eigene Zeugnisse über die früheren Konzile dienen als Indiz dafür,
ob er in seiner eigenen Konzilsvorstellung von den ihm bekannten
Erscheinungen der Geschichte abhängig ist. - Der Bericht vom
Apostelkonzil Apg. 15 liefert in Luthers Interpretation den theologischen
Rückhalt für seine Ansicht, daß Konzile eigentlich nur über
Fragen des Glaubens und nur nebenbei über Sachen des christlichen
Lebens zu befinden hätten, und dal) dem Glauben einzig die Botschaft
der Bibel ohne inhaltliche Erweiterungen und Veränderungen
vorgelegt werden dürfe. - Von den vornizänischen Synoden hatte
Luther viel zu wenig Kenntnisse, als daß seine Konzilsidee dadurch
hätte beeinflußt werden können, obgleich sich mancherlei Berührungen
abzeichnen, die in dem Buch allerdings sehr auf Kosten der
geschichtlichen Differenzen hervorgehoben werden. - Die vier ersten
zu ökumenischer Geltung gelangten Reichskonzile billigte
Luther wegen ihrer theologischen Bekenntnisse, die ihm vollgültiger
Ausdruck biblischen Glaubens waren. Von der Gestalt dieser
Konzile wurden seine Vorstellungen jedoch nicht geprägt. Lediglich
um seinen Konzilswünschen Nachdruck zu verleihen und entgegengesetzte
Bestrebungen zu entkräften, hat Luther einzelne äufjere
Merkmale der kaiserlichen Konzile ins Feld geführt, während er
andere Charakteristika dieser Konzile mißbilligte. - Die nach dem
Chalcedonense abgehaltenen kaiserlichen Konzile bedeuteten für
Luther einen Abfall zu „allerley Superstition und Aberglauben"
(S. 81) unter Mitwirkung des Papstes. - Von der mittelalterlichen
Kirchen- und Konziliengeschichte möchte die Autorin Luther mehr
Kenntnis zubilligen, als man es im allgemeinen tut. Luther betrachtete
die mittelalterlichen Konzile „geradezu als widerchristlichc
und als in das dämonische Gegenbild zu den christlichen Konzilen
verzerrte Synoden" (S. 87), und zwar sowohl wegen ihrer ungeistlichen
Beschlüsse als auch wegen der autoritär päpstlichen Verfahrensweise
. - Die Fragestellung des Buches hat ihr Schwergewicht
bei Luthers Verhältnis zum spätmittelalterlichen Konziliarismus. Im
Anschluß an die neuere Forschung wird betont, daß die konziliari-
stischen Ideen bereits in den Überlegungen früherer Kanonistcn
und Dekretalisten angelegt und gar nicht so radikal revolutionär
geartet waren, wie man bislang meinte. Die Konziliaristen suchten
die Kompetenzen der kirchlichen Organe so zu verlagern, daß man
sich gewissermaßen einer konstitutionellen Monarchie näherte. Dabei
blieb man überzeugt von dem Rechtsstatus der Kirche de iure
divino. An diesem kirchenrechtlichen, theologischen Punkte ist
Luthers Unabhängigkeit auch vom Konziliarismus zu erkennen.
Luther bediente sich einzelner - weniger! - konziliaristischer Argumente
, ohne auf die grundsätzlichen Anschauungen der Konziliaristen
zurückzugreifen; ja er verurteilte die spätmittelalterlichcn
Reformkonzile wegen ihrer theologischen Entscheidungen und ohne
Rücksicht auf ihre äußere Gestalt.

Im zweiten, erheblich kleineren und auch schwächeren Hauptteil
des Buches wird in Anlehnung an die Arbeiten von J. Heckel
Luthers Kirchenbegriff und sein daraus resultierender Konzils-
begriff entwickelt. Was die Kirche im eigentlichen Dasein der Glaubenden
vor Gott ausmacht, ist als wahre Kirche Christi verborgen
unter den sichtbaren Erscheinungen und in ihnen nie fixierbar. Für
die unaufgebbare äußere Gemeinschaft der Gläubigen können umstrittene
Glaubensfragen letztlich nur durch ein Konzil geklärt werden
, das in seinem Aufbau dem allgemeinen Priestcrtum aller Gläubigen
zu entsprechen hat. Darf das Konzil in seinen Verhandlungen
sich ausschließlich an die Schrift gebunden wissen, so kann es seine
Anerkennung auch nur in dem Maße erlangen, wie es sich dem einzelnen
Glaubenden als auf dem Boden der Schrift stehend erweist.
Mit diesen Vorstellungen, die abseits vom spätmittelalterlichen Konziliarismus
nicht auf ein rechtsverbindliches konziliares Lehramt
der Kirche hinauslaufen, hat Luther im Ernst nach einem Konzil
verlangt, nicht bloß um den Schein des Rechts für sich zu wahren.
Das verkennt man, solange man nicht den theologischen Untergrund
von Luthers Konzilsanschauung beachtet.

Die Autorin hat aus der Literatur sowohl im historischen als auch
im theologischen Teil die tragfähigsten Positionen herausgearbeitet.
Im Theologischen ist einiges nicht genau genug gefaßt (z. B. können
Wendungen auf S. 177 und 184 den unzutreffenden Eindruck
erwecken, die ecclesia abscondita sei eine Teilgröße der ecclesia
universalis, eine Kernkirche innerhalb der Gesamtkirche).

Tübingen Reinhord Schwarz

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Z e e d e n, Ernst Walter: Das Zeitalter der Gegenreformation. Freiburg
-Basel-Wien: Herder (1967). 303 S. kl. 8° = Herder-Bücherei,
281.

In dieser Darstellung werden vor allem die treibenden Kräfte geschildert
, die das Zeitalter der Gegenreformation bestimmten: das
Wirken Calvins, Ignatius' von Loyola und des nachtridentinischen
Papsttums. Mit diesen Themen befaßt sich der Verfasser recht
ausführlich. Dies überrascht. War man doch bisher gewohnt, den
Genfer Reformator und den Gründer der Societas Jesu zum reformatorischen
Zeitalter zu rechnen. Denn ihre innere Entwicklung
und die Ausgestaltung ihrer Theologie wie auch ihres politischen
Ethos' hatten sich ja während der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts
vollzogen. Da aber die Gegenreformation nicht ohne Calvin und
Ignatius verstanden werden kann, hat der Ansatz E. W. Zeedens
seine Berechtigung. Nur unter einem verengten deutschen und lutherischen
Gesichtswinkel konnte man früher meinen, daß zwischen
1555 und 1650 lediglich der Gegenzug der römisch-katholischen
Kirche zur Reformation in Mitteleuropa erfolgt sei. In Wahrheit vollzog
sich in dieser Zeit auch die innere Erneuerung der romanischen
Kirche und die Ausbreitung des Calvinismus.

Die recht ausführliche Schilderung der genannten drei Themen
mit gut ausgewählten Qucllenzitatcn läßt dem Verfasser dann aber
nur noch wenig Raum für die Darstellung der politischen und kirchlichen
Ereignisse nach 1560. Vom Dreißigjährigen Krieg erfährt der
Leser nur einige Andeutungen. Einige Päpste, die während der ersten
Hälfte des 17. Jahrhunderts regierten, werden entweder nur
genannt (Gregor XV. und Urban VIII.) oder nicht einmal erwähnt
(Innozenz X.). Man muß das bedauern, zumal auch die Entwicklung
von Theologie und Kirche in Anglikanismus, Luthertum und Calvinismus
nicht breit genug zu Wort kommt. Manches wird als bekannt
vorausgesetzt und nicht näher geschildert - z. B. das Restitutionsedikt
Ferdinands II. -, während sich dann wieder sehr allgemeine
Formulierungen finden, z. B. über das, was man unter
Politik versteht. Sicher wäre es gut gewesen, wenn zunächst klar
gewesen wäre, an welchen Leserkreis sich diese Darstellung wendet.
Auch hätte man sich etliche Formulierungen weniger ungeschützt
gewünscht. Die Betonung der Tatsachen, daß die Gegenreformation
kein rein politisches Geschehen und daß dieses Zeitalter nicht nur
und nicht einmal vorwiegend eine Angelegenheit der römisch-katholischen
Kirche gewesen ist, kann aber durch diese Darstellung breiteren
Schichten bewußt werden.

Errata: Zu S. 179: Kardinal Sadoleto kann nicht mehr von
Paul IV. (1555-59) ins Gefängnis gesteckt worden sein, da er bereits
1547 starb. Zu S. 190: Ständige Nuntiaturen gibt es nicht erst
seit Gregor XIII. (1572-85), sondern schon seit dem Beginn des
16. Jahrhunderts, z. B. in Venedig. Gregor hat dieses Instrument
lediglich weiter ausgebaut. Auch hat er das Collcgium Gcrmanicuni
nicht gegründet (S. 196). Dies geschah bereits im Jahr 1552 unter
maßgeblichem Einfluß des Ignatius von Loyola. Gregor hat das in
eine Krise geratene Kolleg vielmehr 1573 neu errichtet. Ähnliches
gilt für die Universitä Gregoriana, die aus dem Collcgium Roma-
num des Ignatius erwuchs und nicht eine genuine Leistung Gregors
bildet (S. 195 f.). Ein störender Druckfehler findet sich S. 247: Das
Edikt von Nantes wurde nicht „1785", sondern 1685 aufgehoben.

Erlangen Gerhard Müller

Ahrbcck-Wothge, Rosemaric: Luther und Melanchthon im
Werke Wilhelm Diltheys (Wissenschaftl. Zeitschrift der Universität
Halle-Wittenberg, gesellschaftswiss. Reihe 18, 1969 S. 87-98).

Berte tto, Domenico: La Madonna in Lutcro (Salesianum 29,
1967 S. 695-700).

Beumer, Johannes: Erasmus von Rotterdam (ThPh 44, 1969
S. 1-24).

B r e z z i, Paolo: San Francesco di Sales e il suo tempo (Salesianum

30, 1968 S. 423-436).
Ceyssens, L.: L'Augustin Jean Rivius. Scs aeeointances avec le

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G a r c i a , Paul: Orden contra Caos en Fr. Luis de Leon (Revista

agustiniana de espiritualidad 9, 1968 S. 201-220).
G a v i g a n , J. J.: Epistulae inter Priores Generales O. S. A. atque

Imperatores Austriacos annis 1635-1671 missac (Auqustiniana

18, 1968 S. 425-513).
Grane, Leif: Luthers Kritik an Thomas von Aquin in De captivi-

tate Babylonica (ZKG 80, 1969 S. 1-13).

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 7