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Ausgabe:

1969

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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ser philosophischen Begriffe beeinflußt hat. Das gilt auch für Sua-
rez, dessen Anschauungen als Weiterführung der scholastischen Lösungen
vorgeführt werden. Wie aus der Abhandlung von Vazqucz
hervorgeht (160 f.), knüpfte dieser an die Modus-unionis-Lehre, die
quidam juniores vertraten, an und war das Wesen des modus überhaupt
Gesprachsgegenstand. Es lag aber auch in der Natur der
Barockzeit, den Ton mehr auf die dynamischen Elemente, hier das
Werden, d. h. den Vollzug der Union, zu legen.

So erscheint ein neues Programm in den Fesseln alter Schemata.
Gerade dadurch wird deutlich, wie schwer es ist, sich aus ehrwürdigen
Darstellungsweisen zu lösen, und welche Umwälzungen sich
in der katholischen Theologie anbahnen. Da das Ziel dieser Christo-
logie nicht konfessionell geprägt ist, werden die Möglichkeiten
sichtbar, die sich daraus für eine von allen Christen getragene und
erarbeitete Christologic ergeben.

Leipzig Helmar Junghans

Walter, Ludwig: Das Glaubensverständnis bei Johannes Duns
Scotus. München-Paderborn-Wien: Schöningh 1968. XVI, 152 S.
gr. 8° = Münchener Universitätsschriften, Theologische Fakultät.
Veröffentlichungen des Grabmann-Institutes zur Erforschung der
mittelalterlichen Theologie und Philosophie, hrsg. v. M. Schmaus,
W. Dettloff, R. Heinzmann, N. F. 5. Kart. DM 16,-.
Die vorliegende Monographie wurde 1966 von der Katholischen
Theologischen Fakultät München als Dissertation angenommen. Sie
legt der Untersuchung Texte aus den quaestiones 14 und 17 des
Quodlibet und aus den distinetiones 23 bis 25 des dritten Buches des
Sentenzenkommentares zugrunde. Der Verf. schafft sich eine eigene
Textgrundlage, indem er zu den alten Drucken Handschriften heranzieht
, da die neue Scotusausgabe, die seit 1950 in Rom erscheint,
diese Texte noch nicht ediert hat. In den Anmerkungen werden
Auszüge aus diesem Text mit Hinweisen auf verschiedene Lesarten
reichlich gebracht.

Der Stoff wird auf eine sehr ausführliche Weise dargeboten. Die
einzelne quaestio bzw. distinetio erhält zunächst eine textkritische
Einleitung. Es folgt ein Abschnitt über die Frage selbst, danach eine
Skizze des Aufbaus des zu behandelnden Textes. Nun erst wird der
Inhalt dargelegt, und zwar als Referat der Gedankenführung des
Duns Scotus, wobei allerdings schon einige Wertungen eingestreut
werden. Daran schließen sich noch ein Rückblick, der ein Resümee
des eben Dargebotenen gibt, und ein Abschnitt über den Lehrertrag,
der die Einschätzung der Lehre des Duns Scotus bringt. In einem
Schlußteil wird das erarbeitete Glaubcnsvcrständnis des Duns Scotus
in dessen Gesamttheologic hineingestellt und aus diesem Zusammenhang
bewertet, wobei die ältere Interpretation des Glau-
bensverständnisses bei Duns Scotus, das an Rcinhold Scebcrg veranschaulicht
wird, zurückgewiesen wird.

Diese umständliche Methode ist ohne Zweifel ein wenig langatmig
und kann Wiederholungen nicht vermeiden. Der Verf. hat das
selbst gespürt und daher für nötig erachtet, seine Methode zu rechtfertigen
. Sie fördert immerhin ein wesentliches und für den Leser
nachprüfbares Ergebnis zutage - ohne daß damit gesagt sein soll,
daß es für den Leser keinen kürzeren Weg gegeben hätte -1 Als
Duns Scotus in Sent. III dist. 23 die Notwendigkeit der fides infusa
in Frage stellte, tat er dies nicht grundsätzlich, sondern nur unter
der Voraussetzung, daß die fides infusa die Aufgabe haben sollte,
dem von Gott Offenbarten zuzustimmen, so wie die fides acquisita
dem von anderen Zeugen Vorgelegten zustimmt. Duns aber gab der
fides infusa eine andere Funktion. Sie sollte zunächst den Intellekt
schmücken, indem sie ihm das durch die Erbsünde unkenntlich gemachte
Bild Gottes zurückgibt. Das läuft zugleich auf eine Befähigung
des Intellekts hinaus, die Glaubensgegenstände nun mit der
von den Mängeln der Erbsünde befreiten ratio zu erkennen, so daß
der Glaube nicht in Gegensatz zur ratio tritt. Dadurch werden die
Glaubensakte vollkommener und intensiver. Das geschieht aber
nicht durch die einfache Steigerung der fides acquisita, also der
natürlichen Möglichkeiten des Menschen, sondern das geschieht ab
extrinseco, da diese fides infusa von Gott geschenkt wird und dem
Glaubenden eine über die der gefallenen Natur möglichen hinausreichende
Fähigkeit des Glaubens verleiht. Die fides infusa ist somit
für einen vollkommenen Glaubensakt notwendig und damit heils-
notwendig, ebenso wie die fides acquisita. Die fides infusa hat, wie
der Verf. mehrfach betont, eine „personal-hcilsgcschichtlichc" Funk-

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tion und ist nicht aus erkenntnistheoretischen Gründen entworfen
worden.

Da nun Rcinhold Seeberg behauptet hatte, der Zweifel an die Notwendigkeit
der fides infusa habe Duns Scotus dazu verführt, einem
kirchlichen Positivismus zu huldigen, d. h. zu behaupten, daß der
Glaube sich letztlich auf die von der Kirche angenommenen Glaubenswahrheiten
erstrecke, hält der Verf. Seeberg entgegen, daß die
Glaubenssubstanz der Kirche weder die übernatürliche Ursache noch
das übernatürliche Objekt des Glaubens sei, sondern nur der Gegenstand
der fides acquisita, während Gott durch die fides infusa
übernatürliche Ursache und übernatürliches Objekt sei.

Der Verf. wendet sich dagegen, daß Duns Scotus die ratio zugunsten
der auetoritas ausspiele. Er betont vielmehr, daß sie beide auf
der gleichen Ebene liegen und in einem sich ergänzenden, wenn
auch nicht spr.nnungslosen Verhältnis stehen. Er führt daher des
Duns Scotus Ablehnung, die Theologie als Wissenschaft zu bezeichnen
, nicht auf einen Skeptizismus oder Fideismus zurück, sondern
auf seinen strengen Wissenschaftsbegriff. Da Reinhold Scebcrg sonst
angeführt wird, um die von dem Verf. angegriffene Interpretation
der fides infusa bei Duns Scotus zu repräsentieren, hätte er verdient
, auch in diesem Zusammenhang genannt zu werden, da der
Verf. sich auf eine These von Sceberg stützt, die ihm zunächst
nicht abgenommen wurde, die sich aber inzwischen auch bei anderen
Scholastikern als sehr fruchtbar erwiesen hat. Ebenso hätte der
Verf. auf Seeberg verweisen können, wenn er betonte, die Gotteserkenntnis
sei bei Duns Scotus nicht eine rein theoretische Erkenntnis
, „sondern immer heilshafte Erkenntnis".

Der Verf. verfolgt auch ein theologiegeschichtliches Ziel. Er
möchte durch seine Arbeit helfen, das vorreformatorische Glaubensverständnis
zu erfassen. Dazu würde aber gehören, genau festzustellen
, mit wem Duns Scotus in seinen Werken sich auseinandersetzte
und was spezifisch von ihm stammt. Soweit Duns Scotus seine
Gegner nennt, wiederholt der Verf. ihre Namen. Bei den beiden
Lösungsversuchen in Sent. II dist. 23, die Duns Scotus widerlegte,
beschränkt sich der Verf. darauf, sie unter Einschränkungen auf
Thomas von Aquin zurückzuführen, nachdem in Anlehnung an
andere Forscher noch Bonaventura mit berücksichtigt wurde. Es gab
aber vor und zur Zeit des Duns Scotus noch mehr Scholastiker
außer diesen beiden. Und gerade auf die uns heute weniger Bekannten
kommt es an, um genau den Stand der Diskussion zu erfassen
, in die Duns Scotus eintrat. Noch wichtiger ist die Kenntnis
dieser Diskussion für die Lösungen des Duns Scotus, um feststellen
zu können, was von ihm selbst stammt, sonst läuft man Gefahr, Scholastikern
des 14. und 15. Jh. eine Abhängigkeit von Duns Scotus
zuzuschreiben, obgleich sie nur aus der gleichen Quelle wie dieser
schöpften. Dies ist zwar eine sehr schwierige und zeitraubende
Arbeit, sie wäre aber vielleicht bei einem so eng abgegrenzten
Thema möglich gewesen und nur dadurch allen theologiegcschicht-
lichen Anforderungen gerecht geworden.

Seite 129 Anm. 272 findet sich die Behauptung, Duns Scotus habe
dagegen gekämpft, daß der Glaube die ontologische Struktur des
Intellekts vernichten könnte. Die Auflösungserscheinungen dieser
Würde des Intellekts hätten nicht wenig dazu beigetragen, daß der
Glaube in der Reformation zu einem alles beherrschenden Faktor
herangewachsen sei. Der Leser muß befürchten, daß der Verf. keine
ganz zutreffende Vorstellung vom Glaubensverständnis der Reformation
hat, ebenso wie er einen Vergleich mit dem biblischen Glaubensverständnis
vermißt, das er in dem Kapitel „Die theologische
Bewertung des scotischen Glaubensverständnisses" wohl doch erwarten
darf.

So ist der theologiegcschichtliche Ertrag der Arbeit, soweit er sich
auf das Verhältnis zu den Zeitgenossen des Duns Scotus und die
Herausarbeitung seines ganz spezifischen Beitrages zum Glaubens-
verständnis handelt, und ebenso der Einblick, den die Arbeit in die
Forschungsgeschichte dieses Gegenstandes gewährt, gering. Sie hat
aber in so sorgfältiger Weise die bisher unterschätzte Bedeutung
der fides infusa bei Duns Scotus herausgearbeitet, daß sie dafür
Anerkennung und Beachtung verdient.

Leipzig Helmar Junghans

Brouette, Emilei Actes inconnus des eveques de Therouanne
concernant l'abbaye du Mont-Saint-Eloi (Xlle-XIIIe siecle)
(Augustiniana 18, 1968 S. 151-164).

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 7