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Ausgabe:

1969

Spalte:

491-494

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Eißfeldt, Otto

Titel/Untertitel:

Kleine Schriften, IV 1969

Rezensent:

Bardtke, Hans

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 7

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ALTES TESTAMENT

Eißfeld t, Otto: Kleine Schriften. IV, hrsg. von R. Seilheim

und F. Maass. Tübingen: Mohr 1968. VIII, 304 S. m. 3 Abb.

i. Text, 4 Taf. gr. 8°. DM 43,50; Lw. DM 49,50.

Der vorliegende Band der Kleinen Schriften Otto Eißfeldts umfaßt
die Arbeiten der Jahre 1961 bis 1966. Wie die Herausgeber mitteilen
, soll ein fünfter Band die seit 1967 veröffentlichten Arbeiten
enthalten, sowie die Bibliographie des verdienten Wissenschaftlers
und die üblichen Register der Bibelstellen, der Autoren und der
verwendeten Abkürzungen. Darüber hinaus - und das nimmt man
mit besonderer Freude zur Kenntnis - ist ein analytischer Index in
Arbeit, der den Inhalt der in den fünf Bänden dargebotenen Arbeiten
und Untersuchungen erst voll erschließen soll. Gedacht ist
offenbar an ein Sachverzeichnis, das nach verschiedenen Gesichtspunkten
gegliedert sein soll. Ein besonderer Bearbeiter für diesen
analytischen Index ist bereits gefunden worden, doch wird, wie die
Herausgeber weiterhin mitteilen, diese Arbeit längere Zeit in Anspruch
nehmen. So kann mit Genugtuung und Freude festgestellt
werden, daß der vorliegende Band nicht ein Ende einer Reihe
äußerst wertvoller und willkommener Publikationen bedeutet, sondern
ihre Fortsetzung ansagt und zugleich eine volle Erschließung
des Werkes verheißt. Man kann schon jetzt im voraus sagen, daß
dem Verlag diese Erschließung nicht genug gedankt werden kann,
ja daß das ganze Werk nach einer solchen geradezu ruft und sie
gebieterisch erfordert. So ist es auch dem Rezensenten eine Freude,
seiner Besprechung diese Mitteilung voranstellen zu dürfen.

Insgesamt 38 Arbeiten vereinigt der vorliegende vierte Band der
Kleinen Schriften. Ein Blick auf das Inhaltsverzeichnis belehrt uns,
daß der große Gelehrte in den sechziger Jahren unseres Jahrhunderts
hauptsächlich bibelwissenschaftlich-alttestamentlichen Problemen
zugewandt gewesen ist, und man staunt über die Fülle
neuer Anregungen und neuer Fragestellungen und Lösungen, die
in der geistigen Werkstatt Otto Eißfeldts entstanden sind. Vielleicht
ist es geboten, die einzelnen Arbeiten bestimmten Sachkreisen zuzuteilen
.

Da sind erst einmal die Nachrufe zu nennen, deren knappe, klare
und objektive Gestaltung Otto Eißfeldt zu wahrer Meisterschaft
entwickelt hat. Diese Gedenkartikel sind gewidmet Joseph Aist-
leitner (2. 5. 1883-9. 9. 1960) (S. 143-145), Karl Mras (6. 6. 1877-
7. 7. 1962) (S. 146-148), Erich Klostermann (14. 2. 1870-18. 9. 1963)
(S. 149-152), Paul Kahle (21. 1. 1875-24. 9. 1964) (S. 215-218) und
Johannes Hempel (30. 7. 1891-9. 12. 1964) (S. 219-220). Dadurch,
daß der Verfasser auch das notwendige und seltene biographische
Material mitgeteilt hat, haben diese Nachrufe großen wissenschaftsgeschichtlichen
Wert. Rühmt der Verfasser von Hempel, daß er nicht
nur die alttestamentliche Wissenschaft, sondern auch weite Strecken
des Alten Orients überschaute, so muß von ihm selbst gelten, daß er
als Miterlebender zu einem großen Teil diese Gelehrten in ihrer Entwicklung
, in ihrem Schaffen und Forschen gekannt, begleitet und
mit ihnen zusammengearbeitet hat, ohne doch dabei die Objektivität
des Urteils zu verlieren. Am Ende des Nachrufs auf Paul Kahle
steht doch die Aussage, daß die dankbare Würdigung seiner Arbeiten
nicht besagen wolle, daß Kahle auf die „in Rede stehenden
Fragen immer die richtige Antwort gegeben hätte". Eißfeldt nennt
zwei Beispiele, nämlich die Beurteilung der Ben Ascher- und Ben-
Naphtali-Lesarten sowie der griechischen Übersetzung des Alten
Testaments. In letzterer Frage nahm Kahle an, daß der Archetypus
nicht am Anfang, sondern am Ende der Entwicklung stand, dazu
bestimmt, die vielen Übersetzungen zu verdrängen und einen einheitlichen
Text zu entwickeln.

Der zweite große Problemkreis, der Otto Eißfeldt in den vergangenen
sieben Jahren beschäftigt hat, ist durch die Pentateuchfor-
schung gegeben, der ein wesentlicher Teil seiner bisherigen Lebensarbeit
gehört hat. Das sind folgende Arbeiten i „Die älteste Erzählung
von Sinaibund (S. 12-20), dann „Sinai-Erzählung und
Bileamsprüche" (S. 21-31), einst veröffentlicht in HUCA 32, 1961,
179-190, siehe ThLZ 88, 1963, 268. Aber die Arbeiten zum Penta-
teuchproblem sind nicht allein den literarischen, sondern auch religionsgeschichtlichen
Fragen gewidmet, z. B. „Jahwe, der Gott der
Väter"", in welchem Beitrag Eißfeldt die Auseinandersetzung mit
A. Alts bekannter These (Kleine Schriften I 1953, 1-78) führt, indem
er den Gott der Väter mit den El-Gottheiten des palästinischen
Raums in Verbindung bringt. Aber auch der dann folgende Beitrag
„Jakobs Begegnung mit El und Moses Begegnung mit Jahwe"
(S. 92-98) gehört in diesen Problemkreis hinein, wie auch der Beitrag
„'äh'yäh '«sär 'äheyäh und 'El 'oläm" (S. 193-198), der eine
glaubhafte Verbindung zwischen beiden Göttergrößen herzustellen
weiß, aber doch zugleich zugesteht, daß „mit Jahwe eine neue
Größe in die israelitische Religion eingedrungen ist" ... In diesen
Problemkreis gehört auch der Aufsatz, der Erdmann Schott zum
65. Geburtstag gewidmet wurde, „Das Gesetz ist zwischeneingekom-
men. Ein Beitrag zur Analyse der Sinai-Erzählung Ex 19-34"
(S. 209-214), in welcher Arbeit Eißfeldt schön herauszustellen weiß,
daß die älteste Sinai-Erzählung nur von einer Verheißung zu berichten
weiß, während erst die „drei ihr folgenden Erzählungen
. . * gesetzliche Bestimmungen in den Mittelpunkt des Sinai-Geschehens
gestellt" haben. Auch die Abhandlung über „Goethes Beurteilung
des kultischen Dekalogs von Ex 34 im Lichte der Penta-
teuchkritik" (S. 221-230), einst Hans Urner zum 65. Geburtstag gewidmet
, gehört in diesen Fragenkreis, indem sie an eine Arbeit
Gallings in der Zeitschrift EvTh 8, 1948/49, 529 ff. anknüpft. Der
im Buch folgende Beitrag über „Die Komposition der Sinai-Erzählung
Ex 19-34" (S. 231-237) zeigt, wie auch in der neueren Literatur
diese Probleme wieder in Fluß gekommen sind und der verdienstvolle
Verfasser mit eigenen gewichtigen Beiträgen in die Diskussion
eingegriffen hat. Das Bundesbuch, ursprünglich aus dem 10. oder
11. Jahrhundert v. Chr. stammend, ist zwei- oder drei Jahrhunderte
später in das aus der Laienquelle, dem Jahwisten und dem Elohisten
bestehende Geschichtserzählwerk eingeschoben worden.

In einer größeren Arbeit greift Eißfeldt auf das Problem von
„Deuteronomium und Hexateuch" (S. 238-258) zurück, indem er die
Thesen von Noth und Mowinckel erneut einer Prüfung unterzieht,
wobei er selbst die Position einnimmt, daß das Deuteronomium
eine in die vordeuteronomische Hexatcucherzählung eingefügte
Vereinigung zweier Deutcronomiumsausgaben war, von denen jede
mit einer Moses-Rede als Einleitung und mit Ermahnungen des
Mose als Abschluß versehen war. Auch die „Erwägungen zur Penta-
teuchquellenfrage" (S. 259-263) gehören in diesen großen Fragenkreis
hinein, wie schließlich der Schlußaufsatz des Bandes: „Israels
Führer in der Zeit vom Auszug aus Ägypten bis zur Landnahme"
(S. 297-304), in dem Mose, Aron, Mirjam, Hur und Josua behandelt
werden. Diese geschichtliche Detailzeichnung, verbunden mit den
literarkritischen Ergebnissen der Eißfeldtschen Forschung, ist eine
besondere Perle in diesem Band. Mose ist geschichtlich konkret gezeichnet
, die Gestalt Arons tritt plastisch hervor, während man bei
Josua, insbesondere im Zusammenhang mit der Hazornachricht in
Jos 11 auch anderer Meinung sein kann, wobei auch die Frage nach
der Dauer jener Moseperiode gestellt und untersucht werden muß,
ist doch nach Ed. Meyer die Chronologie eine wesentliche Aufgabe
aller historischen Arbeit.

Auch die exegetischen Arbeiten fehlen in diesem Band nicht. Da
ist hinzuweisen auf die Abhandlungen, die einzelne Psalmen betreffen
, wie zum Beispiel „Psalm 46" (S. 8-11), „Psalm 80 und
Psalm 89" (S. 132-136). Gerade der an zweiter Stelle genannte Aufsatz
zeigt, wie Eißfeldt auf seine früheren Arbeiten zurückgreift
und an seine eigenen Ergebnisse weiterführend anknüpft. Hier
schließt er sich an seinen Aufsatz in der Muilenburg-Festschrift an,
dessen Überschrift lautet: „Die Gnadenverheißungen an David in
Jes 55,1-5" (in dem vorliegenden vierten Band S. 44-52). Es ist
wichtig festzustellen, daß Eißfeldt, wie schon in früheren Besprechungen
hervorgehoben, zu z. T. sehr genauen Datierungen der
einzelnen Psalmen kommt. So will er beide Psalmen in die letzte
Zeit des Nordreiches setzen, genauer in die Zeit des Hosca ben Ela,
des Nachfolgers von Pekah ben Remalja. Natürlich ist eine solche
Datierung, so dankenswert die erneuten Versuche sind, nicht unanfechtbar
, so sehr gegenüber der Psalmenforschung vor Gunkel,
die ebenfalls solche Datierungen versuchte, große Fortschritte in der
allgemeinen alttestamentlichen Wissenschaft erzielt worden sind, so
daß die neue Forschungssituation zu erneuten Daticrungsvcrsuchen
berechtigten Anlaß geben dürfte. In die Psalmenforschung gehört
auch der Aufsatz „Ein Psalm aus Nordisracl. Micha 7,7-20" (S. 63-
72), den Eißfeldt, wenn ich ihn richtig verstanden habe, in das
7. Jahrhundert v. Chr. setzen will, indem er annimmt, daß die Katastrophe
des Nordreiches ähnliche Dichtungen wie die Klagelieder
für das Südreich hervorgerufen haben müßte.

Eine Reihe von Arbeiten gehören der Jercmiaforschung an. Das
sind folgende Arbeiten: „Jeremias Drohorakel gegen Ägypten und
gegen Babel" (S. 32 - 38), „Voraussage-Empfang, Offenbarungsge-