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Ausgabe:

1969

Spalte:

473-474

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Peiter, Hermann

Titel/Untertitel:

Sitte und Lehre im Streit um das christliche Leben 1969

Rezensent:

Peiter, Hermann

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473

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 6

474

vollständig zu erfassen (zumal die literarische Bearbeitung ökumenischer
Themen progressiv wächst). So kann die mit einem
sehr gut ausgestatteten repräsentativen Band begonnene ökumenisch
-bibliographische Arbeit vorbehaltlos begrüßt und empfohlen
werden.

Die Vollständigkeit in der Datenmitteilung läßt sich nur mit
einem international und interkonfessionell zusammengesetzten
Herausgeberkreis erreichen. So kann sich der federführende Herausgeber
des künftig jährlich erscheinenden Periodikums, Ste-
phanus Pfürtner OP, auf die Beiträge von Fachgelehrten stützen,
die sich bereits anderwärts einschlägige literarisch ausgewiesen
haben: Albert Brandenburg, Harry J. P. Brink OP, Vincent Duclos
OP, Heinrich Fries, Jeröme Hamer, Hanfried Krüger, Ulrich Kühn,
Peter Meinhold, Nikos Nissiotis, Demosthenes Savramis, Lukas
Vischer, Hans Weissgerber. Über diesen Kreis hinaus ist an die Mitarbeit
noch anderer gedacht, deren Namen gesondert angegeben
werden. (Für den vorliegenden Band handelt es sich nur erst um
katholische und evangelische Theologen; es wäre wünschenswert,
wenn die Liste sich künftig entsprechend den Konfessionen im
festen Herausgeberkreis ergänzen ließe.) Die Redaktion des Unternehmens
liegt in den Händen Leo Gerkens OP (Walberberg
b. Bonn) und Hans Weissgerbers (Loccum).

Der erste Band des bibliographischen Jahrbuches gibt naturgemäß
Auskunft über Anlaß, Zielsetzung und Methode der geplanten
Dokumentation. Sie soll Buch- und Zcitschriftenliteratur
umfassen. „Sie erfaßt einmal die kirchenkundlichen Publikationen,
die von ökumenischer Bedeutung sind. Sie berichtet zum anderen
über theologische Veröffentlichungen, die sich mit ökumenischer
oder kontrovers-theologischer Thematik befassen" (S. V). Mit Hilfe
eines ausgedehnten Siglen- und Abkürzungssystems wird in jedem
Fall eine exakte Bibliographie geboten, aber nicht jedesmal eine
kurze Rezension als Berichterstattung (S. VI) angefügt, die dann
auch bisweilen auf themaverwandte Literatur hinweist. Dieses
Verfahren kann generell als besonders glücklich angesprochen
werden, selbst wenn der Leser sich vielleicht hinsichtlich der Auswahl
mancher zu besprechender oder nur bibliographisch bekanntzugebender
Arbeiten anders entscheiden würde. Daß bei der
inhaltlichen Erfassung besonders häufig Zeitschriftenartikel berücksichtigt
worden sind, die sonst kaum berichtsartig erschlossen
werden, kann nur beifällig quittiert werden.

Das größte Problem für eine internationale ökumenische Bibliographie
(IÖB) ist vielleicht das der möglichst sinnvollen systematischen
und übersichtlichen Erschließung des in Fülle vorliegenden
Materials. Die Herausgeber unterteilen in zwei Obergruppen
: I. Die Kirchen, II. Die theologischen Fragen.

Unter I rangiert zunächst thematisch die „Idee der Einheit";
es folgen Arbeiten in Zusammenhang mit dem Ökumenischen Rat
der Kirchen, über das Zusammenleben und die Zusammenarbeit
der Kirchen nach Kontinenten geordnet und dann ebenfalls nach
Erdteilen untergruppiert Literatur über die katholische Kirche, die
orthodoxen Kirchen, die anglikanische Gemeinschaft und die Altkatholiken
, andere Kirchen, Gemeinschaften und Bewegungen
sowie Unionskirchen. Die über Kirchen- und Theologiegeschichte
handelnden Arbeiten werden nach dem klassischen Einteilungsprinzip
der Kirchengeschichte vierfach untergliedert. Den Schlußteil
von I bilden Werke zur Religions- und Weltanschauungsgeschichte
.

Bei II finden sich folgende 13 Untergruppen: Allgemein. Die
Theologen; Gott. Heiliger Geist; Christus; Mensch und Schöpfung;
Sünde. Gnade und Erlösung; Geschichte und Vollendung; Heilige
Schrift (Allgemein. Inspiration und Kanon; Exegese. Hermeneutik
. Biblische Theologie; Offenbarung und Wort Gottes. Verkündigung
und Überlieferung); Glaube; Kirche; Sakramente und Liturgie
. Heiligkeit. Gebet und Spiritualität; Seelsorge. Predigt und
Katechese; Weltmission. Evangelisation. Diaspora; Christliche
Sittlichkeit. Christliches Weltverhältnis. Ein Anhang enthält allgemeines
zu Kirche und Theologie, Festschriften, Bibliographien.

Mehrere Register erhöhen die Brauchbarkeit des Bandes, dessen
Platz in der theologischen Arbeit der Gegenwart schon jetzt
als gesichert angesehen werden darf.

Berlin Joachim Rogge

Referate über theologische Dissertationen und Habil -Schriften in Maschinenschrift

P e i t e r, Hermann: Sitte und Lehre im Streit um das christliche
Leben (Warum hält Schleiermacher den Ausdruck „Sittenlehre"
für nicht völlig genau?). Habilitationsschrift Berlin 1968, 141 S.

1. Dogmatische Theologie als Bewährung eines Zusammenhangs
: Theologisch reden heißt differenziert reden. Die sogen,
theologischen Gegenstände lassen sich nur aus ihrem Zusammenhang
gewinnen. Der Zusammenhang, in den die theologische
„Ethik" verwebt ist, besteht in der (reformatorischen) Unterscheidung
von Glaube und Liebe. Sich (mit Luther) auf die Liebe und
(mit Schleiermacher) zu leben verstehen ist dasselbe. Daher scheint
der Titel der neuen Schleiermacher-Ausgabe gerechtfertigt.

2. Zusammenhang von .Glaubens'- und .Sittenlehre' auf Grund
der Entsprechung von Glauben und Leben: Da das christliche Leben
Vergesellschaftung des (rein persönlichen) Handelns Christi ist,
läßt es sich wie der Glaube auf die beiden dogmatischen Brennpunkte
, auf das Licht der Welt und das Feuer des Geistes, hin sammeln
. Das christliche Leben läßt sich nicht ersetzen durch die Proklamation
der vermeintlichen Herrschaft eines Person gewordenen
Phantoms über einen Bereich, den vom „Neuen Sein" kein Wort
erreicht.

3. Weitgehende Zusammenhangslosigkeit der Sitte: Der Sitte
fehlt das Gewicht, um die Stelle einzunehmen, die einem „Partner"
des Glaubens zukommt; die Sitte steht vielmehr in Korrespondenz
zu dem Kultus. - Die Qualitäten des „Ethischen" sind nicht
Sitten-, sondern Lebensfunktionen. - Der Widerspruch gegen die
Natur, der die philosophische „Sittenlehre" durchzieht, erhebt die
nicht von Seiten der Sitte, sondern von Seiten der („praktischen")
Vernunft.

4. Zusammenhang des christlichen Lebens mit der Lehre-
Christliche „Sittlichkeit" ist gelebte Lehre. Das Leben erfährt durch
die Lehre eine Steigerung und Klärung. Die Lehre hat eine offene

Grenze zur Verkündigung und zum Bekenntnis. Diese bedürfen
des informierenden Elementes der Lehre. Verkündigung ist anredende
Information in Form eines Ereignisses. Bekenntnis ist richtigstellende
Information in Form der eigenen Zu- und Einstimmung
.

5. Keine Affinität der Lehre zur Sitte: Die Sitte ist im Zusam
menhang der christlichen Lehre ebenso deplaciert wie im Zusammenhang
des christlichen Lebens: Sitte und Statistik stehen zur
Lehre im gleichen Verhältnis. Die christliche Sitte als Inbegriff der
christlichen „Sittenlehre" auszugeben hieße daher, diese mit der
kirchlichen Statistik zu verwechseln (gegen Jonas).

6. Theologische „Ethik" als Streit um die rechte Schriftausle
gung: Das reformatorische Handeln läßt sich von der „freien
Geistesmacht" leiten, aber nicht von der Gleichmäßigkeit des Handelns
, die für die Sitte typisch ist sitt liches als fragmentarisches
Dasein). Christliches Leben und christliche Sitte unterscheiden sich
wie „wortförmige" und autoritäre Existenz. Die Sitte flieht vor
der Wertlosigkeit in die Tradition, auf welche die evangelische
Kirche (auch wo sie das Neue Testament als Werk der kirchlichen
Tradition erkennt) nicht bauen will.

P e i t e r , Hermann i Vorwort zu Friedrich Schleiermacher, Das
christliche Leben nach den Grundsätzen der evangelischen Kirche
im Zusammenhange dargestellt [Bd. 1, Nachschriften aus dem
WS 1826/27, Haupttext, XXVI, 599 S.], Rechtfertigung der dabei
angewandten editorischen Prinzipien (= Anhang zur Habilitationsschrift
, Berlin 1968, XXIII, 28 S.)

Der neue Text von Schleiermachers Vorlesung über christliche
Sittenlehre ist aus den Hörernachschriften A (recte), B und C (kursiv
gesetzt) zusammengearbeitet. Partien, zu denen im textkri'