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Ausgabe:

1969

Spalte:

465-466

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Plassmann, Engelbert

Titel/Untertitel:

Staatskirchenrechtliche Grundgedanken der deutschen Kanonisten an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert 1969

Rezensent:

Liermann, Hans

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Mit Nachdruck hält Söhngen daran fest, daß die Kirchenmusik
den doppelten Auftrag des Gotteslobes und der Verkündigung
habe. Ihre Beschränkung auf das Lobamt („Antwortcharakter")
läfjt sich weder vom Neuen Testament noch vom Ansatz der Reformation
Luthers her rechtfertigen.

Auf der Grundlage der Lutherischen „Konzeption von der heimlichen
Affinität zwischen dem Wort Gottes und der Musik" (260)
steht das Schlußkapitel i Söhngens „Versuch einer trinitarischen
Begründung der Musik". (Ob dieses Kapitel nicht richtiger als
„Versuch einer trinitarischen Sinngebung der Musik überschrieben
werden müßte?) Die grandiose Synopse theologischer
und musikalischer Probleme in diesem Teil des Buches ist einer
Fugenengführung vergleichbar, in der die zuvor erklungenen
Themen nun vereint erklingen, anregend und bestechend auch da,
wo vielleicht in Einzelfragen eine andere Sicht möglich ist.

Alles in allem: ein Buch, das die theologische Diskussion um die
Musik auf Generationen hinaus bestimmen und befruchten wird.

Ein kleiner Zitatfehler (S. 175, so schon Leiturgia IV, S. 130)
möchte bei einer Neuauflage getilgt werden: Schütz' Auferstehungshistorie
ist nach dem Originaltitel nicht um die „festliche",
sondern „umb die Österliche zeit zu geistlicher Christlicher
Recreation füglichen zugebrauchen".

Dresden Christoph A 1 b r e c h t

K1KCHENRECHT

Mass in a n n , Engelbert: Staatskirchenrechtliche Grundgedanken
der deutschen Kanonisten an der Wende vom 18. zum
19. Jahrhundert. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1968. VII, 191 S.
8° = Freiburger Theologische Studien, hrsg. v. J. Vincke, A.
Deissler, H. Riedlingcr, 88.

Die von Paul Mikat angeregte und betreute Arbeit bietet einen
instruktiven Überblick über die staatskirchenrechtlichen Theorien
in der deutschen Kanonistik an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert
. Der Verfasser ist der weit verstreuten, zum Teil anonymen
Literatur sorgfältig nachgegangen. Das Personenregister
(S. 189ff.) vrmittelt einen Überblick über die große Zahl von be
deutenden und weniger bedeutenden Autoren, deren Gedanken
zum Thema verwertet worden sind. Sie alle zu nennen, ist im Rahmen
einer kurzen Besprechung unmöglich. Einige Namen von Kanonisten
, die auf die Entwicklung besonders eingewirkt haben
seien ohne Anspruch auf Vollständigkeit herausgegriffen: Ignaz
Heinrich von Wessenberg, Gregor Zirkel, Johann Philipp Gregel,
Ferdinand Arndts, Anton Michel, Franz Andreas Frey.

Es ist dem Verf. gelungen, eine einheitliche Linie der Entwicklung
herauszuarbeiten. Sie kann in großen Zügen folgendermaßen
skizziert werden: Die Säkularisation lag schon vor 1789 in der
Luft. Man setzte sich um die Jahrhundertwende über die Vorzüge
und Nachteile der geistlichen Staaten und damit über das Pro und
Contra der Säkularisation auseinander. Wessenberg befürchtete,
daß die totale Säkularisation schlimme allgemeinpolitische Folgen
haben werde, den Sturz der Fürstenthrone, das Aufgehen der kleineren
Staaten in große Staatswesen, die Kirche werde zur „bloßen
Hülle" werden, aus der die Religion entwichen sei. Eine „verknöcherte
Staatskirche" sei die letzte Folge. Auf der anderen Seite
suchte man ein abgemildertes Staatskirchentum zu propagieren.
Die Kirche dürfe keinen „Staat im Staate" bilden, die Religion
könne nur in die „indirecten staatszwecklichen Mittel" eingereiht
werden. Zirkel erstrebte, modern gesprochen, eine friedliche Koexistenz
von Staat und Kirche und suchte nach einer geeigneten
„Coordination" der beiden Gewalten.

Nach der Säkularisation ging es um die Frage eines Konkordates
. Zur Zeit der napoleonischen Herrschaft wurde ein Konkordat
des Rheinbundes nach dem Muster des französischen Konkordats
erwogen. Es gab grundsätzliche Stimmen gegen ein Konkordat,
weil man eine zu starke Ausdehnung der päpstlichen Rechte befürchtete
. Dazu ist zu bemerken, daß die damaligen Kanonisten so
gut wie alle Febronianisten waren und von ihrem espiskopal-natio
nalkirchlichen Standpunkt aus ein zu großes Übergewicht der zentralen
päpstlichen Gewalt als große Gefahr ansahen. Im Anschluß
an die durch den Wiener Kongreß geschaffene neue Lage, setzt man
sich darüber auseinander, ob der Deutsche Bund oder die Einzelstaaten
ein Konkordat abschließen sollten. Es kam zu einem Konkordatsvorschlag
Wcssenbergs in Gestalt eines nationalkirchlichen

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Bundeskonkordats unter möglichster Ausschaltung von staatlichen
Hoheitsrechten über die Kirche.

Nach dem Wiener Kongreß standen sich bei den deutschen Kanonisten
zwei grundsätzliche Auffassungen über das Verhältnis
von Staat und Kirche gegenüber. Ein Teil erstrebte die Wiederbelebung
des vorjosephinischen Kirchenverständnisses. In diesem
Zusammenhang ist interessant, daß von diesem Standpunkt aus
die protestantischen staatskirchenrechtlichen Systeme des Territorialismus
und des Collcgialismus abgelehnt wurden, weil sie
beide dem Staat zu viel Macht über die Kirche einräumten. Eine
gemäßigte Staatskirchenhoheit wird allerdings auch von dieser
Richtung dem Staate zugestanden. - Im Gegensatz zu diesen konservativen
Kanonisten stand eine moderne liberale Richtung, die
das staatskirchenrechtliche Denken bis zur Gegenwart beeinflußt
hat. Es tauchte der Gedanke der Glaubensfreiheit des einzelnen
und der Kultusfreiheit der Kirche auf und es wurde betont, daß
vom Staat trotz aller Staatskirchenhoheit die wesentlichen Teile
der Kirchenverfassung nicht angetastet werden könnten. Bei
allen diesen Auseinandersetzungen fällt auf, daß den damaligen
Autoren so gut wie ganz eine theologisch fundierte Ekklesio-
logie fehlte. Die Kirche mit ihrer hierarchischen Verfassung war
für sie einfach ein Selbstverständnis. Jedenfalls kann man aber
als wichtigstes Ergebnis der Abhandlung aus der Darstellung dieses
von liberalen Ideen getragenen staatskirchenrechtlichen Systems
feststellen, daß hier die Wurzeln wichtiger bis heute maßgebender
staatskirchenrechtlicher Grundgedanken zu finden sind.
Sie wirken über die Paulskirche und die Weimarer Verfassung in
modernes Verfassungsrecht hinein.

Die Ausstattung des Buches mit 7 Bildtafeln ist besonders hervorzuheben
. Sie bringen die Porträts Josephs IL, Zirkels, Dalbergs,
Wessenbergs, Sommers, sowie Abbildungen der Paulskirche und
der Bamberger Hochschule zur Zeit der Lehrtätigkeit Freys.

Erlangen Hans L i e r m a n n

S e h 1 i n g , Emil f, Prof. Dr. jur. [Hrsg.] (Fortgeführt v. Institut
für evang. Kirchenrecht zu Göttingen [jetzt München]): Die
evangelischen Kirchenordnungen des XVI. Jahrhunderts. XIII Bd.:
Bayern, 3. Teil: Altbayern. Herzogtum Pfalz-Neuburg, Kurfürstentum
Pfalz (Landesteil Oberpfalz), Reichsstadt Regensburg.
Grafschaft Ortenburg, Herrschaft Rothenberg, Herrschaft Wolfstein
. Tübingen: Mohr 1966. XV, 618 S., 1 Kte. 4°. Kldr. DM 96,-.
Nachdem die beiden vorausgegangenen Bände des „Sehfing", die
Bayern betrafen (l.Teil: Franken; 2. Teil: Schwaben), noch von
dem inzwischen heimgegangenen Wilhelm Jannasch (f 6. Juni 1966)
besprochen werden konnten (vgl. ThLZ 92, 1967, Sp. 716-718), wird
nun die Rezensierung der Sehling-Bände fortgesetzt mit dem XIII.
Band, der den 3. Teil Bayerns enthält.

Auch dieser Band ist bearbeitet worden von dem langjährigen
Leiter des Nürnberger landeskirchlichen Archivs, Archivdirektor D.
Matthias Simon, der dieses Werk trotz seines fortgeschrittenen
Alters in verhältnismäßig kurzer Zeit fertiggestellt hat.

Der Band umfaßt diejenigen evangelischen Kirchenordnungen,
die in Gebieten und Städten des einstigen „baierischen Reichs-
kreises" entstanden sind. So ist der Untertitel „Altbayern" historisch
nicht einschlägig, insbesondere nicht im Blick auf die Reichsstadt
Regensburg und die Grafschaft Ortenburg, die überhaupt
erst im 19. Jahrhundert an Bayern gekommen sind. Matthias
Simon ist sich der Problematik deutlich bewußt (S. XIII); zur heutigen
Umschreibung des Gebietes der in diesem Bande enthaltenen
Kirchenordnungen kann der Untertitel fraglos dienlich sein.

Die Hauptproblematik, die die hier veröffentlichten evangelischen
Kirchenordnungen und die Gebiete und Herrschaften, denen
sie entstammen, eint, ist die antireformatorische Haltung des einstigen
Herzogtums B a i e r n (abgelöst durch das Land Bayern
1803), in dessen Bannkreis die betr. Gebiete und Herrschaften gelegen
haben. In diesen Gebieten hat sich die evangelische Kirchengeschichte
, die sich in den hier abgedruckten Kirchenordnungen
niedergeschlagen hat, insbesondere auf Grund einer starken evangelischen
Bewegung, die sich als evangelische Volksbewegung
gegen allen Widerstand behauptet hat, entwickelt. Diese evangelische
Bewegung - Matthias Simon hat diese Bezeichnung schon
in seiner Evangelischen Kirchengeschichte Bayerns, 2 Bde. München
1942 mehrfach verwendet, vgl. bes. I, S. 166ff. - macht einerseits
die früher gern gebrauchte Vorstellung einer „Rats- oder
Fürstenreformation" gar nicht oder mindestens mit erforderlichen

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 6