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Ausgabe:

1969

Spalte:

462-463

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Archiv für Liturgiewissenschaft; X,1 1969

Rezensent:

Beckmann, Joachim

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Fundierung in der Schrift willen lange Zeit hoch anerkannten
Werkes noch nicht gründlich untersucht wurde. Zu dem Zweck
werden andere Psalmübersetzungen, aber auch frei gedichtete
T.ieder der beiden folgenden Jh. in repräsentativer Auswahl den
Psalmen T.obwassers gegenübergestellt. Sprachliche und musikalische
Fragen treten dabei in den Vordergrund, der theologische
Bereich wird nur gelegentlich gestreift.

In den „Kleinen Beiträgen und Miszellen" zunächst zur Liturgik
setzt Adolf Boes seine Veröffentlichungen aus der liturgischen
Tradition Anhalts mit dem Aufsatz „Die evangelische Ostervigil
der Dessauer Kirche im 16. Jh." fort. Schon, weil hinter all diesen
Ordnungen Georg III., der „Gottselige", von Anhalt als Fürst und
kirchlicher Würdenträger zugleich steht, sind sie von besonderem
Interesse. Mit der Frage nach „Ursprung und Sinn der Osterkerze"
befafit sich Dietrich Schuberth. Indem seit den fünfziger Jahren
mit der Rückgewinnung des Osternachtgottesdienstes der Gebrauch
der Osterkerze in der katholischen wie der evangelischen
Kirche erneut in Aufnahme gekommen ist, ist es von
ganz praktischer Bedeutung, wenn der Vf. von der Entstehung
dieses Ritus her heute bestimmte Aufgaben hinsichtlich seiner
Deutung gegeben sieht. Unter der Oberschrift „Der Laienkelch im
Hoch- und Spätmittclalter" macht Ernst-Wilhelm Kohls darauf
aufmerksam, dafi erst durch das Konstanzer Konzil diese liturgische
Nebenfrage „ein erhebliches theologisches und kirchenpolitisches
Gewicht erhielt, das ihr bei sachlicher Betrachtung nicht zustehen
dürfte" (S. 102). Dem Aufsatz von H. J. Kraus „Gottesdienst im
alten und neuen Bund", EvTh 25 (1965) S. 171-206, widmet Ferdinand
Hahn eine eingehende Besprechung, wobei er vor allem bezweifelt
, ob tatsächlich im AT „das gesamte kultische Wesen durch
die Prophetie von Grund auf in Frage gestellt" (so Kraus) sei und
die Grenzen des Sakralen so wie im NT grundsätzlich aufgerissen
seien.

Im hymnologischen Teil bietet Walthcr L i p p h a r d t eine höchst
dankenswerte terminologische Klärung für das Gebiet der Kontrafakt
-Forschung „Über die Begriffe: Kontrafakt, Parodie, Travestie",
worüber er auf der 4. Internat. Tagung für Hymnologie in Strasburg
1967 schon referiert hat. Zunächst gilt es heute, von der
durch die Etymologie des Wortes Contrafactum verursachten Einengung
des Begriffes Kontrafakt auf die Antithese Geistlich-Weltlich
oder umgekehrt abzusehen. Mit F. Gennrich muß heute „Kontrafaktur
" als der „Vorgang des Nachdichtens eines Liedes auf
eine präexistierendc Melodie" verstanden werden. Im Rahmen
des so erweiterten Begriffes stellt nun L. die Phänomenologie des
Kontrafakt-Begriffes im Verständnis der heutigen Forschung in
einer Tabelle nach Bereich und Richtung (geistlich-weltlich oder
umgekehrt), Stilformen, soziologischen Bczogenheitcn und musikalischen
Möglichkeiten dar. Aus den nachfolgenden Erläuterungen
kann ich hier nur hervorheben, daß es bis in das späte 18. Jh.
„nicht suspekt" war, „weltliche Melodien in die geistliche Umwelt
zu versetzen, aber die Umkehrung dieser Richtung scheint jederzeit
als eine Art Sakrileg angesehen worden sein" (S. 105) (einzige
Ausnahme im MA die Verwandlung kirchlicher Gesänge in ihr
Gegenteil durch die Clerici vagantes). Nur angedeutet wird zum
Schlufj, inwiefern die hier gewonnenen Aspekte „auch zur Lösung
schwieriger Probleme beitragen, die heute weithin in der Kirchenmusik
diskutiert werden" (S. 111). In einem französischen Aufsat/
untersucht Michel Huglo „Lcs diverses Mclodies du ,Te deeet
laus". Daraus ergibt sich: während in Rom und den zu ihm gehörigen
Diözesen der altrömischc Gesang beheimatet ist, gehört
der gregorianische nicht dem engeren Einflußbereich Roms an.
Nach wie vor ist die Frage nach dessen Herkunft und dem Verhältnis
beider Formen zueinander offen. Folkc Bohlin macht erneut
auf die Frage nach der Bedeutung von „Johann Schwarzen
bergs Evangelischen Psalmen von 1527 (?)" aufmerksam. Da für
die Frühzeit des Kirchenliedes die Neudatierung auch nur eines
Liedes oder einer Quelle zu weiteren Korrekturen nötigen kann,
werden sich neugewonnene Erkenntnisse der hymnologischen Forschung
auch auf den 35. Bd. der Weimarer Lutherausgabe von
1923 auswirken. Dieser Aufgabe arbeitet eine Untersuchung „Zur
Chronologie und Abhängigkeit der ältesten Quellen des deutschen
evangelischen Kirchenliedes" von Günter B i r k n e r vor.
Welche Probleme hier noch zu bewältigen sind, wird dem Leser
an der anschließenden Stellungnahme Konrad Amelns „Zur
Frage der Datierung des .Tcutsch Kirchen ampt' " bewußt. Den
Brauch des Quempassingcn weist Karol H 1 a w i c k a vom 16. bis

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in den Anfang unseres Jh. in polnisch-lutherischen Gemeinden
nach. Ernst Sommer ergänzt und berichtigt in seinem Aufsatz
„Das Gesangbuch von Adam Reifiner 1554", was W. Lipphardt
im JbLH 1965 darüber ausgeführt hat. „Das erste slowenische
Gesangbuch" von 1567 behandelt Dragotin Cvetko. Ober den
bisher fast völlig unbekannten Verfasser liturgischer Werke „Matthäus
Lüdtke (Ludecus)" (1517-1605) weiß Siegfried Fornacon
interessantes Material beizubringen. „Das handschriftliche Choralbuch
des Organisten C. I. Engel vom Jahre 1775" (mit einem
Nachtrag auf S. 265) erläutert Konrad Ameln nach Herkunft,
Tnhalt und Bedeutung; wir haben darin im wesentlichen den
Liedervorrat einer konservativ geprägten sächsischen Landgemeinde
um das Jahr 1775 vor uns. Es folgen drei Literaturberichte
„Theologie und Musik", „Faksimile-Nachdrucke alter Gesangbücher
" und „Die ältere schwedische Choralsammlung" (von
G.Schumacher, K.Ameln und F. Bohlin). Mit der „Neuausgabc
des Bonner Gesangbuchs von 1550" (Herausgeber: E. KluseiO
befafit sich K. Ameln

Der Literaturbericht zur Liturgik wird in der Hauptsache für
das Jahr 1965 erstattet (S. 195-242): aufier den deutschen Veröffentlichungen
umfafit er Norwegen, die Niederlande, Polen und
die Vereinigten Staaten. Ober die Literatur zur Hvmnologie wird
aufier der deutschen Literatur auch aus Frankreich und der Tschechoslowakei
berichtet (S. 243-265).

Ausführliche Verzeichnisse schlüsseln wie stets den Inhalt in
dankenswerter Weise auf.

Auch vom 12. Bd. des Tahrbuchs darf gelten, dnfi er des Dankes
und der restlosen Anerkennung seitens seiner Benutzer sicher
sein kann.

GrrffnwnM WiHiim Niqtl

Archiv für Liturgiewissenschaft. Tn Verbindung m A L. Maver
u. O Heiming hrsg. v. E. v. Severus. X, 1. Regensburg:
Pustet 1967. 321 S. gr. 8°.

Von besonderer wissenschaftlicher Bedeutung ist in diesem Band
eine eingehende Bibliographie sämtlicher Veröffentlichungen
von Odo Ca sei sowie über alle narstellnnaen und Stellung
nahmen, die sich mit dem Werk Odo Casels befassen.

Herbert Haag bietet einen Oberblick über das liturgische Leben
der Qumrangemeinde. soweit es aus den bisherigen Dokumenten
zu ersehen ist Er erläutert die Stellunn der Qumrangemeinde
zu Priestcrtum und Temoel. den Festkalender. Bäder und Mahl
weiten, die liturgische Verwendung der Heilinen Schrift und srhliefi
lieh das Gemeinschaftsgebet und die Tageszeiten der Qumrangemeinde
,

Die exegetische Erörterung von Pius Merendino über 1. Kor.
11.24 ist besonders für einen protestantisch"" Tbenloocn aufschlußreich
Es soll die Franc geklärt werden oh es sich bei dem
Gebrauch des Wortes „Leib Christi" um drei verschiedene selbständig
Sachverhalte handelt oder um eine einzige Möa1irhVPit jn
drei Ausdrucksformcn: Was ist Leib Christi als Aufc-stehuno>;
leib, als eucharistischer Leib, als Kirche?

An dieser Stelle wird deutlich, wie schwierig die Aufgabe ist
in Auslegung der Heiligen Schrift sich nicht du*-ch idVicHrerständ-
lichc dogmatische Vorurteile leiten zu lassen Gerade w°aen die
ser schwierigen Aufgabe wird das Gesnräch über solche Texte Her
Heiligen Schrift zwischen den Konfessionen immer dringender

Alfons PI uta stellt sich der Frage, ob man von „Entstellung"
im Sacramcntarium Greoorianum des Aachener Archetvnus spre
chen kann Eine sorgfältige Untersuchung der Einzelheiten führt
zu einem Ergebnis, dafi von allen vorkommenden Fällen (30) nur
8 übrigbleiben, bei denen man wirklich von einer Entstellung des
Aachener Archetypus sprechen kann.

Torsten Gebhard führt uns in eine aufschlußreiche Frage,
nämlich nach der historischen Ordnung der Bilder in den Barock
kirchen. Er will uns mit der Frömmigkeit geschichtlicher Vorgänge,
die hinter der ursprünglichen Bildordnung stehen, in Verbindung
bringen Leider sind die Beispiele begrenzt, zumal ia auch aus den
meisten Kirchen die berühmten Bilder in die Museen gewandert
sind.

Unter den Miszellen ist erwähnenswert die Darbietung von Michael
Murianoff über die Geschichte der Verehrung des heiligen
Nikolaus.

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 6