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Ausgabe:

1969

Spalte:

453-455

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Restle, Marcell

Titel/Untertitel:

Die byzantinische Wandmalerei in Kleinasien 1969

Rezensent:

Onasch, Konrad

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liehe diplomatisch bedingte Situationen, wie Bismarcks Taktik,
dem alten Monarchen die Ernennung Falks schmackhaft zu
machen, und Falks Doppelspiel zwischen König und Bismarck
(S. 107 f), verzeichnen wir nur des Königs Klage, dafj er hintergangen
werde (S. 130). Komplizierter wird die Lage noch durch
Kögels Personalpolitik, z. B. die Ernennung von Verwandten auf
kirchlich einflußreiche Stellen. Fassen wir die verwirrend*» Fülle
der Einzelaktionen in einem Urteil zusammen, daß der Vf m. E.
auf S. 381 zutreffend formuliert hat. Bismarck und Kögel erreichten
ihre Gröfte dadurch, daß der alte König die Größe besaß,
kluge Leute wirken zu lassen und selbst in den Hintergrund zu
treten. Der alte König ließ seinen großen Kanzler wie seinen
klugen Hofprediger jeden auf seine Art wirken, und die Stellung
eines Königs und obersten Bischofs zugleich war gewiß nicht
leicht. Eine Gefahr für Kögel konnte nur bei einem Thronwechsel
eintreten, wenn es nicht gelang, auch den neuen Monarchen für
die bisherigen kirchenpolitischen Ziele zu gewinnen. Dieser Fall
trat unter Wilhelm II. ein, wo es weder Kögel noch Stöcker
glückte, den jungen Kaiser und König auf ihre Seite zu stehen,
bald nach der Thronbesteigung Wilh. TT. Der Verf. muß am Schluß
(S. 383) konzedieren, daß Kögel aus innerster Oberzeugung gehandelt
hat und daher den Versuch machte, nicht nur dem
Liberalismus ein Heimatrecht in der Kirche zu verwehren, sondern
auch kirchcnrcgimentliche und kirchengesetzliche Druckmittel gegen
liberale Geistliche und Professoren einzusetzen. M. E. hat
Kögel seinen „eindrucksvollen Erfolg" mit wachsenden Verlusten
kirchlicher Mitglieder bezahlt. Darüber werden auch aus den
ersten Jahren des Kulturkampfes höchst bezeichnende Statistiken
gegeben. Daß die Sache, um die es Kögel letztlich ging, nämlich
die Auseinandersetzung zwischen Orthodoxie und Liberalismus,
heute wieder zur Diskussion steht (und das heißt: nicht bloß
vom staatsrechtlichen Verhältnis zwischen Staat und Kirche abhängt
), ist deutlich. Die gut durchdachte und stilistisch außerordentlich
eindrucksvolle Untersuchung verdient eine aufmerksame
Lektüre aller derer, die heute kirchliche Verantwortung
I ragen.

Berlin Erich F a s c h c r

GESCHICHTE DER
CHRISTLICHEN KUNST

Restle, Marcell i Die byzantinische Wandmalerei in Klcinasien,

I-III. Recklinghausen i Bongcrs [1967], 866 S. m. 478 Abb.. 84 Farb-
taf„ 84 Pläne, 6 Ktn. 4°. Lw. DM 360,-.

Dieses vom Verlag in jeder Hinsicht vorbildlich ausgestattete
monumentale Werk Restles beschäftigt sich mit einem Gegenstand
der byzantinischen Kunstgeschichte, der nach den Arbeiten vor
allem von G. de Jerphanion, N u. M. Thierry und J. Lafontaine und
in ständiger Auseinandersetzung mit ihnen neue Voraussetzungen
erhält. R. stellt in den Mittelpunkt seiner Analysen Fragen der
Stilentwicklung und der Maltcchnik, während die Ikonographie
für ihn in diesem Zusammenhang keine wesentliche Rolle spielt.
Sic wäre gesondert aufzuarbeiten. Die Absicht des Verf.s zielt auf
eine methodisch verläßliche Datierung der einzelnen Denkmäler.
An Vcrgleichsmatcrial wird vorzugsweise die byzantinische Buchmalerei
herangezogen. R führt die Ansätze einer Kritik an Jerphanion
durch F.. Weigand und A. M. Schneider nicht nur weiter,
er gibt seiner Methode, nicht zuletzt durch persönliche Kenntnisnahmen
, durch Autopsie der Wandmalereien an Ort und Stelle,
ein eigenes Profil.

Das Gesamtwerk ist folgendermaßen aufgebaut: Bd. I bringt
außer einem wichtigen Vorwort und dem Literaturverzeichnis eine
hei profunder Wissen^chaftlichkcit doch immer ungemein anregend
bleibende Analyse der Denkmäler in Kappadokien. Lyka-
onien, Wcstklcinasicn, Nikaia und Trapezunt. Es folgen Photos mit
Bildern aus der Landschaft Kappadokicns und der Katalog der
Wandmalereien, der Auskunft gibt über die Lage, Spezialliteratur,
die Architektur, den Erhaltungszustand, den Dekor und schließlich
die Technik. Tn dem nächsten Kapitel über die Technik der byzantinischen
Wandmalerei wird vom Verf. ein Auszug aus dem Malerbuch
vom Berge Athos gegeben, dem detaillierte Ausführungen
folgen, die ihrerseits an den Werkstoffanalysen der Höhlenmalereien
überprüft werden. Bei der erwähnten Methode des Verf.s

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ist dieses Kapitel grundlegend für seine Gesamtdarstellung. Nebenher
wird dabei deutlich, wie im Athoshandbuch „nur spärliche,
kümmerliche und vor allem irreführende Reste" der ursprünglich
reichen byzantinischen Wandmaltechnik erhalten sind. Anmerkungen
, ein Denkmäler- und ein ikonograph'sches Register
und sechs Karten beschließen den I. Bd. Der II. und 1. Tafelband
bringt zunächst in seinem Textteil eine Einführung in „das byzantinische
Kleinasien, seine Geschichte, seine Malereien und die bisherige
Forschung". Es schließt sich das Bildmaterial (ganz ausgezeichnete
ein- und mehrfarbige Tafeln, für die Frau Le Brun.
Grundrisse und Raumschaubilder, für die K.-F. Krösser, Frau I.
Kübler und R. Bergold verantwortlich zeichnen) der ersten 25 Kapellen
an. Ein „Ordnungssystem der Motive" und ein Abbildungsverzeichnis
stehen am Schluß des Bandes. Der ITT. und 2. Tafelband
bringt eine Einführung in die Geschichte des Höhlenklostertyps
überhaupt und den Kappadokiens im besonderen sowie in die
Architektur desselben. Wie in Bd. II werden die Kapellen von
Nr. XXVI bis LXXVI behandelt. Dort wie hier helfen die entsprechenden
Register die Materialfülle erschließen.

Verf. konzentriert, wie bereits bemerkt, seine Aufmerksamkeit
neben den Werkstattanalysen vor allem auf stilistische Fragen wie
das Verhältnis von Kontur und Binnenzeichnung, den Faltenwurf
der Gewänder, die Wiedergabe der Antlitze, die Behandlung von
Schatten- und Lichtfeldern, den Farbenrhythmus, Bewegungsmotive,
Anwendung des Kontrapostes, Proportionicrung der Figuren, die
Behandlung des Aktes u. v. a. m. .Die alte Millet'sche Ansicht, die
ikonographische Komposition entscheide über Herkunft und weitere
Entwicklung, die Form sei nur eine Sache des sauberen Hand
werks" (11,10) wird von R. zusammen mit Dcmus, Diehl und Laza-
rev ebenso zurückgewiesen wie die These Millets und Jcrnhanions
von der syrisch-palästinensischen Herkunft der kappadokischen
Höhlenmalereien „Die Malereien wurden, auch von ihrem Pronio-
lor Jerphanion, nur zu häufig als ärmlich, mönchisch, linkisch,
hinterwäldlerisch bezeichnet. . . Das Ideal einer weithin nazarc-
nischen Ästhetik bestimmte noch bis in die Mitte des zwanzigsten
Jahrhunderts hinein das Bild der byzantinischen Kunst. Heute
haben wir uns dagegen wieder einer allzu puristischen Auffassung
zu erwehren, die handwerkliches Können und künstlerische Routine
allzu stark in der byzantinischen Kunst betont sieht. Unbeirrt
von solchen immer stark von der augenblicklichen Denkmode
beeinflußten Auffassung wird man danach trachten müssen, die
kleinasiatischen Fresken als wie immer gualitativ beschaffene
Werke innerhalb der gesamten übrigen byzantinischen Kunst zu
sehen. Man sollte ruhig einmal zuerst nach ihrer Form, ihrem Stil
fragen" (11,12). Verf. warnt auch davor, „daß die Fresken einnr
Kirche, die in der Architektur mesopotamische Züge erkennen läßt,
ebenfalls von mesopotamischen Malereien beeinflußt sein müßten
Architektur und Malerei sind in iedem Fall getrennt zu betrachten"
Uli,15). Auf Grund dieser Voraussetzungen und seiner miniutiösen
Einzclanalysen kommt R. zum Ergebnis: „Die Hypothese vom
syrisch-palästinensischen und damit orientalischen Charakter der
klcinasiatischen Fresken ist damit hoffentlich endgültig zerstört
Die byzantinische Wandmalerei in Klcinasien ist überall eine Ableitung
der hauptstädtischen Malerei, Kleinasien selbst eine echte
Kunstprovinz des byzantinischen Reiches und seines Zentrums
Konstantinopel" (11,20).

Die hier nur kurz skizzierte Auffassung R.s wird ohne Zweifel
eine Reihe von Diskussionen auslösen. Auch Viktor Lazarev hat
s.Z. (Istorija Vizantijskoj Zivopisi, 1 Bd., Moskau 1967. 95 f.) eine
allmählich stärker werdende Einflußnahme Konstantinopcls auf
die Höhlenmalereien Kappadokicns festgestellt, aber zugleich den
Einfluß Syropalästinas auf die Fresken des 10. Jahrhunderts gerade
an bestimmten ikonographischen Besonderheiten demonstriert
(in der Apsis i auf dem Thron sitzender Christus zwischen den
Evangclistensymbolcn und Cherubim, oder die Gottesmutter mit
den Erzengeln, oder die Deesis: in der Kuppel: die Himmelfahrt
Christi; in den Zwickeln: Medaillons mit den Evangelisten). Die
ikonographischen Details wird sich der Benutzer des Buches allerdings
selbst heraussuchen müssen. Dabei wird er feststellen, daß
sich die im „Ordnungssystem der Motive" geführten Stichworte,
wie etwa „Christus" oder „Maria", bei den Denkmälern selbst viel
reicher in Untertypen gliedern lassen. Aber auch andere Einzelheiten
, die sich inzwischen zu etablierten Vorstellungsschemata
der Forschung entwickelt haben, werden in dem Buch neu durch-

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 6