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Ausgabe:

1969

Spalte:

427-429

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Soggin, Jan Alberto

Titel/Untertitel:

Das Königtum in Israel 1969

Rezensent:

Reventlow, Henning

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427

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 6

428

S o g g i n , Johann Alberto: Das Königtum in Israel. Ursprünge,
Spannungen, Entwicklung. Berlin: Töpelmann 1967. X, 167 S.
gr. 8° = Beihefte zur Zeitschrift f. d. alttestamentl. Wissenschaft
, hrsg. v. G. Fohrer, 104. Lw. DM 36,-.
Die neuere Diskussion über Wesen und Bedeutung des altisraelitischen
Königtums ist wie kaum ein anderes alttestament-
liches Thema von einer Grundthese geprägt gewesen: der Auffassung
vom sog. „sakralen Königtum", d. h. der Anschauung, wie
sie vor allem von der „Myth and Ritual"-Schule und in Uppsala
entwickelt wurde, wonach die Institution des Königtums in Israel
grundsätzlich nach dem Vorbild des Königtums göttlichen Ursprungs
, wie es im gesamten alten Orient anzutreffen ist, zu
verstehen sei. J. A. Soggin, den man als Fachmann in der alt-
testamentlichen Arbeit nicht mehr vorzustellen braucht, hat schon
vor mehreren Jahren in einem anregenden Aufsatz: „Zur Entwicklung
des alttestamentlichen Königtums" (ThZ 15, 1959, 401
bis 418) aus der Alternative zwischen den Befürwortern und
Gegnern dieser These herauszuführen versucht, indem er drei
Elemente als für das israelitische Königtum bestimmend herauszustellen
suchte: 1, Das „demokratische" Prinzip (Königswahl
durch Volksversammlung); 2. das charismatische Denken (göttliche
Designation des Königs); 3. die Institutionalisierung. Die
beiden ersten Momente sind für das israelitische Königtum die
ursprünglichen und ältesten, mit denen dieses für Israel relativ
spät gekommene Amt mit seinen Vorläufern, den charismatischen
sog. „Richtern" zusammenhängt. Erst das dritte Element, das
Produkt einer nachträglichen Verfestigung, die sich erst im Laufe
der weiteren Entwicklung herausbildete, ist zur Einbruchstelle
der mythisch-kosmischen Gedankenwelt geworden, indem die sich
verfestigende Monarchie zu ihrer Legitimation auf die Muster
ihrer besonders kanaanäischen Umwelt zurückgriff. Diese damals
geäußerten Thesen versucht der Vf. in der vorliegenden
Arbeit, die der Theologischen Fakultät der Universität Basel als
Dissertation vorgelegen hat, in zwei ausführlichen Gedankengängen
näher zu belegen.

Der erste Weg, der dabei beschritten wird, ist der eines Ganges
durch die gesamte vorexilische Geschichte Israels. Zu dieser gehört
eigentlich auch schon die Vorgeschichte, die Richterzeit, hinzu
, die noch als Kapitel II (11-26) innerhalb der Einleitung be
handelt wird. Hier werden nach einem kurzen Überblick über
die „Richter als Vorläufer des Königtums" die wenigen aus dieser
Zeit bekannten Ansätze zur Errichtung einer Monarchie auf
israelitischem Gebiet: die Wahl Gideons, das Königreich Abime-
lcchs und Jephtha behandelt. Der I. Hauptteil (27ff.) bespricht in
je einem Kapitel das Königtum Sauls, Davids und Salomos, worauf
Kapitel IV und V den getrennten Reichen Israel und Juda
gewidmet sind. Man wird sagen können, daß in den drei ersten
Kapiteln gegenüber dem bisherigen Stand der Forschung nicht
wesentliche neue Erkenntnisse enthalten sind. So wird z. B. das
Königtum Sauls im Anschluß an M. Weber und M. Noth als eine
Fortsetzung des alten Charismatikertums im Übergang zu einer
beginnenden Tnstitulionalisierung verstanden, woraus die Spannungen
resultieren, die dieses Königtum episodenhaft bleiben
ließen (29-57). Das Kapitel über David (58-76) verweist auf die
bekannten Krisen (die Aufstände Absaloms und Scbas), in denen
die trotz der Verfestigung der Institution des Königtums unter
David in seinem Reiche vorhandenen Spannungen, besonders im
Gefälle zwischen Nord und Süd, sichtbar werden. Ähnlich wie bei
David geht auch für Salomo (77-89) die Darstellung an der historischen
Entwicklung entlang, beginnend mit dem Problem der
Thronnachfolge bis hin zur inneren Entwicklung des Reiches in
der Spätzeit Salomos. Einen folgenschweren Schritt Salomos sieht
Soggin neben der bekannten Steuer- und Fronarbeitspolitik in der
Wiederaufrichtung der Streitwagenmacht der kanaanäischen Städte
im Norden (87). Hier wurden nach Ansicht des Vf. die Grundlagen
für die politisch-militärische Situation gelegt, die er als für
das spätere Nordreich charakteristisch und dort in ihren Auswirkungen
verhängnisvoll ansieht.

Alles bisher Behandelte ist jedoch nur (umfangreiche) Vorbereitung
für die beiden Kapitel über die getrennten Reiche (90
bis 112), auf denen der eigentliche Schwerpunkt der Arbeit ruht.
Das rcligionspolilische Problem für die Könige des Nordreiches
bestand darin, zwischen den religiösen Anliegen der beiden
Hauptbevölkerungsgruppen ihres Reiches, dem israelitischen und
dem kanaanäischen Bevölkerungsteil, einen Kompromiß zu finden
; dem diente die schon von Salomo begonnene, von Jerobeam I

und seinen Nachfolgern im Nordreich fortgesetzte synkretistische
Ausgestaltung des Kultes an den Reichsheiligtümern (vor allem
Bethel und Dan), wobei die religiösen Forderungen der jahwetreuen
Truppen nur unzureichend berücksichtigt werden konnten.
Auch ein Revolutionär wie Jehu, der als Kämpfer gegen den
Synkretismus begonnen hatte, mußte bald auf diese Linie einschwenken
. Machtpolitisch ist für den Norden nach Soggin ein
immer größer werdender Einfluß des Berufsheeres entscheidend,
der das alte demokratische Prinzip der Volksversammlung immer
mehr in den Hintergrund drängte. In dieser These zeigt sich die
Senderauffassung des Vf. gegenüber dem herrschenden Bild,
wonach gerade im Norden im Gegensatz zum Süden das charis-
matische'demokratische Element dem Königtum stärker erhalten
blieb. Dieser communis opino entgegengesetzt ist denn auch die
folgende Schilderung über die Lage in Tuda (104-112): „Über
ienen Teil der Bevölkerung, der den zwölf Stämmen angehört
hatte, regierte das Haus David nach Rehabeam mit den altübernommenen
demokratischen Formen, entgegen allem Anschein
und der weitverbreiteten Meinung der Forschung" (106). Einerseits
hatte das Nathan-Orakel (2. Sam. 7) die jeweilige charismatische
Legitimation des Königtums überflüssig gemacht, die als
Erbe der alten Stammestraditionen im Nordreich erhalten geblieben
war und dort ein ständiges Moment der Unsicherheit bildete,
und die ständige Bindung der Monarchie an das Haus David ermöglicht
. Andererseits konnte die Versammlung ihre alten Rechte
bei der Einsetzung des Königs und der Sicherung der Legitimität
der Thronfolge bewahren. Auch religiös konnte das freie judäischc
Bürgertum seine Eigenart gegenüber dem Synkretismus bewahren,
der im wesentlichen auf Jerusalem beschränkt blieb.

Man wird die Eigenart dieser Thesen gegenüber dem verbreiteten
Pauschalurtei! über die inneren Zustände in den beiden getrennten
Reichen begrüßen. Nur eine genaue Untersuchung der uns
leider über diese Zeit nur so spärlich zur Verfügung stehenden
Quellen wird uns vor einem solchen Pauschalurteil bewahren.
Allerdings wird man gerade der vorliegenden Arbeit auch die
Frage stellen müssen, ob die Prüfung der Quellen immer genügend
sorgfältig erfolgt ist. Schon der weitreichende einführende Teil bis
hin zur Regierung Salomos mußte sich notwendig mit flflohHn»ti
Überblicken über die einschlägigen Quellen begnügen. Jeder einzelne
Abschnitt wie etwa der über das Königreich Abimclechs
(20-24) hätte eine eingehendere Quellenanalyse verlangt. Mag
man diese in den Aufienbereichen als Vorarbeit voraussetzen, so
fällt doch auf, daß auch die zentralen Abschnitte kurz gehalten
sind. Dadurch erscheinen auch die Hauptthesen nicht eingehend
genug begründet. Als Beispiel möge die Ansicht von der entscheidenden
Rolle des 'am ha'araes bei der Sicherung der Thronfolae
in Krisensituationen des Südreiches dienen. In 2. Kön. 11 ist zwar
von einer Mitwirkung des 'am ha'araes bei diesen Vorgängen die
Rede (V. 19f.), aber die Hauptrolle bei der Inthronisation des Toas
und dem Aufstand geaen Athalia spielt gerade die Leibwache, also
das Berufsheer, das die entscheidenden militärischen Maßnahmen
trifft, und die Initiative geht von dem mit dem Königshaus verwandten
leitenden Priester am Jerusalemer Tempel aus. Der 'am
ha'araes hat lediglich die Aufgabe der Akklamation. Es ist die
Frage, ob man von daher nicht auch die Rolle dieser Gruppe ;n
späteren Thronwirren verstehen soll (so bei Asaria 2. Kön. 14,21 i
Tosia 2. Kön. 21.24 und Toahas 2. Kön. 23,30). wo von Aktivität
des 'am ha'araes immer recht summarisch die Rede ist. Bei der
Reform des .Tosia (2. Kön. 23,1ff.) sind die Ältesten („das ganze
Volk") jedenfalls deutlich wieder akklamierende Zuhörer der königlichen
Proklamation Trotzdem wird richtig darauf hingewiesen
, daß der 'am ha'araes gerade in Juda bis zum Schluß der staatlichen
Existenz eine beachtliche Funktion behielt. Hierzu bleiben
die alten Beobachtungen E. Würthweins weiter qültig Man wird
die Anregungen der Arbeit in dieser Hinsicht weiter verfolgen und
dabei möglichst zu einer genauen Differenzierung oelangen müssen
, da die Verhältnisse offensichtlich kompliziert lagen und sich
einer allzu einfachen Schematisierung entziehen. Auch das Verhältnis
zwischen Charisma und Institution in der iudäisrhen Mo
narchie verdient weitere Prüfung.

Auf diesen dann sehr schnell zu Ende gehenden Überblick über
die Geschichte des israelitischen Königtums folgt in einem IT. Teil
eine ebenfalls breite Überschau über das Königtum in der gesamten
Umwelt des Alten Testaments (113-162). Dieser Ausblick, der
dem Zweck dienen soll, die Besonderheiten des Königtums Israels
gegenüber den entsprechenden Institutionen seiner näheren und