Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

397-398

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Ziemer, Jürgen

Titel/Untertitel:

Christlicher Glaube und politisches Handeln während der Perserkriege des Kaisers Herakleios. Eine Untersuchung zu Gestalt und Grundlagen der ʺpolitischen Theologieʺ im oströmischen Reich 1969

Rezensent:

Ziemer, Jürgen

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

397

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 5

398

merkmalen der alten Hochkulturen; im Dienste solcher Repräsentation
steht die Häufung von Klangwerkzeugen, und ebenso ist
mit einem hohen Personalaufwand zu rechnen. Experimente ließ
der Tempel in liturgischen Dingen wahrscheinlich nicht zu; so
wird man annehmen dürfen, daß die Kultmusik in den rund dreieinhalb
Jahrhunderten zwischen Salomo und dem Exil im wesentlichen
unverändert bestanden hat. Auch nach dem Exil (vgl. den
Exkurs S. 570f mit Erwägungen zu Psl37,_4) sind weniger innere
musikalische Neuerungen anzunehmen als vielmehr ein Wandel
der Ausführungsformen, Besetzungsgewohnheiten, Personalverhältnisse
und Dienstordnungen. Dieser Wandel wird auch die Bedeutung
einzelner Fachtermini ergriffen haben. Die große Bedeutung
der Kultmusik in einer Zeit, in der Israel nicht mehr als Staat,
sondern als Kultgemeinde existierte, läßt sich leicht vorstellen.

Die wichtigsten Aufgaben, denen sich künftige Forschung gegenübersieht
, dürften sein i Erforschung der kanaanäischen Musikkultur
in unmittelbar vorisraelitischer Zeit; Klärung von Tendenz
und Bedeutung der Nachrichten der Chronik, im Talmud und
bei Josephus; weitere Erforschung der israelitischen Gottesdienstformen
; Untersuchung des armenischen und äthiopisch-koptischen
Kirchengesanges. Zu fordern ist vor allem eine Zusammenarbeit
der beteiligten Disziplinen sowie ein regelmäßiger Austausch
fächerübergreifender Informationen.

Ziemer, Jürgen i Christlicher Glaube und politisches Handeln
während der Perserkriege des Kaisers Herakleios. Eine Untersuchung
zu Gestalt und Grundlagen der „politischen Theologie"
im oströmischen Reich. Diss. Halle 1966. XX, 200 S.
Das Verhältnis von Christentum und Politik in Byzanz beansprucht
immer neu das wissenschaftliche Interesse aller derer, die
sich mit der Geschichte der östlichen Kirchen beschäftigen. In der
vorgelegten Arbeit ist dieses am historischen Detail - der für die
byzantinische Geschichte besonders wichtigen Zeit der Perserkriege
des Herakleios (610-641) - untersucht worden. Dabei hat sich der
Begriff der „politischen Theologie" am geeignetsten erwiesen, das
christlich-byzantinische Verständnis des politischen Handelns zu
charakterisieren. „Politische Theologie" ist in diesem Zusammen
hang nicht gleichbedeutend mit religiöser Ideologie (als religiöser
Rechtfertigung politischer Verhältnisse), ebensowenig mit dem
Schlagwort „Cäsaropapismus"; sie gehört vielmehr einem Denken
7u, das die gesamte Wirklichkeit - einschließlich aller staatlichen
Aktionen in Frieden und Krieg - unter religiösen Aspekt ordnet.

Die Ermittlung der besonderen Gestalt der „politischen Theolo-
9'e* in der gewählten Epoche setzte eine Analyse der entsprechenden
byzantinischen Quellen voraus (1. Abschnitt). Neben den zeitgenössischen
Zeugnissen - vorab die historischen Poeme des
f'Corgios Pisides, die Oratio historica des Thcodoros Synkcllos und
das Chronicon paschale - waren die der späteren, von jenen weithin
abhängigen, byzantinischen Chronographie zu berücksichtigen
. Obwohl im einzelnen jeweils besondere Akzentuierungen unverkennbar
sind, wird doch in allen Quellen gleichermaßen die
' cligiösc Relevanz der Kämpfe eindeutig hervorgehoben.

Das machte es möglich, nach bestimmten Gesichtspunkten ordnend
die Gestalt der „politischen Theologie" in den Perserkriegen
herauszuarbeiten (2. Abschnitt). Zunächst fällt die massiv negative
Beurteilung der Gegner des byzantinischen Reiches, der Perser und
Ovaren, auf. Das alte hellenische Wertbewußtsein gegenüber den
■ Barbaren" ist jetzt überhöht durch das Gefühl absoluter Überlegenheit
in religiöser Beziehung. Die Feinde des Reichs sind zugleich
Feinde des christlichen Glaubens; auch die Juden, obwohl
nicht eigentlich Kriegsgegner und stets besonders behandelt, werden
letztlich von dieser Sicht her beurteilt. - Die Zentralfigur bei
den Kämpfen ist Kaiser Herakleios, der wie einst Konstantin als
„neuer Moses" gefeiert wird. Hier zeigt sich, daß die „politische
Theologie" sich unschwer in den von der spätantiken, verchrist-
lichten Kaiseridec bestimmten Rahmen gesamtbyzantinischen Denkens
einfügt. Es ist das Bemerkenswerte an Herakleios, daß er,
was Feldherrngeschick und persönliche Frömmigkeit anlangt, auch
in Wirklichkeit weithin dem entsprach, was von der Idee her vorausgesetzt
werden mußte. - In der gleichen eüae'ße toc wie der
Kaiser kämpften, so wird berichtet, seine Truppen, und die Kirche
unter Führung des Patriarchen Sergios unterstützte die Kämpfe sowohl
ideell als auch materiell. Vor allem aber führte man Krieg in
der festen Überzeugung, daß überirdischer Beistand die Byzantiner
begleitete, ja daß Gott selbst, Jesus Christus und Maria - von
Ceorgios Pisides f axpaxr]y&z topSevo? genannt - auf byzantinischer
Seite mitkämpften.

Obwohl der Versuch häufig unternommen wurde, die Perserkriege
des Herakleios als eine Art Kreuzzug zu verstehen, mußte
dieser Deutung entschieden widersprochen werden. Durch den
christlichen Glauben ist für die Byzantiner der Kampf nicht ursächlich
motiviert. Man kämpfte nicht, um das Heidentum zu vernichten
. Gleichwohl bestimmt, wie angedeutet, das Christliche das
gesamte kriegerische Geschehen, aber eben auf Grund der „politischen
Theologie", d h. auf Grund der Anschauung, nach welcher
alles politische Geschehen von vornherein vom religiösen Standpunkt
aus beurteilt wird.

Die Kennzeichnung der Perserkriege als eines Kreuzzuges scheidet
also aus. Dagegen spricht einiges für eine gewisse Analogie
mit den heiligen Kriegen Israels. Das ergab sich durch die Untersuchung
der zahlreichen alttestamentlichen Zitate und Anspielungen
(3. Abschnitt). Es verschafft sich so der Glaube der Byzantiner,
legitimer Erbe des alten Gottesvolkes zu sein, beredten Ausdruck.
Daß diese Erbschaft sich besonders in der politischen Sphäre auswirkt
, zeigt freilich zugleich die ganze Problematik der „politischen
Theologie" an,- denn die Erfüllung des Alten Testaments in Christus
hebt ja gerade die „Innerwcltlichkeit der Hcilsgüter" (von
Rad) auf.

Im letzten Abschnitt der Arbeit wird nun versucht, der schwierigen
Frage nach dem dogmen- und geistcsgeschichtlichcn Hintergrund
der „politischen Theologie" nachzugehen. Von drei Seiten
her scheint die ostkirchliche Dogmcnbildung die Entstehung einer
„politischen Theologie" begünstigt zu haben? Der am Gedanken
der kosmischen Herrschaft orientierte Gottesbegriff verleitete
dazu, einen analogen Zusammenhang zwischen der kosmischen
Herrschaft Gottes und dem irdischen byzantinischen Kaisertum
festzustellen, wodurch dieses religiös überhöht wurde. - Die Ausstattung
des biblischen Christusbildes mit herrscherlichon
Zügen, die aus der Spare des irdischen Imperators stammen, ermöglichten
die Entstehung einer politischen Christusidee und im
Zusammenhang damit auch eine politische Mariologic. - Schließlich
hatte die „Enteschatologisierung" (M. Werner)
der urchristlichen Botschaft in Byzanz zur Folge, daß ursprünglich
im Eschaton erwartete Hcilsgüter nun im Kultus, aber eben auch
in der jeweiligen politischen Wirklichkeit des oströmischen Reichs
als bereits gegenwärtig angesehen wurden. Insgesamt muß festgestellt
werden, daß die östliche Theologie kein ausreichendes und
in Byzanz wirksames Korrektiv bot, welches die Entstehung einer
„politischen Theologie" hätte verhindern können.

NEUE BÖCHIK

Aulen, G.; Das Drama und die Symbole. Die Problematik des
heutigen Gottesbildes, übers, v. G.Klose. Göttingen: Vandcn-
hoeck A Ruprecht (1968). 302 S. 8°. Kart. DM 22,-. '

Baars, W.: New Syro-Hexaplaric Texts, odited, commonted upon
and romoared with the Septuagint Leiden: Brill 1968. VII, 157 S.
9r. 8°. hfl. 43.-.

Baumann R i Mitte und Norm des Christlichen. Eine Auslegunrr
v°n 1. Korinther 1,1-3,4. Münster/W.': Aschendorff (1968). V,

319 S. gr. 8" = Ncutcstamentliche Abhandlgn. hrsg. v. J. Gnilka
N. F. 5. Kart. DM 44,- ; Lw. DM 48,-.
Bergmann, J.: Ich bin Isis. Studien zum memphitischen Hintergrund
der griechischen Isisarctalogien. UppsaJa: Univcrsitets-
bibliotekct (zu beziehen durc h Almqvist & Wikscll, Stockholm)
1968. 349 S. gr. 8° = Acta Universitatis Upsaliensis, Historia Re-
ligionum, ed. by C.-M. Edsman u. G. Widengren, 3. Schw
Kr. 60,-.