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Ausgabe:

1969

Spalte:

17-24

Autor/Hrsg.:

Kinder, Ernst

Titel/Untertitel:

Das Evangelium Gottes = Verkündigung und Sakramentshandlungen 1969

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17 Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 1 IS

Das Evangelium Codes = Verkündigung und Sakramen.shand.ungei)

Von Ernst Kinder, Münster/W.

Professor D. Ernst Sommerlatb tum SO. Geburtstag in Verehrung gewidmet

Die traditionelle Redewendung „Wort und Sakrament" ist, genau- des Evangelii" ist, so wäre es doch eine voreilige, ja eigenmächtige
genommen, ungenau, und wo sie doch gebraucht wird, wie etwa in Abstraktion, wollten wir es zur einzigen Weise seines Ergehens
CAV, mufj sie als Abbreviatur verstanden werden. Und zwar ist erklären und die Sakramentshandlungen als gottgewollte Vermittsie
deswegen ungenau, weil das «Wort" Gottes nicht als etwas ande- lungen des Evangeliums eliminieren'.

res neben den Sakramentshandlungen steht, sondern eben der Wir dürfen also nicht so fragen, warum zu der Verkündigung,
onstitutive Faktor in ihnen ist. Immer wieder betont Luther, daf) durch die das Christusevangelium weiterwirkt, auch noch die Teiles
das .Wort" ist, welches ein Sakrament zum Sakrament macht. habe an den Sakramcntshandlungcn hinzukommt, als ob es ausgc
!n den Schmalkaldischen Artikeln (111,5) wirft er Thomas und den macht sei, dafj das Hcilsgeschehen in Jesus Christus selbstverständ-
•-Predigermönchen" vor, dar) sie bei der Taufe „des Worts vergessen lieh durch den Zuruf der Verkündigung weiterwirke, und nur sein
"nd sagen, Gott habe eine geistliche Kraft ins Wasser gelegt, welche Weiterwirken durch die Teilhabe an den Sakramentshandlungen
,e Sünde durchs Wasser abwasche"'. Und andererseits ist das ge- problematisch sei! Bei solcher Fragestellung ist das in Jesus Chri-
Predigte, mündliche „Wort" Gottes nicht nur geistige Mitteilung stus ereignishaft geschehene Heils„wort" Gottes unversehens mit
er ethischer Aufruf, sondern es hat Geschehens- und Tatcharak- dem Predigtwort gleichgesetzt. Ist es aber nicht genauso wunderer
-. Dadurch aber rücken Verkündigung und Sakramcntshandlun- haft, dafj Gottes schöpferisches Heils„wort" von Jesus Christus her
9en nahe zusammen. Statt „Wort und Sakrament" müfjten wir also durch menschliche Worte weiterwirkt wie durch menschliche Handgenauer
sagen: mündliche Verkündigung und Sakramentshandlun- lungen mit kreatürlichen „Elementen"? Beides ist gleich wunderten
. Durch beide wirkt das eine lebendig-schöpferische „Wort" haft und gleich ursprünglich. Keines von beiden kann von allgemci-
^ottes, das Evangelium, am Menschen, und zwar durch beide in nen Prinzipien her deduziert und postuliert werden, sondern beide
'nrer Bezogenheit aufeinander1. sind miteinander durch das Christusgeschehen selbst gesetzt wor-
wir müssen also zwischen .Wort" und „Wort" unterscheiden, je dcn. Im Zusammenwirken beider wirkt das eine Heils,, wort"
nachdem, ob wir damit das mündlich verkündigte „Wort" Gottca Gottes von Jesus Christus her weiter an den Menschen.
meinen, welches den Sakramentshandlungcn korrespondiert, oder Darum sind die Verkündigung und die Sakramentshandlungen
as 'ebendig-schöpferische „Wort" Gottes, welches sich grundlegend auch nicht konkurrierende Rivalen, die sich gegenseitig den Platz
j" Christiis selbst manifestiert und in seinem Weiterwirken durch streitig machen und die man nur durch Ab- und Zugeben in eine
e 1 d e, die mündliche Verkündigung und die Sakramentshand- gegenseitige Zuordnung bringen kann. Vielmehr helfen, fördern
ungen, ergeht''. Wenn auch, wie Luther oft sagt (siehe das Zitat in und stärken beide (wenn sie richtig verstanden werden) einander,
Anmerkung 4), die mündliche Predigt das „eigentliche Ampt und eins steht hier für das andere: Ohne das Verkündigungswort

—-_ würden die Sakramentshandlungen leicht falsch, nämlich „magisch"

') bslk s.450. - vgl. pCr Erik Porsson. Die Predigt und die Realpräsenz aufgefaßt werden, und ohne die Sakramentshandlungen würde die

umst,. LR 9 ,959/60 s 441f: Es jst cin Wort christj aus dcr Schrjft das das Verkündigung leicht falsch, namheh nur als „Kommentar", als In-

übs<chdmaM ZU e'ncm Mi"el dcr Gc9cnwart christi madlt- 9enau wie andere Schrift- formation oder nur als ethischer Appell aufgefaßt werden. Nur in

j( mttc mit ihrer Botschaft unsere Predigt zu einem Mittel der Gegenwart chri- ihrer wechselseitigen Bezogenheit aufeinander und nur in ihrem

das ht*Cn "Als cin Wort chris,i war dasselbe, nämlich: das ist mein Leib: Zusammenwirken miteinander behalten beide ihre Eigenart und

wurde ""'!! B,Ut' nichl "ur ei" wirksamcs Wort- als cs zum erstenmal gesprochen können ihre Wirksamkeit im Sinne des Christusgeschehens aus-

sooft SOn n durch dieses Wort ... ist er selbst . . . noch heute gegenwärtig. uben

0 t das Sakrament nach seinem Gebot ausgeteilt und sein Wort wiederholt wird."

f(. 1 Vgl. Knud Ejler Lastrup. Die Kategorie und das Amt der Verkündigung im Die Frage mufj also SO gestellt werden. Warum will das ChristUS-

lnWl* auf Luther und Kierkegaard. EvTh 9. 1949/50. s. 249-269: Heinz Dietrich geschehen in dieser Doppclheit von mündlicher Verkündi-

wcn ,and' Das Heilsgcschchcn in Christus und die Predigt. SThKAB 7, 1955: Gustaf gung und Sakramentshandlungen weiterwirken, um die Menschen

KuD9""' D'e Prcd'9'' 1955 ■ Hans Otto Wölber. Die Predigt als Kommunikation. zu erreichen? Hier muf) die erste Antwort scheinbar positivistisch

der Tho1958' S' H2"128- " Erich Roth (Die Privatbeichte und die Schlüsselgewalt in iauten. weji beides zugleich in dem Christusgeschehen selbst be-

nach 91c dcr Reformation, 1952. S 74f) spricht davon, dafj die Verkündigung

j. reiormatorischer Auffassung eine .äufiere. elementlichc. sakramentale Seite" _

■j, ~ Am stärksten betont dies Rcgin Prenter (Spiritus Creator. Studien zu Luthers

^eologic, 1954. s. 133ff. bes. S. 1580: .Das Grundsakrament ist Christus selbst. In ') Vgl. Werner Eiert. Der christliche Glaube, 5. 1960, S. 356: Der zweite metho-

j ™ s"id Gottes promissio und das Signum miteinander verbunden . . Wort und dischc Irrweg .wird beschritten, wenn zum Beispiel die Augustinischc Definition

ram«t gehören für Luther unlöslich zusammen. Aber man kann ihr Verhältnis des Sakraments als eines verbum visibile die Sakramentslehre bestimmt, so dafj die

^'einander nicht begreifen, wenn man sie als zwei verschiedene, miteinander Geltung der Sakramente von ihrem Verhältnis zur Verkündigung abhängig gemacht

mC'"ahc konkurrierende GnadcnmiUcl nebeneinander stellt, wie cs oft in der sakra- wird". Auch wird in der neuprotestantischen Theologie argumentiert, die Kirche sei

en«osen Problemstellung des modernen Protestantismus geschieht. Das Wort .leine Wortkirche, folglich können auch die Sakramente nur eine Abart des Wortes

tU ^am"ch selbst e'n Teil des Sakraments, und das Wort des Sakramente ist iden- oder (nur) dessen Bekräftigung sein . . . Eine Sakramentslehre dieser Art kann man

mit dem Wort, das verkündigt wird ... Die Verkündigung und die Sakra- nur als Fluchtversuch vor den Sakramenten selbst bezeichnen . Keinesfalls kann

mcn'c sind beide in der gleichen hcilsgeschichtlich-eschatologischen Totalität behei- sie sich auf Luther berufen. Denn gerade von ihm ist zu lernen, daf) die Formel von

™a'et- Es gibt kein anderes Wort als dies, das Menschen verkündigt wird, die in der .reinen Wortkirchc' durch die Sakramente widerlegt wird. An der Tatsache des

k" Üb"nq ihrer Taufe und im Gebrauch des Abendmahls leben. Es wird auch C.etauftseins. nicht an einer Lehre über die Taufe, hat er sich und andere sein Leben

Sak™ment ausgeteilt ohne Verhcifiung, und die Vcrheifjung mufj verkündigt lang aufgerichtet". - Prenter, a.a.O. S. 133f- .Hat nicht Luthers Betonung des Wortes

ia " ' D'C Verkündigung selbst bekommt ebenso wie die Beichte sakramen als des grundlegenden Gnadenmittels eben den Sinn. da6 er durch den ganzen mittel

a c" Charakter durch dieses Gebundensein an die sakramentalen Zeichen." altcrlichen Sakramentalismus zu einer höheren, persönlichen Form der Religion hin

' Vgl. Gustaf Wingren. Die Sakramente und die Predigt als Träger des fleisch- durchbricht, so daft das Sakrament vom Wort, wenn auch nicht geradezu verdrängt,

99«°rdCnen Worlcs- in: Die Leibhaftigkeit des Wortes Festgabe für Adolf Köberle. so doch vergeistigt und ihm untergeordnet wird? So ist die Sache oft verstanden wor-

.. «.uiiinm«" <"=> wu™». ■•—'■■ " ~ sie dj(, sozusagcn klassische, neuprotestantische Anschauung von Luthers

1958. S. 375-386 aao a Verhältnis zur mittelalterlichen Sakramentsreligion." Doch Luthers .Bruch mit der

" L"ther nimmt in den Schmalkaldischen Artikeln (III.4), BSLK, S. 449. aas üb(,rliefcrten Sakramentslehre bedeutet nun nicht ohne weiteres ein Aufgeben
-Evangelium" als Oberbegriff und zählt als dessen Wirkmittcl auf: -erstlich durchs sakramentalen Verständnisses des christlichen Glaubens und Lebens oder eine

mündlich Wort, darin gepredigt wird Vergebung der Sunde in alle Welt, Weichs 1' . f^-^^^ dcs Sakramentsbegriff es". In seinem Kampf gegen die Schwärmer

'st das eigentliche Ampt des Evangelii. zum andern durch die Taufe, zum dritten - Luther .immer cin ausgeprägtes Mifttraucn gegenüber allen Forderungen nach
durchs heilige Sakrament des Altar», zum vierten durch die Kraft der Schlüssel geistigen' Religion gezeigt . . . Wir sind von vornherein sehr skeptisch

und auch (fünftens) per mutuum colloquium et consolationem fratrum." - Vgl. cl r JUm Auffassung, die in Luthers starker Betonung des verbum voeale

p«sson. a.a.O., S. 442: Christus .ist im Evangelium gegenwärtig, und zwar gerade 9.C9e™berwindu„g der .sakramentalen' Frömmigkeit als solcher zugunsten eines

wahrend dies Evangelium in alltäglichen menschlichen Worten gepredigt wird, die ^"^„^ ,geistigen Verständnisses des Göttlichen' (und damit auch der Sakra

w" mit unseren Ohren vernehmen önnen. Dieses gleiche Evangelium wird im sogen» Printer legt dann (a a.O. S. 135E) positiv im einzelnen dar, wie

Sakrament nicht nur in mündlicher Rede mitgeteilt, sondern auch in Form von Brot "icn e c ■verstandenen Sakramente tief mit der Verkündi

und Wein, die uns dargereicht und zum Mund geführt werden, so daf, wir schmecken nach LMnm
™d fühlen können".