Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1969

Spalte:

394

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Walter, Nikolaus

Titel/Untertitel:

Untersuchungen zu den Fragmenten der jüdisch-hellenistischen Historiker 1969

Rezensent:

Walther, Nicolaus

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

393

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 5

394

lung im damaligen Streit um die Bibel gefragt. Kap. I stellt Käh-
lers Verständnis der Aufgabe des Dogmatikers als Anwalt der
Laien dar. Kap. II und III zeigen, wie Kahler in der Wahrnehmung
dieser Aufgabe in eine doppelte Frontstellung gerät: einerseits
gegen die Gemeindeorthodoxie mit ihrem starren Festhalten an
der Verbalinspirationslehre und gegen die Bemühungen der positiven
Literarkritik (Kap. II) und andererseits gegen die monistische
sog. „moderne Theologie" mit ihrem Historizismus und Subjektivismus
(Kap. III). Gegenüber beiden Fronten beharrt Kähler darauf
, dafj als Kriterium für ein sachgemäßes Verständnis der Schrift
ailein der von ihr bezeugte Gegenstand selbst in seiner geschichtlich
-übergeschichtlichen Struktur gelten kann, der sich weder der
Sicherung durch den Bibelbuchstaben noch dem Totalitätsanspruch
der empiristischen Historik ausliefert. Mit Kap. IV, den Erwägungen
Kählers über praktische Maßnahmen gegen die „moderne
Theologie", schließt der erste Teil der Arbeit ab.

In einem zweiten Teil (5 Kapitel) wird nach der systematischen
Grundlegung von Kählers Schriftverständnis, nach dessen inhaltlich
-dogmatischer Ausgestaltung und nach den es bestimmenden
hermeneutisch-dogmatischen Voraussetzungen gefragt. Kap. I setzt
ein bei Kählers Wiederentdeckung des Predigtcharakters der Schrift
im Anschluß an die reformatorische Schätzung der Schrift und im
Durchgang durch die historisch-kritische Fragestellung. Nach Kählers
berühmt gewordener Definition ist die Schrift „Urkunde für
den Vollzug der kirchengründenden Predigt", zugleich aber - und
das ist für die Bestimmung ihrer geschichtlichen Eigenart nach
Kähler ebenso wichtig - ist sie die „fortwirkende Urkunde der
Verkündigung": als „Buch der Kirche" und als „Buch der Menschheit
". Kap. II fragt nach Kählers Verständnis der Schrift als Wort
Gottes. Gottes Selbstoffenbarung im Wort seiner Zeugen wehrt
sowohl einer bloßen Identifizierung von Menschenwort und Gotteswort
als auch einer mechanischen Unterscheidung beider Größen.
Und Gottes Selbstoffenbarung in geschichtlichen Tatsachen kann nur
dort erkannt werden, wo das begleitende deutende Wort diese
Tatsachen in den heilsgeschichtlich-kerygmatischen Zusammenhang
rückt. Kählers Verständnis der Heilsgeschichte als geschichtlich-
übergeschichtliche, kerygmatische Geschichte wird sodann in der
Nachfrage nach dem mit dem Begriff des Übergeschichtlichen Intendierten
erhoben. In Kap. III wird nach der Antwort Kählers
auf die Frage nach der Einheit der Schrift gefragt. Die Einheit der
Schrift ist nach Kähler heilsgeschichtlich-christologisch begründet
in dem ganzen geschichtlichen, biblischen Christus. Dieser wird als
Mitte und Maßstab der Schrift von Kähler verteidigt gegenüber
der geschichtswissenschaftlichen Reduktion auf den historischen
Jesus in der historischen Leben-Jesu-Forschung einerseits und gegenüber
der systematischen Reduktion auf einen von ihm unterschiedenen
geschichtlichen Christus (inneres Leben Jesu) bei Wilhelm
Herrmann andererseits. Schließlich muß sich der ganze biblische
Christus als Mitte und Maßstab der Schrift bewähren in der
Frage nach der Einheit von AT und NT. Kap. IV erörtert Kählers
theologische Begründung des Offenbarungsansehens der Schrift.
Grundlegend für diese Begründung ist für Kähler die behauptete
Entsprechung zwischen dem testimonium Spiritus saneti internum
und dem testimonium Spiritus saneti in ecclesia, sowie der Zirkel
zwischen Rechtfertigungsglaube und Heilsgeschichte. An diesem
Zirkel zeigt sich die Problematik des erfahrungstheologischen Ansatzes
Kählers, den er mit seiner Zeit teilt, obwohl er kraftvoll
einen Ausgleich zwischen dem theologischen Subjektivismus und
theologischen Objektivismus erstrebt. In Kap. V wird abschließend
dem Verhältnis zwischen der Beantwortung der historischen und
theologischen Wahrheitsfrage der von der Schrift bezeugten geschichtlichen
Offenbarung Gottes nachgegangen. Dabei zeigt es
s'ch, daß Kähler nicht, wie oft behauptet wird, als der Vater der
modernen Zweigleisigkeit im theologischen Verfahren bezeichnet
werden kann, auch wenn er in der Frontstellung seiner Zeit zunächst
auf der Differenz in der Vergewisserung im Geschichtlichen
(geschichtswissenschaftliche Vergewisserung einerseits und vorwissenschaftliche
Vergewisserung innerhalb des Glaubenszirkels
andererseits) beharrt, um der Auflösung der theologischen Wahrheitsfrage
in die historische zu wehren. Seine Intention geht vielmehr
auf ein Zusammenfallen der theologischen und geschichtlichen
(nicht historischen) Wahrheitsfrage in der eschatologisch
verstandenen Geschichte des gepredigten, biblisch-geschichtlichen

Christus. Das kann aber durch keine Methode bewerkstelligt
werden.

Mit einer zusammenfassenden Würdigung von Kählers Schriftverständnis
endet die Arbeit.

Walter. Nikolaus: Untersuchungen zu den Fragmenten der
jüdisch-hellenistischen Historiker. Habil.-Schrift Halle 1967.
XIII, 257 S.

Die Arbeit enthält den Hauptteil einer in Vorbereitung befindlichen
umfassenden Ausgabe der Fragmente der jüdisch-hellenistischen
Literatur, die später in den „Texten und Untersuchungen"
(Akademie-Verlag Berlin) erscheinen soll. Im vorgelegten Teil
sind die Fragmente der „Historiker" behandelt, die seit den bahnbrechenden
„Hellenistischen Studien" von Jakob Freudenthal
(1874/75) nicht wieder zusammenhängend untersucht worden sind.
Es handelt sich um folgende Autoren: Demetrios (um 200
V. Chr.; exegetische und chronographische Behandlung der Geschichte
Israels, besonders nach Gen. und Exod.), Eupolemos
(um 150 v. Chr.; historische Darstellung vor allem der Regierungszeit
Davids und Salomos, mit ausführlicher Beschreibung des
Tempelbaus), Artapanos (Roman über Mose mit überraschender
Liberalität gegenüber dem ägyptischen Tierkult), Aristeas
(Fragment über Hiob), Theophilos (Fragment über die goldene
Säule im Tempel zu Tyros); Kleodemos Malchas (Fragment
über die Kinder Abrahams und der Kettura; der Autor war
nicht Samaritaner, sondern jüdischer Hellenist, vermutlich aus der
Diaspora von Karthago), P h i 1 o n „der Ältere" (Historiker, nicht
mit dem Epiker Philon identisch), Pseudo-Eupolemos
(samaritanischer Autor, der babylonisch-hellenistische und biblische
Traditionen verschmilzt).

Ein einleitender Abschnitt behandelt die Überlieferung der Fragmente
, vor allem den Haupttradenten Alexandros Polyhistor und
sein Buch „Über die Juden", das er vielleicht bald nach 63 v. Chr.
(Errichtung der Provinz Syria durch Pompeius) verfaßte. Das Hauptgewicht
der Arbeit liegt aber einerseits auf der Behandlung der
„Einleitungsfragen" für die einzelnen Autoren und andererseits
auf der - zum Teil sehr eingehenden - Kommentierung der Texte,
die in „Sachapparaten" zu den Fragmenten niedergelegt ist. Da es
sich von Autor zu Autor um sehr verschiedene Probleme handelt,
läßt sich eine Zusammenfassung der Ergebnisse hier nicht darbieten
.

Die Bedeutung der Texte liegt darin, daß sie ein wichtiges Stück
jüdischer Bemühung um die Ausbildung einer eigenen Kultur in
hellenistischen Formen in der Zeit von etwa 200 bis 70 v. Chr.
widerspiegeln. Der Sammelbegriff „Missionsliteratur" ist allerdings
irreführend; auch apologetische Absichten dürften nur bei einzelnen
dieser Autoren eine Rolle gespielt haben. Im ganzen war
diese Literatur offenbar für jüdische Leser bestimmt.

Wohlenberg, Dieter: Kultmusik in Israel. Eine forschungsgeschichtliche
Untersuchung. Diss. Hamburg 1967. XVIII, 683 S.
Die Arbeit, angeregt durch Prof. Dr. Hans-Joachim Kraus, fragt
nicht nach den musikalischen Schöpfungen, die von den Psalmen
ausgehen, sondern nach der Musik der Psalmen selbst, nach ihrer
Eigenart und Aufführungspraxis, nach den Instrumenten und den
Sängern.

Angesichts der vielfältigen Schwierigkeiten erschien es zunächst
sinnvoll, eine Voraussetzung für künftige Forschungen zu schaffen,
und zwar in Gestalt einer Zusammenstellung der bisher erzielten
Forschungsergebnisse. Diese Aufgabe war um so dringlicher, als
sich Theologen, Musikwissenschaftler und gelegentlich auch Orientalisten
mit der Materie befassen, ohne daß es bisher zu einem
hinreichenden Kontakt zwischen den Disziplinen gekommen wäre;
selbst innerhalb der einzelnen Fachbereiche kann man kaum von
einer Kontinuität sprechen.

Die Arbeit besteht also in ihrem Hauptteil aus einem Forschungsbericht
(Kap. II-VII). Eine Einleitung (Kap. I) geht voran; eine
Bestandsaufnahme (Kap. VIII) bildet den Abschluß. Es wird bewußt
darauf verzichtet, neue Lösungen zu erarbeiten. Solche sollen
vielmehr angeregt und vorbereitet werden.