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Ausgabe:

1969

Spalte:

389-391

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Mittmann, Siegfried

Titel/Untertitel:

Beiträge zur Siedlungs- und Territorialgeschichte des nördlichen Ostjordanlandes 1969

Rezensent:

Mittmann, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 5

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Grundlage für das Folgende zugleich eigenes Gewicht haben. Ein
Zwischenteil »Theophanie und Prophetie" mag mit Psalm 81 die
V ei bindungslinie andeuten.

Der zweite Hauptteil »Zur Prophetie des Arnos" will zur Vermeidung
von Zirkelschlüssen ausschließlich unter Heranziehung
traditionsgeschiditlich verwandter prophetischer Texte vier charakteristischen
Elementen der Amosüberlieferung nachgehen: »Die
Schwellen erbebten", »Jahwe brüllt vom Zion", „Im Zorn wird ins
Horn gestoßen", »Mit Kriegsgeschrei und Hornsignal"; dabei werden
(1) Jes ö,lff und Am 9,1 ff - (2) Jes 29,lff und Am 1,2 - (3)
Hosll,8ff und Am 3,4ff - (4) Jes 30,27ff und Aml,13ff; 2,lff zusammengestellt
.

Zusammenlassend wird gefolgert:

1. Theophanie und Vision: Vision und Audition haben ihren Ursprung
in den akustischen und dynamischen Theophanievorgängcn
des Jerusalemer Tempelgottesdienstes. Entscheidend ist dabei die
inhaltliche Festlegung des Auftrags ausschließlicher Gerichtspredigt
auf Grund der durdi die Davidsüberlieferungen geprägten Bun-
destraditionen gegen das abtrünnige Nordreich wie gegen die ungetreuen
Vasallen, womit die Völkerorakel ihr Gewicht behalten.
Neu ist die einseitige Wendung der alten Tradition zur unentrinnbaren
Gerichtsansage gegen Israel.

2. Kult und Prophet: Aus der Verwurzelung des Propheten in
den Jerusalemer Theophanietraditionen wird der Gottesdienst des
Nordreiches von Grund auf in Frage gestellt, nicht weil dort andere
Götter verehrt würden oder gar weil Ethos statt Kultus gefordert
wäre - der illegitime Kult der Separatisten verfällt dem Gericht
als Konkurrenz zu dem Zentralheiligtum, dessen Autorität wesen-
haft unteilbar ist; dabei dürfte freilich auch eine opferfeindliche
Tendenz mitschwingen zugunsten von Israels ureigener Tradition
der Sinaitheophanie.

3. Tradition und Situation: Gerade auf dem Hintergrund der unverkennbaren
Bindung des Propheten tritt sein freies Wort als
Auslegung der Tradition um so deutlicher heraus. Das zeigt nicht
nur die ausgeprägte Sprachkraft des Predigers, sondern vor allem
des echten Propheten Scharfblick für die Wirklichkeit, mit dem
er seinen Text in die Situation auslegt, wobei er durchaus über
das hinausgehen kann, was ihm die Tradition übergibt: Gerade die
zentrale Tradition des Bundesvolkes öffnet den Horizont für alle
Welt.

Tradition und Situation, Bindung und Freiheit, Buchstabe und
Geist lassen sich bei Arnos nicht gegeneinander ausspielen. Überlieferung
und Verkündigung gehören zusammen.

Mittmann, Siegfried: Beiträge zur Siedlungs- und Territorialgeschichte
des nördlichen Ostjordanlandes. Diss. Tübingen 1966.
II, 314 S. Anhang.

Die Arbeit ist das Ergebnis archäologischer und siedlungsgeschichtlicher
Untersuchungen, die der Verfasser im Auftrag des
Deutschen Evangelischen Instituts für Altertumswissenschaft des
Heiligen Landes während eines zweieinhalbjährigen Aufenthaltes
in Jordanien (August 1963 bis Januar 1966) im nördlichen Ostjordanland
zwischen Jabbok und Jarmuk sowie in der südlichen
Bucht von besän durchführte.

Der erste Teil bietet die Beschreibung von 346 alten Siedlungsstätten
(11 in der Bucht von besän) nach Lage, Gestalt und Siedlungsbedingungen
sowie eine Bestandsaufnahme ihrer archäologischen
- vor allem keramischen - Hinterlassenschaft, soweit sie
an der Oberfläche zutage lag. Nur vier der mehr als 200 Plätze,
die N. Glueck zwischen 1939 und 1947 im nördlichen Transjordanien
aufgenommen hatte, konnten noch einmal geprüft werden.
Aus dem Bündel der Resultate seien zwei der wichtigsten herausgegriffen
. 1. Gluecks berühmte These, daß im Ostjordanland der
mittleren und späten Bronzezeit ein fast vollständiger Ausfall der
festen Besiedlung zu beobachten sei, hat sich für unser Gebiet
nicht bestätigt. 2. In der frühen Eisenzeit setzte ein erstaunlicher
Besiedlungsaufschwung ein, der nicht nur die Ackerebenen südlich
des Jarmuk, sondern auch das zuvor nur sporadisch und intermittierend
besiedelte Waldgebict des zentralen 'aglün-Gebirges erfaßte.

Der zweite Teil behandelt das römische Straßensystem, dessen
Bild sich durch die Entdeckung von 28 neuen Meilenstationen mit
über 70 teils ganz, teils fragmentarisch erhaltenen Meilensteinen
(z. T. veröffentlicht in ZDPV 80 [1964] S. 113ff.) wesentlich vervollständigt
hat. Diese Funde haben nicht nur den Verlauf der
schon bekannten Linien (Adraa [der'äj - Capitolias (bet räsj -
Gadara [umm qesj - Tiberias [tabariye]; Pella [tabaqat fahilj -
Gerasa (geras); Gerasa - Philadelphia ( ammänj; Gerasa - Adraa)
durchgehend gesidiert, sondern auch eine bislang gänzlich unbekannte
Route auf der Ostseite des Jordantales (über Pella, mit
Abzweigungen nach Skythopolis (besän] und Gadara) ans Licht
gebracht. Dagegen hat sich die alte Annahme einer von Gerasa zur
Straße Bostra (bosrä eski säm) - Philadelphia führenden Querverbindung
nicht bestätigt. In der südlichen Bucht von besän fand
sich nur ein Wegzeichen der zehnten Meile von Skythopolis, das
aber in historisch-geographischer Hinsicht von besonderem Wert
war, weil sich mit seiner Hilfe auf Grund eines auf diese Station
bezüglichen Hinweises im Onomastikon des Eusebius die Lage
des biblischen Ortes Abel Mehola bestimmen ließ (vgl. ZDPV 82
(1966J S. 83fr). Ein kurzer Schlußabschnitt befaßt sich mit dem
Nadileben der Römerstraßen in der mittelalterlich-arabisdien Zeit.

Der dritte Teil besdireibt und kommentiert mehr als ein halbes
Hundert (52) griediisdier und lateinischer Inschriften, Neufunde
zum allergrößten Teil (48), von denen nicht ganz die Hälfte aus
dem jordanischen Teil der Hauranebene, dem Gebiet zwischen
mefraq und umm el-qutten, stammt. In der weit überwiegenden
Mehrzahl handelt es sich um Sepulkralinschriften auf Stelen (27),
Porträtbüsten (2), Bauelementen und Felswänden, die, wie nidit
anders in diesem steppennahen Bereich zu erwarten, zahlreiche
altarabisdie Namen enthalten, darunter drei sonst nicht belegte
MoauvaO = Mu'aunat, Ovcawx = Hunaina, zii.pt.e.tut; = Zarzit [?]).
Als epigraphische Kostbarkeiten verdienen zwei Kirchenmosaik-
inschriften hervorgehoben zu werden, von denen die eine (531
n. Chr.) uns mit dem Bischof Agapios von Bostra bekannt macht
und die andere (635 n. Chr.: s. jetzt ZDPV 85 [1967] S. 42ff.) uns
erstmals einen Anhaltspunkt für die Amtszeit des schon anderweitig
bezeugten Metropoliten Theodoros von Bostra liefert.

Der vierte Teil erhebt den territorialgesdiichtlichen Ertrag der
siedlungsgeschiditlichen Untersuchungen, und zwar für die israelitisch
Priode und die Kreuzfahrerzeit. -Der erste Hauptabschnitt
(„Zur Territorialgeschichte der israelitischen Zeit") ist historisch
untergliedert: 1. »Von der Landnahme bis zur israelitischen Staatenbildung
", 2. »Von der Staatenbildung bis zum Untergang des Reiches
Israel". Zu 1: Die israelitische Kolonisation im nördlichen
Ostjordanland ging von den drei westjordanischen Stämmen Ephraim
, Machir und Benjamin aus. Der ephraimitische Besitz beschränkte
sich nicht auf die Landschaft Gilead südlidi des Jabbok
(M. Noth), sondern erfaßte auch das nördlich benadibarte Gebiet
bis über das wädi kufringe hinweg. Dieser Abschnitt des 'aglün-
Gebirges, der entgegen einer früher verbreiteten Meinung eine
relativ dichte früheisenzeitliche Besiedlung aufweist, ist mit dem
2. Sani. 18,6 erwähnten .Ephraim-Wald" gleidizusetzen. Weiter
nördlich schloß sich der wohl auf den Ort Jabes-Gilead (teil el-
maqlüb im wädi el-yäbis) und sein Territorium begrenzte Anteil
der Benjaminiten an und daran schließlich der bis zum Jarmuk sich
erstreckende Bereich Machirs. Nach Osten hin konnten die Israeliten
wohl nirgends die Hauptwasserscheide des 'aglün-Gebirges
überschreiten, denn jenseits dieser Linie hatten sich in der nördlichen
Hälfte des Landes die Aramäer von (Beth-)Rehob und in der
südlichen die Ammoniter festgesetzt. Das Zentrum jenes Aramäer-
staates ist nicht mit dem ca. 20 km ostnordöstlich von geras, am
Rande der Steppe gelegenen rihäb, sondern mit dem im wädi
er-rahüb, ca. 10 km nordöstlich-ostnordöstlich von irbid sich erhebenden
teil el-mu'allaqa zu identifizieren. Die Annahme einer
ammonitischen Besiedlung ergibt sich aus dem sonst unerklärlichen
Angriff der Ammoniter auf Jabes-Gilead (1. Sam ll,lff.).
Zu 2: Dieser Unterabschnitt beschäftigt sich vornehmlich mit der
Frage nach der salomonischen Gaueinteilung im nördlidien (und
mittleren) Ostjordanland. In dem Ramoth-Gilead (teil er-ramit)
unterstellten sechsten Gau waren das machiritische (und benjä-
minitische?) Siedlungsgebiet und wohl das gesamte Territorium
von (Beth-)Rehob zusammengeschlossen. Der südlich angrenzende
ephraimitisch-ammonitische Bereich war in den siebenten Gau
„Mahanaim" (teil heggäg) einbezogen. Dieses Ergebnis stützt sich
auf eine neue Deutung der Crenzbeschreibungselemente in Jos. 13
(V. 16 von 1tn,a bis •,„„,--,.„. 17a 113»;n (-lv. 23a/3.25b.26.
27a<iba), die im jetzigen Kontext eine historisch nicht verifizierbare
östliche Grenzlinie des israelitischen Ostjordanlandes fixieren