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Ausgabe:

1969

Spalte:

376-377

Kategorie:

Liturgiewissenschaft, Kirchenmusik

Titel/Untertitel:

Handbuch des kirchenmusikalischen Dienstes im Nebenamt 1969

Rezensent:

Albrecht, Christoph

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375 Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 5

Formulierung der Gebete und teilweise moderne Überarbeitung
liturgischer Texte. Die Wirkung ist so stark, daß Knipping sagen
kann: „Vom Gottesdienst her ergab sich so im Laufe der Zeit
eine Neuordnung der gemeindlichen Arbeit" (38). Diese Neuord-
ordnung scheint im wesentlichen eine Gliederung der Gemeinde
in schöpferische Gesprächsgruppen zu sein. Hier wüßte man gern
noch mehr, etwa was das Stichwort «Reform des Gemeindelebens
durch Information" (37, im Original gesperrt
) eigentlich bedeutet und in welcher Weise sich die Neuordnung
der Gemeinde auf die Welt von Ottweiler auswirkt.

Das interessanteste Beispiel in dieser Richtung ist der Beitrag
von Kurt Oeser „Die Situation in Mörfelden: David und Goliath"
(ö4ff.). Ein Pfarrer nimmt mit seiner Gemeinde den Kampf gegen
den Frankfurter Rhein-Main-Flughafen und schließlich gegen eine
ganze Landesregierung auf wegen der unzumutbaren Lärmbelästigung
der Einwohner von Mörfelden und der umliegenden Gemeinden
. Die Gemeinde springt an einer Stelle in die Bresche, wo eine
bestimmte Gruppe von Menschen in der Welt leidet und keinen
anderen Fürsprecher findet, mit Erfolg! Das heißt, die Gemeinde
nimmt ein Stück unverwechselbarer Diakonie wahr, so wie die
alten Christen die Krankenhäuser erfunden haben, als es noch
keine gab, und die katholischen Brückenbrüder im 12. Jahrhundert
Brücken über die Rhone bauten, weil das sonst keiner tat. Der
Erfolg des Unternehmens wird auf die Wahrnehmung einer Verantwortung
zurückgeführt, in der man ein Stück fälligen Gehorsams
erkannt hat. So fällt hier folgerichtig das Wort Hoeken-
dijks: „Die Welt gibt die Tagesordnung!" '(94).

Schon an diesen beiden Beispielen wird deutlich, daß die Berichte
des Bandes nicht systematisch gesammelt worden sind, sondern
ihre Auswahl mehr zufälligen Charakter hat. Deshalb leistet
das Buch - auch abgesehen von seinem mangelnden Zusammenhang
mit „Fantasie für Gott" - nicht das, was man sich heute
wünscht als einer, der selbst experimentiert. Trotzdem sind natürlich
alle Informationen als solche wertvoll. Und der Mangel an
Systematik ist vermutlich unverschuldet, weil wohl viele Experimentatoren
gerade im Stadium des Experimentes (Bischof Lilje
nennt im Nachwort „zu der Verwirklichung einer guten organisatorischen
Idee ein(en) Zeitraum von mindestens fünf Jahren"
165) nicht bereit sind, mit Berichten an die Öffentlichkeit zu treten.
Von daher gesehen ist wohl der wertvollste, weil ehrlichste Beitrag
des ganzen Bandes der von Nicolas Stacey, Pfarrer in
Woolwich, unter der Überschrift: „Wir sind gescheitert!" Und es
hilft zur Ernüchterung, daß Schnath diesen Beitrag an die Spitze
seines Bandes gestellt hat. In Woolwich ist ein Versuch mit großem
Aufwand in Szene gesetzt worden: ein Pfarrerteam mit mindestens
acht Pfarrern sprich Volltheologen (die genaue Anzahl geht
aus dem Aufsatz nicht klar hervor), mit Geldmitteln, die erheblich
über den Rahmen des Gemeindeetats hinausgehen und zum
Teil durch Stiftung, zum Teil durch Pressearbeit der Beteiligten
beschafft werden, mit dem Abriß einer großen Kirche, dem Umbau
einer kleinen Kirche in eine Halle für das Bingospiel (?), dem
Umbau einer anderen Kirche in ein Kaffeehaus und einen Andachtsraum
, der allein 30 000 Pfund (!) verschlang. Das schließliche
Scheitern dieses Versuchs wird von den Beteiligten so gründlich
und endgültig gesehen, daß sie am Schluß den Beginn eines
völlig anderen Versuchs ankündigen: man sucht nun einen zu besoldenden
Laien, der die gesamte Verwaltung der Gemeinde
übernehmen soll, während alle beteiligten Pfarrer in säkulare
Berufe gehen (in Woolwich) und ihre geistliche Arbeit und Verantwortung
in der Freizeit wahrnehmen.

Dieser Bericht fesselt aus mehreren Gründen, von denen ich
einige als kritische Anmerkungen nennen möchte:

1) Er ist ein plastischer Hintergrund zu Robinsons Buch „Gott
ist anders". Woolwich gehört zu Robinsons Bischofssprengel, und
mit ihm war das ganze Projekt durchgesprochen (19). Wieweit
es überhaupt seiner Inititive und seinen Ideen entsprungen ist,
läßt der Bericht nicht erkennen. Seine Theologie scheint auf alle
Fälle Pate gestanden zu haben. Den praktischen Beweis ist sie
schuldig geblieben, denn der Mißerfolg liegt keinesfalls an mangelndem
Ernst oder gar mangelnder Seriosität. Die zwei Stunden
täglicher Gebetsmeditation aller Beteiligten zeigen die letzte Tiefe
des Verantwortungsbewußtseins, mit der sie zu Werke gingen.
Aber es fällt auch hier wieder auf, daß zwei der drei Kronzeugen
Robinsons, Bultmann und Tillich, ihre Schüler eingeschlossen, bisher
ein gültiges Gemeindemodell schuldig geblieben sind.

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2) Es scheint mir eine merkwürdige Uberschätzung des Amtes
vorzuliegen, die vielleicht aus anglikanischer Tradition zu erklären
ist. Man versprach sich zunächst alles von einem Pfarrerteam und
verspricht sich nun wieder alles von in säkularen Berufen arbeitenden
Pfarrern. Man könnte fast den Eindruck bekommen, nur
der könne vollwertiger Christ - und das heißt ganz im Sinne
zu bejahender gegenwärtiger ökumenischer Theologie Missionar
- sein, der Theologie studiert habe. Wo bleibt das Ernstnehmen
der verschiedenen Gaben am Leibe Christi? Die schwache
Resonanz des Unternehmens bei Laien dürfte darin einen wesentlichen
Grund haben. Der eine Laie, der nun alle Vewaltungsge-
schäfte übernehmen soll, ist doch offenbar eine Notlösung und
kein verantwortlich eingesetztes Charisma.

3) Der Überschätzung des Amtes scheint eine Unterschätzung
der Theologie parallel zu laufen. Wo sind eigentlich die Pfarrer als
Theologen eingesetzt worden? Und werden sie nun als Theologen
eingesetzt?

4) Es gibt interessanterweise im Neuen Testament keine Geschichte
einer Massenbekehrung durch Jesus, und trotz der Pfingst-
geschichte lassen die Berichte des Lukas auf kleine Gemeinden
schließen, die Briefe ebenfalls. War nicht das Unternehmen einfach
zu hoch angesetzt? Machte es vielleicht den Versuch, die alte überholte
Volkskirche durch eine neue abzulösen in Verkennung der
Tatsache, daß die Zeit der Volkskirche in Europa überhaupt vorbei
sein könnte? „Wo zwei oder drei versammelt sind..." (Matthäus
18,20)! Wäre nicht die Mühe um diese zwei oder drei
sinnvoller und sachgemäßer gewesen und hätte wesentlich weniger
Mittel erfordert?

Die erwähnten Berichte sollen symptomatisch für das Buch
stehen und nicht repräsentativ. Sie sollen Hinweis sein auf die
Fülle an Material, die insgesamt geboten wird zusammen mit abgewogenen
und sachkenntnisreichen Kommentaren, wenn mir auch
die reinen Informationen am stärksten zu wirken und zu sein
scheinen.

Karl-Marx-Stadt Dietrich Mendt

Schutz, Roger: Einheit und Zukunft. Die Christenheit im technischen
Zeitalter. Freiburg-Basel-Wien: Herder (1965). (Lizenzausgabe
d. Verlages G. Mohn, Gütersloh). 124 S. kl. 8° = Herder-
Bücherei ,219.

Wildiers, N. M.: Kirche für eine größere Welt. Analyse,
Kritik, Reform, übers, v. K. H. Bergner. Freiburg/Br.: Herder
[1968]. 139 S. kl. 8° = Herder-Bücherei, 325. DM2,90.

LITURGIE WISSENSCHAFT

O p p, Walter [Hrsg.]: Handbuch des kirchenmusikalischen Dienstes
im Nebenamt. Berlin: Merseburger 1967. 224 S. m. 30 Abb.
u. 160 Notenbeispielen gr. 8° = Edition Merseburger 1133.
Dieses Handbuch ist ein Miniaturkompendium, das dem nebenberuflichen
Kirchenmusiker (nur an diesen wendet es sich) eine
wertvolle Hilfe bei der Zurüstung für die C-Prüfung ist und das
ihm auch als Nachschlagewerk im Amt sehr nützlich sein kann.
Der Herausgeber ist zugleich Verfasser von einem Drittel der 18
Beiträge des Bandes. Nach 6 grundsätzlichen Kapiteln folgen je
5 Beiträge zur Praxis: zum Organistendienst und zur Chorarbeit.
Einige Ausführungen zur Glockenkunde und eine Elementarlehre
der Musik und Harmonielehre beschließen den Band, dem noch ein
Sachregister mit Fachworterklärungen und ein Personenregister
beigegeben sind. Die Verfasser der weiteren Beiträge sind Walther
Haffner, Friedrich Kalb (2), Fritz Langhans, Otto Meyer, Adolf
Sperl, Ewald Weiß (3) und Karl Wünsch (3).

Die Begrenzung auf engsten Raum (z. B. Liturgik und Hymno-
logie auf zusammen 17 Seiten!) bringt es mit sich, daß auch
wesentliche Dinge nur stichwortartig behandelt werden können.
Hier liegen die Grenzen des Handbuches. Ein an einer Kirchenmusikschule
vorgebildeter Studierender wird das Buch mit viel
Gewinn als Ergänzung oder zur Wiederholung des in den Vorlesungen
und Übungen erarbeiteten Stoffes in die Hand nehmen.
Für eine selbständige Vorbereitung auf die Prüfung ist es unzureichend
. Hier müßte unbedingt die „Literatur zum Weiterstudium"