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Ausgabe:

1969

Spalte:

371-372

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Schneyer, Johannes Baptist

Titel/Untertitel:

Die Unterweisung der Gemeinde über die Predigt bei scholastischen Predigern 1969

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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Seite 1

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Campenhausens über den Ablauf der Osterereignisse in breiten
Auszügen geboten, sowie die kleine Schrift von Jeremias über den
Opfertod Christi und ein sehr abgewogener, instruktiver Aufsatz
von L. Goppelt über das Osterkerygma. Man vermißt aber exegetische
Arbeiten, die einen anderen, kritischeren Standpunkt einnehmen
. Ganz gegen seine eigentlichen Intentionen erlaubt der
Band in dieser Hinsicht also nur eine sehr einseitige Orientierung
. So mufi es doppelt bedauerlich erscheinen, dafs - wohl z. T.
aus verlagstechnischen Gründen - auch die Stimmen Gogartens,
Ebelings und Tillichs ganz fehlen; ein Zeitungsartikel Zahrnts
(150-152) und die Erörterungen in der Einleitung können diesen
Mangel nicht ersetzen. Das heifit aber, dafj die eigentlichen Partner
der gegenwärtigen Diskussion, die durch ihre Fragestellungen
das Gespräch vorantreiben, nicht selbst vorgestellt werden.

Die Akzente, die damit gesetzt werden, entsprechen der eigenen
theologischen Stellung Klapperts. In seiner Einleitung bemüht er
sich, durch die Betonung der „Mehrdimensionalität der Auferstehungsberichte
" den verschiedenen Aspekten ihres Inhalts wie
ihrer Bedeutsamkeit gerecht zu werden: die historische, soterio-
logische, futurisch-eschatologische. kerygmatheologische und an-
thronologische Fragestellung wird je an ihrem Ort aufgenommen.
Aber dieser Versuch, dogmatisch übergreifend die einseitigen
Alternativen zu vermeiden, wird erkauft mit einer deutlich supranaturalistischen
Antwort auf die exegetischen Fragen: die Auferstehung
ist „der historischen Forschung prinzipiell nicht zugänglich
", aber sie hat als ein „wirkliches, in Raum und Zeit... geschehenes
Ereignis einen der historischen Forschung durchaus
zugänglichen Rand" (51). Damit sind wohl die Historizität des
Ereignisses und die Souveränität Gottes gewahrt, aber die eigentlichen
Fragen nach der Person Jesu in diesem Geschehen und nach
der Gestalt des Glaubens nicht beantwortet, sondern nur abgewiesen
.

Ein Literaturverzeichnis würde die Benutzung des Bandes, ge-
rade für Laien, erleichtern. Dafi Fremdwörter und Fachausdrücke
erklärt werden, ist dankenswert; die Durchführung ist aber
uneinheitlich (Kosmokrator, S. 44, wird nicht erklärt, dafür aber
Identität. S. 279). Hier wäre auch ein zusammenfassendes Verzeichnis
eine bessere Lösung. Wo in der Einleitung aus im vorliegenden
Band abgedruckten Texten zitiert wird, sollten die Seitenangaben
sich nicht ntif die Originaldrucke, sondern auf den eigenen Ab
druck beziehen!

Trotz aller Bedenken bleibt aber dem Herausgeber dafür zu
danken, dafj er ein gut verwendbares Arbeitsbuch für die Studien-
arbeit in Theologie und Gemeinde geschaffen hat.

Naumburq/Saale Harald S c h u ! t z c

Schnever, Johannes Baptist: Die Unterweisung der Gemeinde
über die Predicrt bei scholastischen Predigern. Eine Homiletik
aus scholastischen Prothemen. München-Paderborn-Wien: Schö-
ningh 1968. 104 S. gr. 8° = Veröffentlichungen des Grabmann-
Institutes zur Erforschung der mittelalterlichen Theologie und
Philosophie, hrsg. von M. Schmaus, W. Dettloff, R. Heinzmann,
N. F. 4. Kart. DM 10,-.

Der als vorzüglicher Kenner der scholastischen Predigt ausgewiesene
Verfasser stellt die wichtigsten homiletischen Gedanken
aus scholastischen Prothemen zusammen. Das Prothema war eine
Kurznredigt mit eigenem Thema, das mit dem Hauptthema der
Predigt in einem bestimmten Zusammenhang stehen mufite. also
ein Vorläufer des ersten Exordiums in der Barockorediqt. Die
nrothematische Einleitungspredigt wurde bevorzuat in Universi-
tätsgottesdiensrcn praktiziert, wo die Magister sich - wie Tosef
Koch vermutet - erst nach der Einleitungspredigt zur Haupt-
nreriint einfanden.

Oberraschend oft äufierten scholastische Prediger sich in den
Prothemen über das Wesen der Predigt und des Predigtamtes
sowie die Aufaaben der Zuhörer in der Predigt. Dabei dominiert
die Reflexion über die Rolle der Prediger so stark, dafi Schnever
die Hälfte seiner Untersuchunq diesem Thema widmet (S. 40-90V
Unermüdlich betonen die Prediger, dafi Lehre und Leben übereinstimmen
müssen. „Der Prediger mufi auf der Zither seines
eioenen Lebens die Melodie vorspielen, die er seinen Hörern cin-
präqen will" (S. 36). Ein heiliges Leben ist die beste Prediatvor-
bereihtng. Die Erkenntnis, dafi jeder Prediger ein Sünder bleibt

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und gerade deshalb der Fürbitte seitens der Gemeinde bedarf, tritt
ebenso zurück wie der Trost für den versagenden Prediger. Das
entspricht dem erdrückenden Übergewicht der Gesetzespredigt
gegenüber der Evangeliumsverkündigung im Mittelalter. Schneyers
Untersuchung würde noch interessanter, wenn er mit der theologischen
Kritik weniger zurückhielte.

Eine Gemeinsamkeit von scholastischem und reformatorischem
Predigtverständnis zeigt sich in dem Gedanken, dafi Gott der
eigentliche Autor der Predigt ist: „non facit praedicator sermonem,
quem loquitur, sed Deus" (S. 18). Trotzdem wird - wie später
in der orthodoxen und pietistischen Predigtlehre - grofier Wert
auf das Affektleben der Prediger gelegt. Die Prothemen enthalten
pastoralpsychologische und -ethische Gedanken, die auch für
den modernen Prediger von Bedeutung sind. Eine glühende Gottes
- und Nächstenliebe gilt als wichtigste Voraussetzung für die
Predigt. Zum intellektuellen Wissen, das sehr hoch geschätzt wird,
mufi die Weisheit treten, die das Licht der Verstandeserkenntnis
in die Klarheit der göttlichen Schau taucht. Der Prediger ist deshalb
auf die Wirkung des Heiligen Geistes und die Kraft des Gebetes
angewiesen, ohne dadurch von gewissenhafter Vorbereitung
befreit zu werden.

Auffällig selten sprechen die Prothemen von der Rolle der Zuhörer
. Bonaventura betont, dafi die Hörer ebenso wie die Prediger
auf den Heiligen Geist angewiesen sind. Bemerkenswert ist die
Erkenntnis, dafi die Predigt ein Kommunikationsgeschehen darstellt
, in welchem die Bereitschaft der Zuhörer die besten Kräfte
des Predigers weckt und löst, so dafi er Gottes Wort besser verkündet
, als es ihm aus eigener Kraft möglich wäre (S. 94f.).

Die Hinweise mögen zeigen, dafi eine Beschäftigung mit der
scholastischen Homiletik nicht nur historischem Interesse dient.
Für die Geschichte der Homiletik hat Schneyer wichtiges Material
ausgewertet, das durchweg schwer erreichbar ist. Die meisten der
verarbeiteten Autoren sind allgemein wenig oder gar nicht bekannt
. Von den grofien Scholastikern wird fast nur Bonaventura
zitiert. Für den Leser wäre es eine Hilfe, wenn zu den übrigen
Autoren - soweit möglich - kurze biographische Angaben gemacht
würden.

Das gut lesbare Buch enthält viele Beispiele für die Formulierungskunst
der Scholastiker. Nur eins sei zitiert: „Christus est
lux, guae facit praedicatorem altum in contemplatione, darum in
cognitione, calidum in affectione" (S. 18).

HallefSaale Eberhard W i n k 1 c r

Kretzschmar, Gottfried; Volkskirche im Umbruch. Kirchliche
Lebensäufierungen in drei Gemeinden der Evangelisch-Lutherischen
Landeskirche Sachsens. Eine praktisch-theologische Arbeit
auf kirchoemeindesoziologischer Grundlage. Berlin: Union Verlag
(1967). 198 S. 8°. Kart. M 7,-.

Die vorliegende Arbeit - die überarbeitete Habilitationsschrift
des Vf. - ist die erste gedruckt vorliegende kirchensoziolooisrhe
Untersuchung eines Theologen aus der DDR. K. weifi sich der
Sache der Theologie wie dem Anlieaen des Gemeindeaufbaus verpflichtet
: „Die Kirchqemeindesoziologie ist also alles andere als
Selbstzweck. Sie will vielmehr nur die Diagnose stellen, der eine
auf Gesundung ausgerichtete Therapie folgen soll" (S. 10). Arbeiten
zur Kirchensoziologie aus westlicher Sicht können „nur teilweise
auch unsere Situation verdeutlichen" (S. 11V So besteht dringender
Bedarf an eigenständiger Forschungsarbeit, zumal sich seit
einiger Zeit auch die marxistische Soziologie mit diesen Fragen be-
fafit. K.'s Buch versteht sich als ein Beitrag zur Situationsanalvse
(volks-)kirchlicher Gemeinden und als Anregung für Pfarrer und
Gemeinden, ähnliche Untersuchungen durchzuführen.

Nach einigen einleitenden Bemerkungen über Sinn und Methocle
der Untersuchung versucht K. im umfangreichen Hauptteil des Buches
, eine „soziologische Darstellung und Bewertung dreier Kirchgemeinden
" zu geben. Zum Thema: „Kirche und soziologische Forschung
" sagt K. manches Wertvolle. „Soziologie treiben im Bereiche
unserer Kirchgemeinden heifit iedenfalls entzaubern" (S. 25V Freilich
treibt er diese „Entzauberung" nicht weit genug, wenn er bei
der Behauptung stehen bleibt, die Kirche sei (ähnlich wie das
Volk!) „mehr als die Summe ihrer Glieder". Dieses „Mehr" ist
iedoch - soziologisch gesprochen - die Organisation. Indem K.
jedoch bereits hier theologische Prämissen ins Spiel bringt, wird

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 5