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1969

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

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Neuerscheinungen

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Das Gute bewegt den Affekt, insofern es liebenswürdig ist - mit
diesem Dionysiuskommentar leitet das Buch über zum allgemeinen
Begriff der Liebe. Das Erkenntnisvermögen stellt dem Strebevermögen
den Gegenstand vor, dieses ist Subjekt der Liebe, deren
Gegenstand das bonum ist. Liebe ist Hinneigung, ja Formung.
Der Liebesbegriff nach Dionysius wird analysiert. Ein Kapitel ist
der ekstatischen Neigung der Liebe gewidmet; „die göttliche
Liebe ist entrückend und duldet nicht, daß die Liebenden sich
selbst angehören" (115). Kapitel 6 stellt Alberts Lehre von der
Freundschaft dar und benutzt dazu zwei Erklärungen Alberts zur
Nikomachischen Ethik. Wegen der Wechselseitigkeit der Beziehungen
ist die Freundschaftslehre für theologische Fragen relevant.
Erkenntnis und Liebe im Zustand der Vollendung ist das folgende
Thema. Dabei wird Alberts Verhältnis zur aristotelisch-arabischen
Intellectus-Lehre berührt. Über dem von Albert individuell gefaßten
intellectus agens steht ein intellectus separatus als erleuchtendes
Prinzip. Nach einem Ausblick auf Ulrich und nicht
leicht zu interpretierende Sätze des Meisters Eckhart faßt der
Autor zusammen, bei Albert habe das Erkennen in der Verbindung
mit Gott nicht die erste Stelle. Die Einheit mit Gott werde
nicht in der Erleuchtung des Intellekts, sondern in der Liebe erfahren
(210). Die beiden letzten Kapitel sind der Rolle der Liebe
in der Trinitätsspekulation und der Darstellung der Liebe als
Tugend gewidmet. Dabei wird wieder den Vorgängern Alberts
nachgegangen, auch mit der Scholastikforschung setzt sich dabei
der Autor auseinander.

Das gelehrte Werk ist gut ausgestattet, die wenigen Druckfehler
kann der Leser selbst korrigieren.

Rostock Peter H e i d r i c h

C o n g a r , Y. M. J.: Structures et regime de l'Eglise d'apres Hinc-

mar de Reims (Communio 1, 1968 S. 5-18).
C o r b i n , Michel i La fonction et les principes de la theologie

selon la somme theologique de saint Thomas d'Aquin (RechSR 56,

1968 S. 321-366).

Dangelmayr, Siegfried: Vernunft und Glaube bei Nikolaus
von Kues (ThQ 148, 1968 S. 429-462).

KIRCHENGESCHICHTE: REEORMATIONSZE1T

( R ü c k e r t, Hanns:] Geist und Geschichte der Reformation. Festgabe
Hanns Rückert zum 65. Geburtstag dargebracht von Freunden
, Kollegen und Schülern. Berlin: de Gruyter 1966. VIII,
486 S., 1 Porträt gr. 8° = Arbeiten zur Kirchengeschichte, hrsg.
von K. Aland, W. Eltester und H. Rückert, 38. Lw. DM 68,-.
Es wäre vielleicht verzeihlich, wenn der Rezensent einer Rückert-
Festschrift über den Jubilar mehr sagte als über die ihm gewidmete
Gabe. Was Hanns Rückert seit über vier Jahrzehnten als
kirchengeschichtlicher Forscher und Lehrer einer großen Zahl von
Freunden, Kollegen, Schülern und anderen, die von ihm lernen
wollten, gewesen ist, läßt sich auch durch den stattlichen Umfang
und breit angelegten Rahmen einer Festschrift nur unvollkommen
zum Ausdruck bringen. Gelegentliche Bemerkungen von Autoren
des vorliegenden Bandes lassen etwas von der Verehrung erkennen
, die dem Werk des 65jährigen gilt. Es könnte sein, daß man
auf manchen anderen beziehen und für die Wirkung der im Druck
erschienenen Schriften Rückerts mit in Anspruch nehmen darf, was
Martin Schmidt seinem Beitrag vorangesetzt hat: Rückert habe
»ihn für die von der Reformation Luthers her verstandene Gesamtkirchengeschichte
" gewonnen. „Seine Vorlesungen, die in ihrer
sachlich energischen, sprachlich geschliffenen Gestalt etwas Einzigartiges
darstellen, entfalteten schon damals, in den Jahren 1928
bis 1930, eine tiefe, nachhaltige Wirkung, so daß der Verfasser
noch viele Formulierungen im Gedächtnis hat. Entscheidend jedoch
War die Betrachtungsweise, die sich ihm als verpflichtende Mitgift
einprägte" (S. 377).

Das halbe Tausend Seiten, dem sich der Rezensent gegenüber-
sieht, kann in dem hier gesteckten Rahmen kaum der Themenbekanntgabe
nach ausreichend referiert werden. Dabei gibt es
Unter den 19 Beiträgen solche, die ein veritables Programm zu
neuen Forschungsimpulsen für ganze Epochen der Geistesgeschichte
enthalten. Heinz L i e b i n g etwa kritisiert, daß die breite Bewe-

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gung des Humanismus im 16. Jahrhundert immer nur von außen,
d. h. von Luther und den anderen Reformatoren her, befragt worden
ist. Das weitere „Operieren mit einem völlig antiquierten Humanismus
-Bild auf dem Felde der Reformationshistorie" (S. 358)
hält der Verf. für verhängnisvoll. Man müsse zwischen den einzelnen
Strömungen innerhalb des Humanismus auch hinsichtlich dessen
, was sich dann durchgesetzt bzw. was zum Auslaufen dieser
geistigen Bewegung geführt hat, exakter unterscheiden. Daß Lie-
bing die Frage der konfessionellen Vereinnahmung des Humanismus
und die Rolle Melanchthons in den jahrzehntelangen Wirkungen
humanistischer Ideen besonders veranschlagt, kann hier nur
angemerkt werden.

Neue Akzente für die Erforschung der theologischen Aufklärung
in Deutschland fordert Klaus S c h o 1 d e r, der Aufarbeitungen
an dieser Stelle für die „wichtigsten Voraussetzungen zum Verständnis
der neueren deutschen Geschichte überhaupt" (S. 486) hält.
Er fragt, ob denn in Deutschland eine Aufklärung im westeuropäischen
Sinne stattgefunden habe (S. 462). Scholder geht dabei
von der These aus, „daß die deutsche Aufklärung, soweit sie als
theologische in unser Blickfeld kommt, nicht in erster Linie als ein
theoretischer Prozeß, sondern als eine praktische Reformbewegung
verstanden werden muß" (ebd.). „Das praktische Verständnis des
Christentums war die Antwort auf die bewegende Frage nach dem
Sinn der Religion überhaupt" (S. 468).

Nicht minder programmatisch fragt Johannes W a 11 m a n n
nach dem Verhältnis des Pietismus zur voraufgehenden Orthodoxie
. Selbst wenn sich der Verf. auf den lutherischen Pietismus
(besonders auf Spener) und die lutherische Orthodoxie beschränkt,
kommen doch Gesamtphänomene in den Blick, deren eingefahrenes
Verständnis zu überprüfen wäre. Wallmann macht auf Forschungsgegensätze
zwischen E. Hirsch und M. Schmidt aufmerksam
, die primär das Spener-Verständnis angehen. Hirsch tritt bekanntlich
dafür ein, daß Spener die Rechtfertigungslehre in der
Mitte der Theologie belassen habe, Schmidt dagegen behauptet,
daß sie zugunsten der Wiedergeburtsauffassung verdrängt sei.
Wallmann weist außerdem auf Speners bisher auch nicht homogen
dargestellte Eschatologie hin. Offenbar will der Verf. die Arbeit
an dem Problem nicht abschließen, sondern neu auf den Weg
setzen. „Die Frage, ob der Spenersche Pietismus, wenn man ihn
mit der Orthodoxie vergleicht, zu Luther zurück oder von Luther
noch weiter weggeführt hat, ist noch offen" (S. 442).

Eine speziell Spener in seiner Wirkung auf Württemberg gewidmete
Studie von Martin Brecht ist angefügt. Der Verf. erkennt
die Aktionen der württembergischen Kirchenleitung zwischen
1680 und 1700, die Reform der Theologenausbildung, die Erweichung
der Haltung in Lehrfragen, die Neubelebung und Erneuerung
der Kirche allgemein als durch Spener geprägt. Der Preis
dafür war nach Brechts Ansicht hoch: Das reformatorische Erbe
war zum Teil preisgegeben, „schwärmerische und gesetzliche Elemente
in der Kirche" waren rezipiert worden (S. 459). Worin
letztere bestanden, führt der Verf. leider nicht deutlich aus.

Selbst wenn sich die Themen von neutestamentlichen Fragen
bis in die Aufklärung hinein erstrecken, ist der Bezug auf die
Reformationsgeschichte in allen Beiträgen unverkennbar. Wenn
Ernst Fuchs über die Logik des Paulinischen Glaubens handelt,
haben wir nicht nur einen Geländeritt gegen Künneths Faktenbzw
. Faktum-Theologie (S. 11), gegen sein „pneumatisch-leib-
hafte(s) Wirklichkeitsverständnis" zugunsten des Wahrheitsverständnisses
des Evangeliums vor uns, sondern den lebendigen
Bezug auf die reformatorische Grundthematik von Gesetz und
Evangelium: „Denn die Faktizität gehört als .Wirklichkeit' unter
das Gesetz, damit die .Wahrheit' dem Evangelium der Gnade
gehöre" (S. 14). Paulus begreift „Gottes Gerechtigkeit als Logik
des Glaubens". „Ihr galt die reformatorische Entdeckung Luthers,
die Theologen auch heute noch zu Freunden machen kann, weil
sie froh zu machen vermag."

Einen angemessenen Raum nehmen die begriffsanalytischen
Beiträge ein. Reinhard Schwarz handelt über Meister Eckharts
Meinung vom gerechten Menschen, und zwar im Blick auf die
grundsätzliche und historische Beurteilung von Luthers Rechtfertigungslehre
. Er sieht in der häufigen Rede Eckharts vom gerechten
Menschen starke Impulse des Neuplatonischen wirksam
werden, die der aristotelisch-scholastischen Rechtfertigungslehre
entgegengesetzt sind (S. 34).

Renate Steiger geht dem Kontingenzbegriff im Nominaiis-

Theologische Literaturzeitung 94. Jahrgang 1969 Nr. 5